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“WARUM WURDE FUTURAMA ABGESETZT?”, kreischte die gelbhäutige Cartoonfigur und sprang in den Abgrund.

Hätte sie das mal nicht gemacht. Good News Everyone: It just won’t stay dead. Es gibt vier neue Futurama-Episoden im Spielfilmformat! Die Fanschar (abzüglich der toten Cartoonfigur) darf jubeln. Zumal alleine das Aufbrechen der klassischen Staffelaufteilung schon einige Neuerungen verspricht, die das Paralleluniversum zu den “Simpsons”, welches die gelben Gründerväter in Sachen Komplexität ohnehin seit jeher um Längen schlägt, mit frischen Ideen versetzen sollte.

Aber todesmutig wirft sich gleich der Auftaktfilm “Bender’s Big Score” wieder in die Kamikazebahn. Es war ja immerhin die angesprochene Komplexität, die das Publikum mitunter gar nicht verarbeiten konnte, dieses Gewölle aus Futurismus mit rückkoppelnder Gesellschaftskritik, die Heerscharen von höchst originellen Aliens, immerzu durch ihre Beschaffenheit verweisend auf Phänomene unserer Welt, unzählige Zeitzonen mit sich überlappenden Realitäten und dazu das nur allzu gut bekannte Repertoire an popkulturellen Zitaten und Reverenzen. Wegen all dieser Qualitäten wurde Futurama...

... abgesetzt.

Dafür gibt’s jetzt die Quittung. In einer mehrminütigen, die eigentliche Storyline noch nicht tangierenden Einleitung wird gegen FOX (äh, Pardon, BOX) geknüppelt, was das Zeug hält. In Glanz und Gloria präsentiert sich die Planet Express Crew heroisch wie die “Armageddon”-Ölbohrer auf ihrem Weg zum Kometen. Ein alter Bekannter erscheint nach dem anderen im Bild; die Richtung, aus der die Kollegen zusammentreffen, bricht immer wieder die Erwartungshaltung des Zuschauers und erinnert damit massivst an den “Simpsons”-Kinofilm. Und dann, ja dann wird der eigene Sender zum Affen gemacht - im wahrsten Sinne des Wortes - und wieder einmal unter Beweis gestellt, dass niemand respektloser die Hand beißt, die ihn füttert, als Matt “ich hab in einer Szene sogar wieder meinen Life in Hell-Hasen unterbringen können” Groening.

Schließlich entwickelt sich mit dem Aufkommen der brillant konzipierten Nudisten-Aliens (wollen die Weltherrschaft und haben einen Luftsack am Hals, der sich aufbläht, wenn sie Informationen wittern - pointierter kann man die computerabhängige Informationsgesellschaft mit ihren biologischen Ursprüngen eigentlich gar nicht verknüpfen) der Plot, und ab hier wird’s gefährlich, denn “Bender’s Big Score” entpuppt sich als Futurama pur - mitsamt aller Gründe, die zur Absetzung der Serie führten. Wem Episoden wie “Roswell That Ends Well”, “Time Keeps On Slipping” oder “The Farnsworth Parabox” mit ihren Zeitreise- und Paralleluniversenthematiken schon zu kompliziert waren, der wird diesmal innerhalb von Minuten vollends den Überblick verlieren.

Der Punkt ist: alle drei genannten Episoden und noch Dutzende weitere werden in “Bender’s Big Score” wieder aufgegriffen und in einen übergeordneten Zusammenhang gesetzt. Die Originalfolge “Space Pilot 3000" war schon zu Serienzeiten das deiktische Zentrum der gesamten Serie, immer wieder wurde auf sie verwiesen und bereits in ihr kann man in Einzelframes Details entdecken, die Hinweise geben auf eine Episode, die erst viel später realisiert wurde. Der “Spielfilm” führt dies nun weiter und setzt sich selbst gegenüber der TV-Serie in eine übergeordnete Position. Wir erfahren unter anderem, warum Frys alter Hund aus “Jurassic Bark” versteinert ist, wer in “The Luck of the Fryish” in Wirklichkeit Basketball mit seinem Bruder spielt und welcher Krieg da am Fenster wütet, als Fry eingefroren in der kryogenischen Kammer hockt und die Jahre vergehen. Und zunehmend entwickelt sich spiralförmig jedes Ereignis um die letzten Sekunden vor Anbruch des Jahres 2000, das immerzu aufs Neue eine dreidimensionale Wiedererweckung erlebt.

Das ist schwer zu schlucken für den Durchschnittszuschauer, in seinem Arrangement aber so liebevoll und detailfreudig realisiert, dass man den Autoren für den Wust aus Handlungssträngen und Querverweisen nicht böse sein kann.
Vielleicht auch deswegen, weil bei allem Irrsinn und Chaos eines nicht zu kurz kommt: das Gefühl. Auch “Futurama” wirkt dem Trend der referenziellen Autonomie postmoderner Nachahmerprodukte wie “Family Guy” entgegen und bietet durch den Kanal der Emotionalität immer wieder einen Ausweg aus den verspielt-spaßigen, für sich gesehen aber bedeutungslosen Ellipsen der Abrechnung mit Film- und Fernsehgeschichte. Der Titel “Bender’s Big Score” kann dabei täuschen, denn im Grunde beschreibt er nur die Schlusspointe; im Mittelpunkt steht erneut die unerfüllte wie ungeklärte Beziehung zwischen Fry und Leela, mit welcher die Serie einst auch endete (“The Devil’s Hands Are Idle Playthings”). Mit dem an “Free Willy” angelehnten Schicksal des lilafarbenen Narwals wird dem emotionalen Feld ein herrlicher Boden ausgelegt, der gleichzeitig ganz universell die Liebe als Wesenheit charakterisiert, die nicht durch Fesseln gebändigt werden kann.

Filmzitate wiederum sind auch sonst keine Seltenheit in den 85 Minuten; insbesondere die “Terminator”-Filme werden ausgiebig abgefeiert und auch “Star Wars” darf sich obligatorischerweise mit einer Sternenschlacht geehrt fühlen. Von Bedeutung ist, dass sie nicht im Exzess eingesetzt werden, sondern immer nur dann, wenn sie Sinn machen.

Kurz vor dem letzten Knall scheinen die Autoren ihre Handlungsfäden dann doch noch kurz aus den Händen zu verlieren und das Rätsel um den ominösen Lars Fillmore hat der Zuschauer viel früher gelöst als der Film die Auflösung präsentiert, womit ein nicht unbedeutender Teil der Auflösung schon im Voraus offensichtlich ist. Dennoch weiß “Bender’s Big Score” im Sekundentakt zu überraschen und fast ebenso schnell Gags zu generieren, von denen fast alle ins Schwarze treffen. Es ist ein wilder Ritt und man läuft Gefahr, aus der Kabine zu fliegen, aber im Grunde bietet Regisseur Dwayne Carey-Hill der als vierteilig angedachten Reihe (möge doch bitte noch mehr kommen) einen paradoxen, verqueren, vollkommen absurden Auftakt, wie man ihn sich von dieser “Tale of Interest” nur wünschen kann.

Futurama’s Back, Baby!

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