Nach dem schlechten Abschneiden von Kevin Smiths Studioproduktion "Mallrats" (die immerhin ein Budget von über 6 Millionen $ verschlang) und den schlechten Kritiken, die das Regiewunderkind (nach dem no budget hit "Clerks") Kevin Smith einstecken musste, war der bärtige Filmemacher sicherlich an einem Scheideweg. Sollte er den zwar witzigen, aber dennoch eher flachen Stil von "Mallrats" weiterverfolgen oder zurück zu den Wurzeln gehen, die in den endlosen Dialogen der beiden Slacker Dante und Randal begründet lagen? Smith tat das einzig richtige. Das Budget wurde wieder radikal zurückgeschraubt und mit Miramax wieder der Vertrieb gewählt der schon an Smiths schwarz-weißen Erstling glaubte.
So entstand mit "Chasing Amy" ein Werk, das wieder viel persönlicher war, als "Mallrats" und sich von den plakativen Platitüden entfernte. Nicht missverstehen: harmlos ist "Chasing Amy" ganz sicher nicht, schließlich widmete sich Smith dem Thema Sex sehr unverblümt, doch dies tut er vor allem in den Dialogen der Protagonisten. So gibt es keine barbusige Wahrsagerin zu sehen, die vermeintlich über einen übersinnlichen dritten Nippel verfügt. Vielmehr wird wieder mehr diskutiert. Smith schafft den Charakteren Platz für ausführliche Gespräche (wie er es auch in "Clerks" tat), erzählt aber dabei auch eine Geschichte, eine Liebesgeschichte genauer gesagt. Wer jetzt denkt: "Gähn, junge schöne Menschen verlieben sich... Wie langweilig...", der liegt falsch. Smith widmet sich diesem Thema auf seine rauhe, aber ehrliche und dabei immer herzliche Art und entwickelt eine komplizierte, wie spannende Liebeskonstellation, die man bis dahin zumindest im Mainstream wohl noch nicht gesehen hat.
Es dreht sich alles um eine Frau. Diese heißt mitnichten Amy, sondern Alyssa Jones (absolut unnachahmlich: Joey Lauren Adams, Smiths damalige Lebensgefährtin) und ist nicht nur schön, gewitzt und hinreißend, sonder auch lesbisch. Und sie ist ebenso Comicautorin, wie Holden McNeill (Ben Affleck). Auf einer Convention lernen sich die beiden kennen und Holden verliebt sich sehr schnell in die Schönheit. Fast genauso schnell findet er heraus, dass die beiden mehr gemein haben, als ihm lieb sein kann: beide stehen auf Frauen. Holden ist zunächst enttäuscht und bedient, doch die beiden freunden sich dennoch an. Als Holden ihr seine Liebe gesteht, steht die bekennende Lesbe vor der schwierigsten Entscheidung ihres Lebens...
Der Plot klingt nicht sonderlich spannend, und er ist es eigentlich auch nicht. Smith geht es um seine Charaktere, die viel Platz zur Entfaltung bekommen. So ist es leicht, sich mit ihnen zu identifizieren. Sobald dies geschehen ist, ist "Chasing Amy" spannender als jede Jennifer Aniston-Romanze (was allerdings auch keine große Kunst ist)! Ein weiterer Punkt, warum "Chasing Amy" zu dem großartigen Film geworden ist, der er ist, liegt in der Tatsache begründet, dass der Film wesentlich ehrlicher und realistischer wirkt, als die Streifen, die man sonst in diesem Genre vorgesetzt bekommt. Dafür tragen zum Einen die unaufdringliche Storyline Sorge und zum Anderen die rauhen Dialoge, die des öfteren ins Vulgäre abgleiten... Aber wenn man ehrlich ist, entspricht diese Art und Weise wesentlich mehr dem echten Leben, als alle hochgestochenen Liebeskonversationen, die man auf dem Bildschirm sonst zu sehen bekommt. So wirkt "Chasing Amy" wie aus dem Leben gegriffen und liefert eine Geschichte, wie man sie sich gern in der Kneipe erzählen würde, wenn man denn in seinem Bekanntenkreis Menschen, wie Holden und Alyssa hätte. Dass dies so wunderbar funktioniert, steht und fällt allerdings, wie bei Smith üblich mit den Darstellern.
Was die Schauspieler angeht, ging Smith kein Risiko ein und verpflichtete im Großen und Ganzen sein Standardensemble, das er in den beiden vorangegangenen Filmen zusammengestellt hatte. Joey Lauren Adams spielt die lesbische Lauryn wunderbar natürlich und klischeefrei. Auf der Gratwanderung zwischen sexy und schlampig rutscht sie niemals in übliche Lesbenklischees ab. Insofern steht und fällt "Chasing Amy" vor allem mit ihrer Leistung. Ben Affleck darf nach seinem schleimigen Auftritt in "Mallrats" endlich mal den "Guten" spielen (dies ist etwas, was er in seiner späteren Karriere fast immer tun sollte) und dieser besonderen Femme Fatale hemmungslos verfallen. Affleck stellt die Verzeweiflung, die jeder männliche Zuschauer nur zu gut nachvollziehen kann, absolut glaubhaft dar. So handelt der Film nicht nur von der typischen Romanzenfrage "Kriegen sie sich wohl?", sondern auch von den Vorurteilen, die gegenüber Homosexuellen vorherrschen. Holden wird am Ende des Filmes ein besserer Mensch sein. Ob sie sich dann auch gekriegt haben, ist erstmal zweitrangig. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Chemie zwischen den beiden einfach stimmt und dies trägt auch viele der langen Dialoge, die den Zuschauer ansonsten wohl eher einschläfern würden. Auch Ex-Skateboardprofi Jason Lee ist wieder dabei. Sein Banky Edwards ist zwar ein witziger Typ, mit dem man wohl gern ein Bier trinken würde, doch in ihm schwelen noch größere Vorurteile über Lesben, als in Holden. Diese verpackt er in viele witzige, meist sogar unflätige Sprüche (was das Auftreten angeht, ist seine Rolle von der in "Mallrats" nicht sehr weit entfernt), die nichtsdestotrotz verletzend wirken können. Doch auch er wird am Ende des Filmes ein anderer Mensch sein. Neben dieser wunderbaren Besetzung gibt es wieder viele bekannte Gesichte aus dem View Askew - Universum zu sehen, was dem informierten Zuschauer auch immer wieder ein Lächeln auf das Gesicht zaubert. Jay und Silent Bob haben in diesem Film allerdings nur einen kurzen Auftritt. Es ist schön, sie zu sehen, doch da sich "Chasing Amy" eigentlich nur um 3 Personen dreht (nämlich Holden, Lauryn und Banky) unterlässt es Smith clevererweise seinen Standardcharakteren zu viel Platz einzuräumen.
Auch wenn "Mallrats" überhaupt kein schlechter Film ist, war die Entscheidung Smiths mit "Chasing Amy" einen Budgetgang zurückzuschalten eine absolut richtige. "Chasing Amy" stellt wohl den herzlichsten, wie persönlichsten Film Smiths dar, der dem glattpolierten Genre der romantischen Komödie (oder auch mit dem schrecklichen Wort "RomCom" abgekürzt) eine rauhe Ecke hinzufügt, die schon lange nötig war und dabei eine angenehme Unperfektheit mit sich bringt.
Fazit:
10 / 10