Einsamkeit in der Großstadt ist jenseits des Atlantiks ein mittlerweile schon sehr stark bearbeitetes Film-Thema. Ob nun Robert De Niro als ehemaliger Vietnamveteran in Taxi Driver des Nachts schlaflos durch die Straßen fährt oder der von Träumen geblendete Dustin Hoffman in Asphalt-Cowboy in der Großstadt nur abgezockt wird: Immer klaffen Ansprüche an das Leben und die triste Realität weit auseinander. Wobei die Frage stets die ist, wie die Figuren im Film dieser Situation begegnen.
Valerie ist da nicht anders. Die titelgebende Protagonistin stellt mit ihrer stillen Leugnung, dass die schönen Zeiten vergangen sind und ihrer auch körperlichen Zerbrechlichkeit das Pendant zu den männlichen Charakteren dar, die sonst derartige Filme bevölkern. Fernab jeder Gossenromantik wie in Fette Welt thematisiert der Film darüber hinaus auch Armut und den gesellschaftlichen Abstieg. Die Hoffnung kommt auf ebenso leisen Sohlen daher geschlichen wie die unauffällige, beinahe schon als subtil zu bezeichnende Inszenierung dieses „kleinen Fernsehspiels" des ZDF, welches dann letztendlich doch noch den Weg ins Kino schaffte.
Regisseurin Birgit Möller ist es mit ihrer einfühlsamen, intensiven Inszenierung zu verdanken, dass Valerie als durchaus differenzierter Kommentar auf die Einsamkeit in der Großstadt, die Verlogenheit des Schickimicki-Lebens und geplatzte Lebensträume funktioniert. Denn: Hauptdarstellerin Agata Buzek, die in ihrer Rolle als Ex-Model, das vergeblich nach Anschluss und einer Möglichkeit sucht, ihre finanzielle Misere hinter sich zu lassen, agiert spröde. Man kann nie wirklich Sympathie zu der von ihr verkörperten Figur aufbauen, da sie sich durch ihre Unnahbarkeit einer Identifikation entzieht. Wenn sie schnorrt, anderen Menschen zublinzelt, ihr doch einen (finanziellen) Gefallen zu tun oder es mit Ausflüchten schafft, sich trotz ihrer Armut aber wegen ihres tollen Aussehens einen weiteren Tag im Hotelzimmer zu erschleichen, berührt das nicht wirklich. Im Gegenteil: Ihr Verhalten wirkt zu manierlich, ja fast arrogant, ihre Figur eindimensional und undifferenziert. Zwar erfährt man, dass Valerie Model war und sich immer noch an die Hoffnung klammert, der nächste Auftrag würde trotz ihrer 32 Jahre auf sie warten; man erfährt, dass sie aus Polen stammt, aber in Frankreich lebt. Mehr jedoch nicht, so dass sie uns fremd bleibt.
Teure Klamotten und ihre Verführerin-Attitüde sind die einzigen Dinge, welche sie aus den vergangenen Tagen in Reichtum in die Einsamkeit und Armut der weihnachtlichen Großstadt hinüber retten konnte. Als der getrennt lebende Parkhauswächter André (Devid Striesow) in ihr Leben tritt, erkennt man, dass menschliche Wärme jenseits jeglichen Materialismus das Einzige zu sein scheint, was die Menschen in der kalten Jahreszeit wirklich brauchen - eine schöne, wenn auch nicht originelle Botschaft. Dies wird in der Kontrastierung zwischen einer oberflächlich-distanzierten Disco-Party in einer Schickimicki-Location mit alten „Freunden" und der Intimität einer kleinen Weihnachtsfeier im Parkhaus mit André passend illustriert. Dass diese unterschwellige Liebesgeschichte lediglich angedeutet bleibt denn ausformuliert wird (der Film bricht bei einer entsprechenden Stelle abrupt ab), passt zum rauen Gestus von Valerie, der gerade daher - durch seine ungeschönte Realitätsdarstellung - seine Authentizität bezieht.
Auch die unauffällige Bebilderung des Films passt sich diesem Anspruch an. Die Partywelt und die warmen Korridore des Hotels stehen dem mit Neonröhren beleuchteten, sterilen Parkhaus entgegen, wo Valerie in ihrem Auto notgedrungen die Nächte verbringen muss. Die Kälte der Großstadt verschmilzt mit der Kälte der Menschen, wenn Valerie an einen Mann gerät, der sie zu sich aufs Hotelzimmer mitnimmt und nach „ihrem Preis" für gewisse Dienste fragt. Nur André und die ausgeflippte und vom privaten wie beruflich-finanziellen Erfolg verblendete, aber loyale Isa (Anna-Sarah Hartung) halten zu ihr. Letztere leiht ihr gar Geld und einen Mantel. Wenn jedoch diese Nebenfigur in ihren kurzen Auftritten schon sympathischer wirkt als die Hauptdarstellerin, die der Zuschauer über beinahe die gesamte Laufzeit von 79 Minuten hindurch überall hin begleitet, hat der Film tatsächlich ein Problem.
So bleibt Valerie ein bitteres, aber nicht hoffnungsloses Drama über die Einsamkeit der Armen und vermittelt die humanitäre Botschaft, dass gerade vom Leben enttäuschte Menschen sich gegenseitig Halt geben. Das ist zwar nicht wirklich neu, aber wirkt authentisch - was man von der spröden Hauptdarstellerin Agata Buzek leider nicht behaupten kann. Durch die Eindimensionalität ihres Charakters bleibt sie unnahbar und kalt, was sich zuweilen auf den Film auswirkt, der ebenso unemotional wirkt. Zum angestrebten Charakterdrama reicht es jedoch genau aus diesem Grunde nicht (6/10).