„Von Vätern und Söhnen oder Screwball-Comedy im Abenteuerfilm"
Trotz eines weltweiten Kinoeinspiels von $ 333 Millionen waren weder Regisseur noch Hauptdarsteller sonderlich glücklich mit dem zweiten Auftritt des Abenteurer-Archäologen Indiana Jones. Während Steven Spielberg vor allem der von Produzent George Lucas durchgesetzte düstere Grundton des Films missfiel, war Harrison Ford besonders enttäuscht ob der ausgebliebenen charakterlichen Vertiefung seiner Figur. Auch hier galt Lucas als „Buhmann", da er Ford eben diese fest zugesagt hatte. Vor diesem Hintergrund ist es kaum überraschend, dass sich Lucas diesmal kompromissbereiter zeigte, eine Haltung die dem Abschluss der Trilogie sichtlich und spürbar gut tat.
Oberflächlich betrachtet erscheint Indiana Jones und der letzte Kreuzzug als ein simples Remake des Originalfilms Jäger des verlorenen Schatzes. Spielberg wollte die Leichtigkeit und den Spaß des ersten Teils wiederbeleben und gleichzeitig der Titelfigur neue Aspekte abgewinnen. In dem offenkundigen Bemühen den „Ausrutscher" in eine düstere Welt voller Horror, Okkultismus und expliziter Gewalt vergessen zu machen, haben sich die Macher deutlich - manche meinen auch etwas zu deutlich - am erfolgreichen Erstling orientiert. Wieder geht es um ein biblisches Artefakt - die Bundeslade wir durch den heiligen Gral ersetzt - und wieder gibt es einen „kunstbeflissenen" Oberschurken der sich an die Nazis verkauft - der verräterische Industrielle Walter Donovan (Julian Glover) doubelt den opportunistischen Archäologen Belloq -, die wiederum die mystischen Kräfte des begehrten Objekts für ihre Zwecke missbrauchen wollen. Die Schatzsuche führt Indy erneut in ferne Länder - diesmal Westeuropa (Österreich, Venedig, Berlin) und Hatay (heute Teil der Türkei) - und wird wiederum tatkräftig durch seinen ägyptischen Freund Sallah (John Rhys-Davies) unterstützt. All dies - so virtuos es auch inszeniert ist - geht eindeutig auf Kosten der Originalität und des Überraschungsmoments.
Ironischerweise leidet Indiana Jones und der letzte Kreuzzug unter demselben Problem wie der Vorgänger, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Dem krampfhaften Bestreben von Indiana Jones und der Tempel des Todes sich ja eindeutig vom Originalfilm abzusetzen, entspricht die ebenso etwas zu gewollt wirkende Strategie, das inhaltliche und dramaturgische Grundschema von Jäger des verlorenen Schatzes lediglich mit neuen Inhalten zu füllen.
Dass The last Crusade aber letztlich durchaus als eigenständiger und erfrischender Beitrag zum Indiana Jones-Universum funktioniert, ist Spielbergs Hartnäckigkeit und Ideenreichtum zu verdanken. Von Lucas kam die Vorgabe den heiligen Gral als McGuffin zu benutzen, ein in seiner Ausschließlichkeit - wie Spielberg zu recht kritisierte - recht öder und zudem viel zu offensichtlicher Einfall. Wie wenn Indy diesmal nur vordergründig auf Schatzsuche gehen würde? Wie wenn der heilige Gral lediglich als Metapher für ein ungleich persönlicheres Ziel stünde? Wie wenn es um die Zusammenführung mit seinem ihm entfremdeten Vater gehen würde? Lucas war von der Vater-Sohn-Geschichte zunächst wenig angetan - ein erneuter Beleg für sein fehlendes Gespür hinsichtlich Figurenzeichnung und deren charakterliche Entwicklung. Aufgrund der oben beschriebenen Erfahrungen mit Temple of Doom setzte Spielberg sich diesmal aber durch, nicht zuletzt da Hauptdarsteller Ford ebenfalls von der Idee begeistert war. Und was das für eine Idee war.
Die Vater-Sohn-Beziehung ist nicht nur die emotionale und dramaturgische Klammer des Films, sondern überdies beinahe für sämtliche Lacher, Bonmots und skurrilen Einfälle verantwortlich. Hat Temple of Doom vor allem die dunkle Seite des Indiana Jones-Kosmos beleuchtet, steht im dritten Teil eindeutig der Humor im Vordergrund. Schon das erste Aufeinandertreffen von Henry Jones und seinem erwachsenen Sprössling bietet mehr Wortwitz und Situationskomik als der gesamte Vorgängerfilm. Bei der rasanten Befreiungsaktion auf dem österreichischen Schloss Brunwald - Jones Senior wurde von den Nazis ob seines Wissens um den Heiligen Gral inhaftiert - sorgt das zänkische Verhalten der beiden Archäologen für humoriges Entertainment auf allerhöchstem Niveau.
Hier der zupackende, entscheidungsfreudige Abenteurer, der seinen Vater zwar einerseits für einen weltfremden Bücherwurm hält, sich aber andererseits nach wie vor nicht dessen „Überautorität" entziehen kann und vornehmlich mit „Yes, Sir" antwortet. Dort der schrullige Akademiker, dessen Schusseligkeit auf völlig unberechenbare Weise für einen ständigen Wechsel zwischen Ver- wie auch Entschärfung diverser brenzliger Situationen sorgt. Zwar bewundert der Vater insgeheim die Abenteuerlust seines Sohnes, kritisiert aber nach außen scharf dessen rabiate und rüde Methoden und spricht ihn bewusst unterbutternd ausschließlich mit „Junior" an. Sein demonstrativ zur Schau gestelltes Missfallen sowie seine aufreizende Gleichgültigkeit bezüglich Indiana Jones actionbetonter Problemlösung stehen im krassen Gegensatz zu dessen beinahe kindlicher Freude an der körperlichen Auseinandersetzung.
Dass diese Konstellation auf der Leinwand so wunderbar aufgeht, ist einem der größten Besetzungscoups der jüngeren Filmgeschichte geschuldet. Spielberg wollte unbedingt Ur-Bond Sean Connery für die Rolle als Indys Vater. Eine überaus clevere und zudem logische Idee, orientieren sich doch die Indiana Jones-Filme sowohl in Struktur wie auch in Anlage des Protagonisten deutlich an der James Bond-Serie. Das ganze war allerdings nicht ohne Risiko, schließlich war Connery inzwischen zu einem Charakterdarsteller mit enormer Leinwandpräsenz aufgestiegen. Er würde sich nicht mit einem unbedeutenden Sidekick zufrieden geben. Allerdings war dies ein Indiana Jones-Film und Harrison Ford der unangefochtene Star der Produktion. Ford wischte schließlich sämtliche Bedenken beiseite, war sofort Feuer und Flamme und fühlte sich durch Connerys Verpflichtung eher noch zusätzlich motiviert. Überhaupt verstanden sich die beiden Stars auf Anhieb prächtig. Diese persönliche Sympathie übertrug sich nahtlos auf die Leinwand. Die perfekte Chemie zwischen Ford und Connery gehört zu den seltenen Sternstunden des Buddy-Kinos und weckt Erinnerungen an Redford-Newman oder Gibson-Glover. Beide Darsteller geben jeweils eine ihrer besten Karrierevorstellungen und schaffen das rare Kunststück, einen effektgeladenen Actionfilm durch ihre Schauspielleistungen noch zusätzlich aufzuwerten.
Auch hier hätte Lucas den Spaß fast wieder verdorben, da er gerade Connerys Bondimage als für die Rolle hinderlich ansah. Ihm schwebte lediglich der verschrobene Bücherwurm vor, der nichts mit seinem Sprössling gemein haben sollte. Glücklicherweise setzen sich Spielberg und Ford durch und lehnten Lucas Kandidaten Henry Fonda sowie seine Vorstellung von der Anlage der Figur ab. Connery machte sich sogleich an die Umgestaltung der Rolle und machte den verstaubten Professor zusätzlich zu einem Mann der Tat und des Wortwitzes. Darüber hinaus kokettierte er mit einem zentralen Motiv des Bondimages, indem er Henry Jones als still genießenden Womanizer anlegte. Dass Vater und Sohn jeweils eine Affäre mit der weiblichen Hauptfigur (Dr. Elsa Schneider alias Alison Doody) haben, gehört zweifellos zu den humoristischen Knallern des Plots.
The last Crusade ist in vielerlei Hinsicht mehr Komödie als Abenteuerfilm. Immer wieder wird der handgreifliche und actionbetonte Schlagabtausch durch den verbalen unterbrochen. Spritzige Wortgefechte wechseln sich mit Prügeleien und Schießereien ab. Die Kabbeleien zwischen Indiana Jones und seinem brummeligen Vater sind nicht nur die absoluten Highlights des Films, sondern stehen auch in der Tradition großer Screwball-Comedies der 1930er und 40er Jahre. Neben den Cliffhanger- und Superhelden-Serials wurde damit ein weiteres Genre dieser Zeit clever in die Strukturen und Motivkomplexe des Abenteuerkinos integriert. Das Gespann Ford-Connery muss sich keineswegs hinter Genregrößen wie Gable-Colbert oder Grant-Hepburn verstecken.
Auch in der bereits aus den Vorgängern bekannten Pre-Title-Sequenz überwiegen die komödiantischen Elemente. Ein jugendlicher Indiana Jones (River Phoenix) raubt einer Schatzsucherbande ein altertümliches Kreuz, um es in die Obhut eines Museums zu übergeben. In einer Nummernrevue-artigen Verfolgungsjagd schlägt sich der junge Indy durch einen fahrenden Zirkuszug und kommt dabei in rasanter Folge zu folgenden Markenzeichen: Schlangenphobie, Bullenpeitsche, Narbe am Kinn und Fedora-Hut. Der von ihm anfangs düpierte aber seine Hartnäckigkeit bewundernde Archäologe ist dabei bewusst als exakte Kopie seines späteren Alter Egos angelegt, mitsamt Dreitagebart, abgewetzter Lederjacke und braunem Fedora. Am Ende steht er vor dem verschrobenen Vater, der lediglich an den Altgriechischkenntnissen des Sohnes interessiert scheint.
Mann kann diese Sequenzen als banalpsychologisch und plakativ abtun, verkennt dabei aber völlig Ton und Selbstverständnis der Serie. Indiana Jones ist eine comichafte Heldenfigur, die sich in völlig unrealistischen und knallbunten Abenteuern behauptet. Sie hetzt dabei von einer aussichtslosen Situation zur nächsten und siegt letztlich immer wieder ob einer unschlagbaren Kombination aus Durchhaltevermögen, körperlichem Dauereinsatz und unverschämtem Glück. In diesem Kontext ist der Prolog des dritten Teils ein wunderbarer Einfall. Eine trotz ihrer Simplizität rasantere, originellere und unterhaltsamere Inszenierung des Ursprungs markanter Marotten unseres Helden ist kaum vorstellbar. Spielberg sah die ganze Sequenz übrigens keinesfalls lediglich als billigen Gag. So bestellte er seinen Hauptdarsteller zum Personal Trainer von River Phoenix. Eine Woche lang trimmte Ford den Jungstar daraufhin hinsichtlich Körperhaltung, Laufstil und Sprechweise auf seine persönlichen Eigenheiten.
Zu kritisieren ist an dem insgesamt überaus gelungenen dritten Teil lediglich die bereits oben erwähnte starke inhaltliche Orientierung an Jäger des verlorenen Schatzes. Auch was die ein oder andere historische Ungenauigkeit betrifft, diente offenbar der erste Film als Vorbild. So gab es 1938 in Deutschland bereits keinen passagierbezogenen Zeppelinbetrieb mehr (nach dem Absturz der Hindenburg im Jahr 1937). Auch zeigt der Film eine bewachte Staatsgrenze zwischen dem Deutschen Reich und Österreich (der „Anschluss" erfolgte bereits im März 1938). Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang aber vor allem der fulminant daneben gegangene „Hitler-Gag". In Berlin trifft Indiana Jones - als Wehrmachtsoffizier verkleidet - bei einer Kundgebung auf den deutschen Diktator, der ihm ein Autogramm gibt. Tatsächlich hat Hitler in der Öffentlichkeit nie Autogramme geschrieben, geschweige denn 1938 noch solche Menschenmassen so nahe an sich herangelassen. Die hier zusätzlich eingebaute Bücherverbrennung fand bereits im Mai 1933 in zahlreichen deutschen Städten statt. Hitler war in keiner persönlich anwesend. Die ganze Szene ist blanker Unsinn und mehr lächerlich als komisch.
Fazit:
Indiana Jones und der letzte Kreuzzug ist der witzigste und schauspielerisch beste Teil der Trilogie. Die Besetzung Sean Connerys als Vater des Titelhelden erwies sich als absoluter Glücksgriff. Ford und Connery harmonieren prächtig und zanken sich permanent wie ein altes Ehepaar in allerbester Screwball-Manier. Das in den ersten beiden Filmen zentralere Motiv der Schatzsuche rückt in den Hintergrund und wird durch die familiäre Zusammenführung der beiden ungleichen Archäologen ersetzt. Dieser Einfall Spielbergs tut dem Film unendlich gut, der ansonsten eine exakte Kopie des ersten Teils darstellt. Mangelnde Originalität und inhaltliche Vorhersehbarkeit werden somit durch die anfangs bissig-witzige und später zunehmend emotionale Vater-Sohn-Geschichte geschickt verschleiert. Alles in allem ist The last Crusade im besten Sinne routiniertes Abenteuerkino von einem perfekt eingespielten Team.
(8,5/10 Punkten)