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Französische Filme, die beweisen wollen, dass sie ebenso als professionelle Unterhaltungsfilme funktionieren wie die Konkurrenz aus Hollywood, haben nicht selten das Problem, dass sie über das Ziel hinaus schiessen. Zwar optisch überzeugend, aber in den Charakterierungen übertrieben oder mit einer Storywendung ( wie z.B. in "36") zu viel, als ob sie es noch besser machen wollten. Dabei sollte man nicht übersehen, dass auch Hollywood nur in Ausnahmefällen ein Thriller gelingt, der nicht nur seitens der Action gefällt, sondern diese auch schlüssig vorbereitet.

"Le Serpent" ist eine dieser Ausnahmen, was er der Tatsache verdankt, nicht das Rad neu erfinden zu wollen, sondern sich auf die Grundlagen eines guten Thrillers zu konzentrieren. An erster Stelle steht dabei die Vorstellung der Gegenspieler und auch wenn der Film nicht gleich sämtliche Details ihrer Beziehung offenbart, entsteht die Spannung vor allem daraus, dass beide Charaktere nachvollziehbar dem Betrachter vorgestellt werden.

Zu Beginn steht Plender (Clovis Cornillac) im Mittelpunkt, der gemeinsam mit Sofia (Olga Kurylenko, die hier deutlich offenherziger als zuletzt als Bond-Girl agiert) wohlhabende Bürger erpresst. Während die hübsche Sofia den älteren Anwalt (Pierre Richard) verführt, filmt Plender deren Sexabenteuer und verlangt ein den Einkommensverhältnissen angemessenes Sümmchen. Trotz seiner unmittelbaren Brutalität, die er jederzeit wenn notwendig anwendet, bleibt Plender sehr beherrscht, was sein fast übergepflegtes Aussehen noch unterstreicht.

Der Fotograf Vincent (Yvan Attal ) wirkt dagegen mitgenommen, denn seine Ehe mit Hélène (Minna Haapkylä) ist gescheitert. Gemeinsam mit ihren Anwälten verhandeln sie den zukünftigen Aufenthaltsort ihrer zwei Kinder, die Hélène zurück nach Deutschland mitnehmen will, wo ihr schwerreicher Vater lebt. Als bei einem Fototermin, statt des erwarteten Models, Sofia eintrifft und zudem noch Vincents Mitarbeiter überraschend nicht zur Arbeit kommen, ahnt man, in welche Richtung die Story geht. Von KO-Tropfen gelähmt kann Vincent sich nicht wehren, als mit ihm entsprechende Sex-Fotos hergestellt werden, mit denen er kurz darauf erpresst wird. Dazu verunglückt Sofia in seinem Studio tödlich, als sie von der hohen Treppe stürzt, aber die eilends von Vincent gerufene Polizei findet ihre Leiche nicht.

"Le Serpent" bleibt bei dieser anfänglichen Konstruktion nicht stehen, sondern entwickelt überzeugend eine für Vincent ausweglos scheinende Situation, deren Entwicklung der Zuschauer immer voraussieht, bis der so in die Enge Getriebene zurückschlägt. Dabei setzt der als Thriller fast altmodisch wirkende Film auf übliche Action-Elemente und unterhält mit hohem Tempo. Seine Spannung gewinnt er aber vor allem aus der Nachvollziehbarkeit der Handelnden. Auch wenn Plender zunehmend Anzeichen von Wahnsinn zeigt, so kann man diese aus seiner Historie heraus verstehen, an der Vincent wenn auch unbeabsichtigt eine Mitschuld trägt.

Am beeindruckensten wird das in einer Szene mit Plender und Vincents Ehefrau Hélène deutlich. Plender hatte sich das Vertrauen von Hélène erworben, die nur noch wenig von ihrem Noch-Mann hält. In einem schwachen Moment lehnt sie sich an Plender und versucht ihn mit Berührungen zu verführen, aber dieser weist sie brüsk zurück, um sich wenig später mit einem Massageschwamm den (gefühlten) Schmutz abzuwaschen. "Le Serpent" unterscheidet sich wohltuend von amerikanischer Genre-Ware, indem er auch innerhalb eines vertrauten Storyaufbaus auf klischeehafte, einseitige Charaktere verzichtet. Wenn dann zum Schluss Hélène doch Vincents Hand wieder ergreift, bekommt dieses scheinbare Happy-End einen unangenehmen Beigeschmack (7,5/10).

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