Das ständige Aufrechterhalten guter Laune und optischer Perfektion in der amerikanischen Gesellschaft bedarf eines starken psychotherapeutischen Ventils - anders ist es nicht zu erklären, warum immer wieder Filme in die Kinos gelangen, die sich vor allem darin gefallen, immer abstrusere Intim-Details zu offenbaren, die sich sonst unter der glänzenden Oberfläche verbergen und von deren Existenz man lieber nichts erfahren möchte.
Jason Biggs ist seit der "American Pie"-Filmreihe ein "Held" für diese Art von Filmen geworden. Fast scheint es, dass seine optische und schauspielerische Duchschnittlichkeit, gepaart mit einer sympathischen Ausstrahlung, den geeigneten Hintergrund für das Ausleben möglichst vieler menschlicher Unzulänglichkeiten abgibt, hinter denen er als Charakter immer zurücktritt. Hauptakteure sind auch in "Blind Wedding" die eigentlichen Nebendarsteller, die nach Art einer Nummernrevue abgedrehten Schwachsinn, eklige Details und überzogene Verhaltensweisen am Fliessband aufführen.
Biggs als Anderson wirkt selbst in der ersten Szene, in der er als fast nackter Amor in einem Edelrestaurant seiner Angebeteten (Kelly Rypa) einen Heiratsantrag macht, merkwürdig vernünftig. Nie entgleisen ihm seine Gesichtszüge, verdreht er seine Glieder oder spricht er seltsam, wie das ein Jerry Lewis in fast jeder Szene getan hätte. Der Tod der Freundin, die bei seinem Anblick umkippt, erklärt sich eher durch den heftigen Flirt, in den sie sich mit dem schmierigen Kellner (Mark Consuelos) einliess, bevor der verliebte Anderson auftrat. Und auch wenn er sich danach in seinem Unglück gehen lässt und der Film eklige Details der Verwesung auftischt, macht Anderson dabei nie einen annähernd so verrückten Eindruck wie seine sonstigen Zeitgenossen.
Es ist nicht wirklich überraschend, dass sich Katie (Isla Fisher) auf den spontanen Heiratsantrag des ihr unbekannten Anderson einlässt, denn ihre familiäre Umgebung ist das Grauen. Viel mehr fragt man sich, wie sie jemals mit dem nervigen William (Chris Diamantopoulos) zuammen sein konnte, der ihr am Abend zuvor einen Heiratsantrag beim Charade-Spielen gemacht hatte, welches seine größte Vorliebe zu sein scheint. Der eigentliche Plott, dass Jemand einer Fremden einen Heiratsantrag macht und diese spontan "Ja" sagt, ist letztlich die am wenigsten verrückte Situation des gesamten Films, weshalb sich dieser nicht wirklich dafür interessiert.
Anders als in der "American Pie"-Reihe, in der die diversen bekloppten Details vom nervigen Vater mit seinen Sex-Tipps, über eklige Partyspässe bis zum ungeschickten ersten Verkehr, in den Kontext der Teenager-Erfahrungen passten, wird in "Blind-Wedding" ein Sammelsurium an politischen Unkorrektheiten ohne Sinn aneinandergereiht. Die wenigen Szenen ,in denen das unfreiwillige Paar mieinander konfrontiert wird, kommen viel zu kurz, als das man hier von einer "Romantischen Komödie" (neudeutsch "RomCom") reden kann.
Kate und Anderson bleiben in ihrer Charakterisierung oberflächlich, ihr Konflikt und die jeweiligen Gründe, sich lieber auf einen Fremden einzulassen, als die vorherigen Zustände weiter zu ertragen, wird komödiantisch nicht genutzt. Gut ist das in der Konfrontation mit den jeweiligen "Schwiegereltern" zu erkennen. Anstatt die plötzliche Entscheidung ihrer Kinder in den Mittelpunkt zu stellen, wird der "älteren" Generation nur ausschweifend Gelegenheit gegeben, sich sexuell und charakterlich von der kindischsten und abartigsten Seite zu zeigen. Dabei wird kein Klischee und kein noch so ausgetretener Seitenhieb auf Homosexualität, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus ausgelassen.
Das ist weder komisch noch wirkt es ironisch oder persiflierend, denn im Gegensatz zu den Farelli-Brüdern, die ihre Verstösse gegen den "guten Geschmack" in einen Kontext stellen, der selbst abstrus ist, entwickelt sich "Blind Wedding" zum soften Gute-Laune-Film mit eingebautem Happy-End. Man kann dem Film natürlich auch positiv bescheinigen, dass er für jeden komödiantischen Geschmack ein paar Überraschungen bereit hält, aber inszenatorisch bildet er keine Einheit.
Biggs und Fisher bemühen sich redlich als Paar, dass an die spontane Liebe glaubt - durchaus ein liebenswerter Ansatz für eine RomCom - aber angesichts der Masse an Nebendarstellern, die einen schlechten Gag nach dem anderen produzieren, stehen sie auf verlorenem Posten. Das die eine oder andere Situation angesichts ihrer Skurrilität auch manchen Lacher hervorrufen kann, ist eher ihrer Unfassbarkeit zu verdanken als einer wirklichen Komik, und das der Film in seiner schnellen Abfolge der Szenen oberflächlich unterhält, sollte man nicht mit Qualität verwechseln. Der Einsatz möglichst vieler dumpfer Gags, zahnloser Übertreibungen und das Auswalzen von Vorurteilen wirkt hier berechnend und ohne ordnende Linie - beschönigende Attribute wie "Ironie", "Persiflage" oder die alles unter sich begrabende "RomCom" sind hier fehl am Platz (2,5/10).