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Die Liste der modernen Gangster- und Mafiafilme ist sehr lang und sieht man einmal von einer Handvoll Genre-Pioniere wie die Der Pate-Trilogie, GoodFellas und Die Unbestechlichen (1987) ab, welche allesamt historische aufgeladene Geschichten erzählen, fragt man sich, ob dieses Genre heute noch up-to-date ist, da sich in der Gegenwart angesiedelte Stoffe wie Departed - Unter Feinden oder Tödliche Versprechen - Eastern Promises in Sachen inhaltlicher Tiefe nicht mit diesen Klassikern messen können. Will man einen in der Gegenwart des 21. Jahrhunderts angesiedelten Gangsterfilm inszenieren, besteht die Gefahr, mit einer zu großen Fokussierung auf Gewalt und/oder Action der Bedeutungslosigkeit oder Belanglosigkeit anheim zu fallen, da jegliche Faszination vergangener, schillernder Epochen wie dem von Al Capone dominierten Chicago der 30er Jahre nicht mehr aufzublitzen vermag und der langweilende Alltag (andere mögen es Realismus nennen) in die Filme Einzug hält.

Dass jedoch auch in der Gegenwart verankerte Filme nach 1990 in diesem Genre eine ganz eigene Atmosphäre aufbauen und eine sogartige Wirkung entfalten können, die - notwendigerweise - jener anachronistischer Gangstergeschichten zuwider läuft, hat ausgerechnet James Gray bewiesen. Mit seinem ebenso eindringlich gespielten wie kalt-brutalen Gangsterdrama Little Odessa - Eiskalt wie der Tod (1994) bewies er, dass das Genre noch nicht tot ist, wohl aber einer Generalüberholung bedarf. Es folgte 2000 von ihm The Yard - Im Hinterhof der Macht, der diesen Trend fortsetzte. Seinen drittes Werk, Helden der Nacht, hat wieder eine Kriminellengeschichte zum Gegenstand, vermag aber die Klasse der beiden Vorgänger nicht zu halten.

Es geht um den ausschweifenden Nachtclubmanager Bobby Green (Joaquin Phoenix), welcher zusammen mit seiner Freundin Amada (Eva Mendes) im Jahre 1988 in New York ein Leben in Saus und Braus lebt. Marat (Moni Moshonov), einem aufrichtigen Russen, gehört der Laden, dessen Neffe Vadim (Alex Veadov) steht jedoch im Drogengeschäft der russischen Mafia weit oben und versucht, Bobby für seine Sache zu gewinnen. Als jedoch dann auch Bobbys Familie um Joseph (Mark Wahlberg) und Burt Grusinsky (Robert Duvall), die beide Polizisten sind, in die Schusslinie geraten und nur knapp mit dem Leben davon kommen, überdenkt Bobby seinen zweifelhaften Lebenswandel und spielt für sie den Lockvogel...

Der Krieg zwischen der Russenmafia und den Polizeirevieren erreichte in New York Ende der 1980er Jahre unter dem Motto „We Own the Night" (daher der Originaltitel des Films) seinen Höhepunkt. Doch abgesehen davon haben die Ereignisse - so ergaben zumindest meine Recherchen - kaum etwas mit wahren Begebenheiten zu tun. Die Figuren sind fiktiv und die Charaktere entwickeln leider keinerlei Tiefe. In Sachen mimischer Begrenztheit machen sowohl Mark Wahlberg, der mit perfekt gekämmter Fön-Frisur immer nur grimmig drein schauen darf, als auch Joaquin Phoenix, der auch aufgrund öliger Haare immer etwas schockiert und fertig aussieht, Steven Seagal Konkurrenz. Beide haben nur einen einzigen Gesichtsausdruck zu bieten, was nicht gerade für ihre darstellerische Leistung in Helden der Nacht spricht. Robert Duvall hingegen darf als Vaterfigur weise Ratschläge geben und agiert gewohnt solide. Wenn Eva Mendes jedoch im Laufe der Handlung plötzlich Bobby den Rücken kehrt und ihn verlässt, geschieht dies so abrupt, dass sich der Zuschauer eigentlich fragen sollte, warum und wieso. Dass er dies jedoch nicht tut, ist evident dafür, dass sie, die in der ersten Sequenz der Filmhandlung schon mit der Hand befriedigt wird, letztlich nur als entbehrliches Eyecandy besetzt wurde.

Der Film ist des Weiteren inhaltlich unentschlossen geraten. Überzeugt er im ersten Drittel noch als lässiger Partyfilm im Stile von Studio 54, so nimmt er dann den Weg in Richtung Gangsterthriller um unvermittelt in ein oberflächliches Psychodrama überzugehen. Wenn in einer exemplarischen Sequenz gleich zu Beginn eine Gedenkfeier zu einem im Dienst ermordeten Kollegen der Polizisten in einer Kirche abgehalten wird, während der soeben beförderte, pflichtversessene Joseph eine Rede hält und parallel dazu Bobby desinteressiert daran mit seiner Freundin zugange ist, werden die (bis dahin) bipolar verlaufenden Lebenswege der ungleichen Brüder evident.
Allerdings wird diese Handlungsebene nur als Vorwand genutzt, um später ein glaubwürdiges Motiv der Konvertierung von Bobby, seiner Wandlung vom koksenden Partylöwen Saulus hin zum Undercover-Cop Paulus zu liefern.

Helden der Nacht ergeht sich eher in den Schauwerten (Frauen, Sex, Drogen und Gewalt) die er eigentlich kritisiert, als ein intensives Drama mit den seelischen Qualen der Hauptfigur glaubhaft darzustellen. Der Versuch, eine mehr als eindimensionale Psychostudie zu generieren, ist äußerst lobenswert, allerdings angesichts der Oberflächlichkeit der Konflikte, die den Zuschauer nie unter die Hülle dieser ambivalenten Figur Bobby blicken lassen, gescheitert. In Verbindung mit der gleichzeitigen Rückstellung des Anteils an Actionsequenzen hinter das Drama, schleichen sich in Helden der Nacht einige Längen ein, die den Erzählfluss zäh wirken lassen.

Alles in Allem ist es James Gray nicht gelungen, die Klasse der beiden Vorgänger zu halten, geschweige denn zu überbieten. Helden der Nacht zeichnet leider nur das oberflächliche Porträt einer schillernden Gestalt, die sich mehr und mehr zu einer gesetzestreuen grauen Maus ohne Glanz, aber mit Charakter verwandelt. Und genau so verhält es sich mit dem Film: Er ertrinkt in seiner Konventionalität, seinem löblichen Versuch der Charakterzeichnung und der Illustrierung des wahren Kampfes der Polizei gegen die russische Mafia im New York Ende der 80er Jahre, ohne zu faszinieren oder mangels eigener Ideen (die Liste der Vorbilder oder verwandten Filme ist lang - siehe oben) zu interessieren. Schade drum (5/10).

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