16 Minuten, die die Welt verstörten - so kann man Fitna, den pseudo-dokumentarischen, politisch-propagandistischen Film vom niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders umschreiben. Dabei beginnt der Film da, wo die bekannte dänische Mohammed-Karikatur aufgehört hat: Mit einem Propheten, an dessen Turban eine Lunte angezündet wird. Der Islam und seine Anhänger als tickende Zeitbombe, als rumorendes Pulverfass, welches - so die Botschaft des Films - die Weltherrschaft anstreben.
Mit selbigem Bild, welches beim Aufschlagen des Korans auf der linken Seite zu sehen ist, eröffnet der Film. Auf der rechten Seite startet ein Countdown von 15 Minuten. Im Folgenden werden immer wieder einige radikale Verse aus dem Koran vorgestellt, dann deren Entsprechung in Proklamationen muslimischer Hassprediger oder terroristischen Anschlägen, allen voran 9/11. Besonders verstörend ist dabei neben den zahlreichen Bildern toter Körper ein Interview mit einem kleinen muslimischen Mädchen, welches Juden als „Affen und Schweine" bezeichnet, bevor Fotos von Demonstrationen gezeigt werden, deren Plakate Aufschriften wie „Be Prepared for the Real Holocaust" oder „God Bless Hitler" tragen. Der Islam als gewaltverherrlichende, antisemitische Vernichtungsreligion?
Geert Wilders versucht, mit diesen durchaus beängstigend realen Bildern islamistischen Fundamentalismus zu dokumentieren, dem Einhalt geboten werden muss. Nachdem 1945 der Nationalsozialismus und 1989 der Kommunismus besiegt wurde, müsse nun islamistische Ideologie besiegt werden, um die eigene Freiheit zu schützen. Terror müsse mit Terror und totaler Vernichtung vergolten werden, anders scheint der Sieg über den todbringenden Islam nicht möglich.
Es ist die handwerkliche Souveränität, seine nicht von der Hand zu weisende Dramaturgie und Radikalität, die Fitna so gefährlich machen. Es ist sein manipulativer Charakter, seine nur allzu simple wie deutliche Propagandastruktur, die den aufgeklärten Nachrichtenseher so verbittert wie kopfschüttelnd schlucken lässt. Wilders´ Film ist die Schwarz-Weiß-Sicht auf eine Thematik, die in sehr vielen grauen Nuancen gedacht werden muss und verfehlt gerade durch diese Engstirnigkeit das Klassenziel, aufzurütteln. Sicherlich gibt es islamistische Fundamentalisten, die auch vor Mord nicht zurück schrecken, wenn sie ihre Ehre angegriffen fühlen, sicherlich gibt es Hassprediger und Terroranschläge, die für den Tod vieler Menschen verantwortlich sind - und die von ihm gezeigten Bilder sind Archivaufnahmen und real.
ABER: Wie in jeder anderen Weltreligion auch, sind es die humanistischen Werte, die stark überwiegen, gepredigt werden und zu Philanthropie aufrufen. Wilders hätte genau so gut wie aus dem Koran missverständliche Verse aus der Bibel zitieren können („Auge um Auge, Zahn um Zahn!" - Altes Testament, Zweites Buch Mose 21,24), mit dem Unterschied, dass er damit ein derzeit in Europa weitaus weniger populäres, da noch weiter reichendes und irgendwie auch anachronistisches Feindbild geschaffen hätte.
Ases Tod aus Peer Gynt von Edvard Grieg und der Arabische Tanz aus dem zweiten Akt der Nussknacker-Suite von Tschaikowsky mussten als dramatisch-manipulative Musikuntermalung zu diesem zwar ambitionierten, aber intentional fragwürdigen Werk herhalten. Wilders, der sich für einen Großteil der Produktion verantwortlich zeichnet, gelang es nicht, abseits der Provokation, die vielerlei politisch sensible Kommentare ebenso wie Drohungen aus der islamischen Welt aufgrund von Verunglimpfung nach sich zog, ein gehaltvolles und vor allem differenziertes Werk zu inszenieren, dass jenseits der vorherrschenden Diffamierung des Islams konstruktive Kritik übt. Mit Fitna - was im Arabischen so viel bedeutet wie „schwere Prüfung" oder „Glaubenskrise" - rückt er sich einzig in die Nähe nationalsozialistischer Hetzfilme - ein Umstand, welchen er nicht angestrebt haben kann.
So ergibt sich für Wilders folgender biblischer Imperativ, den er mal besser befolgt hätte:
"Den Splitter, der im Auge deines Bruders ist, den siehst du; aber den Balken, der in deinem Auge ist, den siehst du nicht. Wenn du den Balken aus deinem Auge gezogen hast, dann wirst du (klar) sehen; um den Splitter aus dem Auge deines Bruders zu ziehen."
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.