Review

Wenn sich ein Regisseur/eine Regisseurin für ein paar Jahre damit beschäftigt, ein ungewöhnliches Werk der Puppen-Stop-Motion zu erschaffen, um seinem Publikum ungewöhnliche bis bizarre 70 Minuten Film zu schenken, dann sollte man sich einige Minuten gönnen, um sich damit zu beschäftigen.
Christiane Cegavske's "Blood Tea und Red String" ist eine Weiterentwicklung ihrer eigenen Kurzfilmidee "Blood and Sunflowers" und nimmt sich einiger Motive wieder an, bietet jedoch eine wesentlich breitere Story, eine typische "Queste" von pelzversehenen Vogelkreaturen, die unter einem Baum an einem Fluß leben und eine Menschenpuppe zurückerobern wollen, die ihnen von einer Gruppe aristokratischer Mäuse gestohlen wurde.

Cegavaske hat dabei mit dem gewöhnlichen Realismus nichts zu tun, ihre Phantasie bildet ein alptraumhaft-idyllisches Fantasieland mit chimärenartigen Figuren ab, die sich nur durch Gesten und Vogellaute miteinander verständigen. Der Film kommt dabei komplett ohne Dialog (oder Monolog) aus, die Geschichte spricht für sich selbst und aufgrund ihrer Andersartigkeit erfordert sie vom Publikum höchste Aufmerksamkeit ab.
Sonnenblumen mit Gesichtern, eine schwarze Witwe mit einem Frauenkopf, die Kutsche der Mäuse, gezogen von einer Schildkröte, ein mönchartiger weiser Frosch, das sind die seltsamen Zutaten, die sich jeder bekannten Zuordnung verweigern, weil sie in kein Schema passen und auch nicht erklärt werden. Niemand teilt wirklich in Gut und Böse ein, stattdessen muß das Publikum auf Mutmaßungen verfallen, was die eine oder andere Handlung oder Entwicklung denn nun bedeuten soll. Tatsächlich stellt der Film mehrfach Mutations- , Geburts- oder Sterbeprozesse dar, angehaucht von religiösen Motiven. So versuchen die Vogelwesen die leichenartig wirkende Puppe zu beleben, indem sie ihr ein Ei in die Brust pflanzen. Anschließend, nachdem sie mit ihr gespielt haben, hängen sie sie wie bei einer Kreuzigung an ihren Baum über der Höhle.
Die Mäuse wiederum sind dabei eindeutig aristokratisch veranlagt, trinken den titelgebenden "Bluttee" (mit dem sie die Puppe füttern wollen), spielen als Müßiggänger ständig Karten (die allerdings blank weiß sind und so möglicherweise die Sinnlosigkeit des Tuns symbolisieren), ewig die gleiche Musik hören und mit der Puppe tanzen. Da die Puppe nicht lebendig ist, nähen sie sie sogar an eine Mäuse als Marionette an (mit den wollenen "red strings").

Während diese Handlungen ablaufen, folgen die Vogelwesen der Fährte, geraten in ein verführerisches Labyrinth mit fleischfressenden Pflanzen (bei aller Bizarrerie des gesamten Films übrigens die befremdenste Sequenz des Films), werden von dem Frosch/der Kröte gerettet und wieder aufgepäppelt und kommen über die schwarze Witwe, die sämtliche Vögel des Landes einspinnt auf die richtige Fährte. Als schließlich das Ei in der Puppenbrust aufbricht und ein geflügeltes Mädchenwesen (das der Puppe natürlich frappierend ähnelt) daraus entsteigt, entwickelt die Geschichte eine neue Dynamik.
Die führt aber nicht zu Antworten, sondern eher zu mehr Fragen, denn eine schlüssige Lösung, ein Ziel oder eine Botschaft, die brauchbar zu dechiffrieren wäre, gibt es anscheinend nicht. Lebensfreude und Naturverbundenheit scheinen gegen Habgier, Dekadenz und Degeneration zu kämpfen, doch das Erschaffen des Lebens soll vermutlich einen Preis haben, so wie man ein neu erschaffenes Wesen gehen lassen muß oder vielleicht gar nicht wirklich verstehen oder erziehen kann, man muß es eigene Entscheidungen treffen lassen. Das Beharren auf Rechten, die Gier, der Willen zur Kontrolle, die Erhebung des naiven Wesens zu etwas Größerem führt am Ende nur zu Zorn, Kampf, Krieg, Wortbruch und Zerstörung, am Ende zum Tod.

Wem es Spaß macht, in solche einer Ansammlung von Metaphern und Verweisen herum zu analysieren, wird eine Heidenfreude an diesem Werk haben, allerdings kann die mangelnde Schlüssigkeit, die Aufhebung aller bekannten Strukturen schnell zur Entnervung führen. Dazu ist der Film nämlich trotz seiner begrenzten Lauflänge enorm langatmig, verschiedene Sequenzen, wie das Nähen der Puppe, das Einspinnen, das Teetrinken und das Tanzen dauern schier endlos und lechzen manchmal geradezu nach einem neuen Einfall oder einem strukturierten Schnitt. Die Handlung bleibt stets überschaubar, wenn auch die handgemachte Märchenlandschöpfung so detailreich schön wie schrecklich zugleich ist. Ein fremdartiges Gefühl löst sich niemals, auch nicht in den idyllischen Szenen und die Untertöne, von Geburt und Tod, Elternschaft und Religion machen den Film schwerer als er bei einem so überschaubaren Plot sein dürfte. Spätestens ab der Halbzeitmarke sehnt man sich nach einem schnellen Vorspulen oder einem neuen Plotelement, bis sich am Ende so einiges überschlägt, was man breiter und etwas eindringlicher hätte inszenieren können.

"Blood Tea and Red String" ist eine meisterliche Handwerksarbeit eines kreativen Geistes, aber sie ist genauso abstrakt, bizarr und rätselhaft, wie ein individuelles Unikat nur sein kann und ohne eine begleitenden Text, einen Kommentar der Schöpferin kratzt sich der gemeine Zuschauer eher die halbe Zeit am Kopf, um dann aufgrund der fehlenden Trimmung bald ganz abzuschalten. Schade drum, denn visuell lohnt sich dieses Erlebnis in der Tradition der von Svankmayer oder Lynch ganz gewiß. (5/10)

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