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Als Fan des italienischen Films (speziell Horror, Giallo und Poliziotto) habe ich mich bisher hauptsächlich mit den Filmen der Sechziger, Siebziger und Achtziger Jahre beschäftigt. Zuvor gab es schlichtweg keine Giallos oder Zombiefilme, und danach war von Martino, Fulci, Lenzi und Co. nicht mehr viel Brauchbares zu erwarten. Auch ein Lamberto Bava konnte nicht in die großen Fußstapfen seines Vaters Mario treten. So kam es, dass ich aus den letzten 20 Jahren nur ein paar annehmbare Filme vom früheren Horrormeister Argento sowie die wirklich gute I/E/GB-Koproduktion „Eyes of crystal“ (2004) gesehen habe. Und „Die Unbekannte“ hat dafür gesorgt, dass ich auch in Zukunft zeitgenössischen, italienischen Filmen eine Chance gebe.
Man wird zunächst mit Irena und ihrer unschönen Vergangenheit zwischen Prostitution und Menschenhandel konfrontiert. Schnitt in die Gegenwart: sie versucht in einem bestimmten Haus als Putzfrau und später bei einer speziellen Familie auch als Kindermädchen zu landen. Mehr möchte ich über den Inhalt nicht verraten, außer dass man schell zu wissen glaubt, warum sie das tut. Doch diese scheinbar offensichtliche Erkenntnis stellt sich kurz vor Schluss durch einen kleinen Plot-Twist als Irrtum heraus. Ich persönlich fand das Ende bzw. die letzten circa 20 Minuten nicht sonderlich befriedigend, aber man kann bzw. muss dem Regisseur zugute halten, dass er es versteht, mit der Erwartungshaltung seiner Zuschauer zu spielen. Insofern ziehe ich höchstens 1 Punkt für das unkonventionelle Ende ab.

Zuvor wird man 90 Minuten lang Zeuge eines annähernd perfekt ausgeklügelten Thrillers. Kseniya Rappoport spielt „die Unbekannte“ wahrlich geheimnisvoll und ungewöhnlich ausdrucksstark. Man will unbedingt wissen, was sie vorhat und welche Rolle die Schatten der Vergangenheit noch spielen. Dies alles wirkt trotz ruhiger und (abgesehen von den Flashbacks) linearer Erzählweise jederzeit spannend, und gegen Ende, welches mich von der Machart her etwas an „The Machinist“ erinnert hat, setzt sich das Puzzle Stück für Stück zusammen. Ich empfand das als nachträgliches Servieren um einen runden Gesamteindruck zu hinterlassen. Überhaupt schlägt der Film gegen Ende eine Wendung ein, die nur wenig mit der vorangegangen Handlung zu tun hat. Andere sehen das aber vielleicht als Stärke oder positive Überraschung. Ich würde es wie gesagt als nicht sehr gelungen einschätzen, da ich durch die optisch/inhaltlich exzellente Vorarbeit und meine Vorliebe für undurchschaubare Giallos eine spektakulärere Auflösung erwartet habe. Doch genau das wollte der Regisseur womöglich vermeiden, und diese künstlerische Freiheit gestehe ich ihm zu, sodass ich statt 9 Punkten für diesen unterhaltsamen, mystischen, (im positiven Sinne) teilweise ungemütlichen und irgendwie mitreißenden Film aufgrund des subjektiv leicht schwachen Endes „nur“ 8 gebe. Trotzdem Daumen hoch, und eine ausdrückliche Empfehlung für alle Italo-Krimi-Fans!

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