Review

Die Unantastbarkeit ungeborenen Lebens ist selbst im moralisch biegsamen Horrorgenre eines der letzten Tabuthemen. „Inside“ stürzt sich mit brachialer Begeisterung auf diesen wunden Punkt und lässt eine hochschwangere Frau ungeahnte Torturen erleben, deren Zeigefreudigkeit sich einer wüstern Splatter-Ästhetik bedient. Die Momente leiser Trauer gehen allerdings im ausgiebigen Schlachtfest unter, ohne ihre Wirkung entfalten zu können. So bleibt „Inside“ nur durch die exorbitanten Gewaltszenen ein Genre-Hingucker.

Glücklicherweise baut das Ende nicht auf einen an den Haaren herbei gezogenen Twist, banalisiert sich dennoch selbst mit einer sehr schwachen Motivauflösung. Erzählerisch ist dem zweiköpfigen Regiegespanns mit ihrem Regiedebüt zweifellos kein großer Wurf gelungen. In jeder der ausschweifenden Gewalteruptionen schielt der Film nach Aufmerksamkeit, buhlt geradezu um eine kontroverse Aufnahme. Doch wo der Undergroundfilm „Subconscious Cruelty“ in seiner ersten Episode mit ähnlicher Symbolik echte subversive Sprengkraft erzeugen konnte, da verpufft „Inside“ in der Bedeutungslosigkeit. Rein visuell betrachtet gelingen aber gleich mehrere Sequenzen, beispielsweise die dämonische Einführung der Killerin (exzellent verkörpert von der ausdrucksstarken Catherine Ballet) oder aber das trostlose Schlussbild, mit dem der Zuschauer gefühlskalt und kalkuliert verstört zurückgelassen wird.

Für Mainstream-Verhältnisse geht die sadistische Zeigefreudigkeit auch tatsächlich an die Grenzen, um sie im perversen Finale bewusst zu überschreiten. Mit betont brutalen Mordeinlagen werden geschickt Längen in der Handlung übertüncht, was dem soliden Spannungsbogen aber zugute kommt. Da aber die Ausführung der Goreszenen teilweise zu wünschen übrig lässt (hier sei vor allem die unfreiwillig komische Verbrennung erwähnt) kann „Inside“ auch rein technisch nicht vollends überzeugen. Dass Julien Maury und Alexandre Bustillo aber durchaus ein Gespür haben für eine expressive Bildsprache, lässt auf zukünftige Werke hoffen, die sich vielleicht weniger an Polemik aufhalten und mehr Wert auf psychologische Tiefe legen.

Die anfänglich noch deutliche Bezugnahme zur gesellschaftlichen Situation in Frankreich, dabei insbesondere zur Jugendkriminalität, verlischt im ruppigen Handlungsverlauf und ertrinkt in ausgiebig vergossenem Kunstblut. Für einen wenig abgebrühten Zuschauer kann der Film auch eindeutig die angestrebte Schockwirkung entfalten, was alleine schon der grundsätzliche Tabubruch in punkto Schwangerschaft garantiert. Blickt man aber hinter die Fassade, lassen sich kaum tiefere emotionale Gedankengänge erahnen. Bei aller offensichtlichen Marktschreierei hebt sich die Inszenierung dennoch weit ab von der üblichen MTV-Ästhetik, die den immer noch florierenden Torture Porn eindeutig bestimmt.

Fazit: „Inside“ schreibt sich unumwunden Provokation, Schock und Ekel auf die Fahnen, mit denen der Film dann wehend über den Zuschauer hinweg trampelt. Ist man aber mehr gewohnt als den Gewaltpegel des x-ten Slashers, kommt man nicht umhin, schon während des ersten Durchlaufes an allen Ecken und Enden Patzer auszumachen. Kaum verursacht eine Einstellung gefrorenes Blut, so raubt sich das Drehbuch selbst aus und lässt neben den ultrablutigen Morden nicht viel zurück.

06 / 10

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