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Zunächst fühlt sich „Iron Man“ an wie eine gewöhnliche Comicverfilmung die sich dem reichhaltigen Marvel-Universum bedient, eine genauere Betrachtung zeigt hier aber einen deutlichen Fortschritt. Sicher sind die Werdegänge von Superheld und Widersacher konventionell und ohne Überraschungen inszeniert, in welch verhaltenem Tempo diese Geschichte aber erzählt wird, bedeutet nichts weniger als einen weiteren Schritt zur endgültigen Etablierung des Genres Comicverfilmung. Wo in den meisten Fällen auf eine verkürzte, knackigere Einführung und lautes Action-Getöse gesetzt wird, da schwimmt „Iron Man“ stur gegen den Strom: Trotz einer stattlichen Lauflänge von über zwei Stunden und einem gigantischem Budget bleiben die Momente spannender Action rar gesät und der gesamte Film wirkt wie ein ausführlicher Prolog. Eine Fortsetzung wäre hier nicht nur angebracht sondern erweist sich als zwingende Pflicht – sollte dann der Iron Man weitere Kinoabenteuer bestehen wird sich diese gelungene Einleitung doppelt auszahlen.

Vielleicht liegt es an der Tatsache, das Marvel nach diversen vorigen Verfilmungen hier erstmals selbst die volle Kontrolle über das Projekt behielt. Diese Veränderung ist stilistisch jederzeit bemerkbar: „Iron Man“ ist verspielter und dennoch strikter als seine Vorgänger, lässt seinen großartigen Schauspielern viel Raum zur Ausprägung ihrer Rollen. Die viel gelobte Besetzung von Robert Downey Jr. hält genau was sie verspricht – seine biografischen Parallelen zur Hauptrolle nutzt er auf verschmitzte Art um lässig, selbstironisch und charismatisch aufzutreten. In Jeff Bridges findet Downey einen ebenbürtigen Gegner, dessen Rolle allerdings deutlich farbloser bleibt und nicht ganz mit den fiesesten Figuren aus dem Hause Marvel mithalten kann. Auch sämtliche Sidekicks von Gwyneth Paltrow bis zu Terrence Howard bereichern den Film mit individueller Präsenz, ohne aber die One-Man-Show der Hauptfigur entscheidend zu stören. Den allzu deutlichen Bezug zur aktuellen Lage im „Krieg gegen den Terror“ verzeiht man gerne denn im Gegensatz zu militaristischer Propaganda wie „Transformers“ nimmt sich der Mann aus Stahl niemals wirklich ernst und hinterfragt nebenbei noch dezent den Rüstungswahn, ohne aber auch nur einen Moment echte Kritik üben zu wollen. Weit abseits vom Militär nimmt der Iron Man aber eine politisch neutrale Haltung ein, dessen Taten hier im ersten Film noch durchweg persönlich motiviert sind und nicht viel mit klassischem Heldentum gemein haben.

Ambivalente Charakterzeichnungen, hervorragende darstellerische Leistungen und State-of-the-Art-Effekte – all diese Kriterien, die „Iron Man“ zweifelsfrei auszeichnen, sind zwar durchaus respektabel, für das Genre aber nicht wirklich Neues. Viel wichtiger ist die Intention des Films, einen entscheidenden Aspekt des Marvel-Universums für die Filmwelt zu etablieren: Den Cross-Over-Stil. Alle Marvel-Comics weisen sowohl subtile Berührungspunkte als auch narrative Überschneidungen auf, weiterhin können sich Schreiber und Zeichner schon seit Jahrzehnten in freien Storylines austoben, die als Was-wäre-wenn-Geschichten oder alternative Sichtweisen erzählt werden. Auch wenn diese extreme Selbstreferenzialität der Vorlagen unmöglich komplett filmisch zu übersetzen ist macht „Iron Man“ einen deutlichen Schritt in diese Richtung. Unterstrichen wird diese Annahme in einem kleinen Epilog nach dem Abspann, als Samuel L. Jackson auftritt und eine kurze Ahnung von der Komplexität des hier angesprochenen Universums und der mannigfaltigen Möglichkeiten zur filmischen Bearbeitung gibt. Sollte das Konzept Anklang finden dürfte so mancher feuchte Nerd-Traum in Erfüllung gehen. Wie komplex schon die Geschichte um den Iron Man selbst ist, zeigt welch hohes erzählerisches Potenzial ein Marvel-Comic bieten kann, denn letztlich geht der Konflikt zwischen Jeff Daniels und Robert Downey Jr. etwas unter, was auch der schnell abgefertigte Endkampf bestätigt.

Die eigentliche Action verkommt glücklicherweise niemals zum Selbstzweck sondern wird organisch in die Handlung integriert, welche durch ihren Bezug zum Kriegsgeschehen ohnehin genug Möglichkeiten für zynische Kloppereien bereithält. Sowohl die Rüstung des Stählernen als auch die aufwendig gestalteten Schauplätze treffen den angestrebten comichaften Ton nahezu perfekt, auch wenn das ruppige Metal-Geschrammel kaum als Score bezeichnet werden kann. Durch fehlende musikalische Prägnanz geht dem Film viel von der eigentlich möglichen atmosphärischen Tiefe verloren, was sich besonders in den emotionalen Szenen bemerkbar macht. Während die durchgestylten Auftritte des Iron Man durch die harten Gitarrenklänge an Coolness gewinnen, so fehlt in den leisen Momenten eben das rechte Einfühlungsvermögen. Sieht man aber von diesen Schönheitsfehlern ab, dann kann „Iron Man“ fast uneingeschränkt begeistern – die neue Generation der Comicverfilmung kann gerne kommen wenn die Spitze des Eisberges schon so viel versprechend aussieht.

07 / 10

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