Der Film ist gerade mal wenige Sekunden alt, da hat er uns schon ein digitales Erdmännchen präsentiert. Ein sehr gut gemachtes Erdmännchen selbstverständlich, in bewährter ILM-Qualität.
Aber warum eröffnet diese CGI-Kreatur ausgerechnet den Film, der uns nach knapp 20 Jahren Wartezeit die Rückkehr des handgemachten Abenteuerkinos bescheren sollte? Wäre schon eine reichlich seltsame Form des Augenzwinkerns.
Doch solcherlei Überlegungen sind zunächst in den Hinterkopf verbannt, wenn in besagter Eröffnungsszene auch mal eben ganz lässig der Bogen zum Beginn der Karrieren seiner Macher geschlagen wird: Lucas’ „American Graffiti“ und Spielbergs „Duell“ verschmelzen während des Wettrennens zwischen einer Gruppe Teenager und einem Armeekonvoi auf charmante Art und Weise.
Das scheint hier nun im Folgenden angestrebt zu werden: Die Verschmelzung von Gestern und Heute. Beseelte Rückschau einerseits, Vermeidung von Stillstand andererseits. Nicht in Nostalgie ergehen, Dr. Jones trieb es immer nach vorne, seine Ziele mussten lediglich immer nur größer und die Gefahren dementsprechend angepasst werden. Im Hinblick auf Ersteres ist dem vierten Teil auch kein Vorwurf zu machen: Phantastischer geht’s nun wirklich nicht mehr. Aber wo, bei aller Altersmilde, die wir der Hauptfigur zugestehen wollen, sind sie, die Hindernisse? Vordergründig stapeln sie sich selbstverständlich; unser Held muss Eingeborene, Riesenameisen und Wasserfälle überwinden. Wirkt dabei aber zu keiner Zeit in der Form von greifbarer Gefahr, die uns in „Raiders“ beispielsweise um sein Leben bangen ließ, als er an einem Lastwagen hing. Und das mag nicht nur mit dem Einsatz von Computereffekten zusammenhängen (die, das muss leider konstatiert werden, auffälliger geraten sind, als man sich das vielleicht gewünscht hätte), sondern auch an der gewissen Routine, die Spielbergs Inszenierung ausstrahlt. Wie seine Hauptfigur schwingt sie sich noch einmal auf, entwickelt eine beachtliche Rasanz, scheint aber mit jeder Einstellung „und hiernach ist es aber auch gut“ auszudrücken. Indy muss noch einmal ein Schlangenproblem bekommen, sich mit Marion zoffen, seinen Hut retten. Die ersehnte Wiederholung dieser Elemente ist da, weiterentwickelt wird ab diesem Punkt jedoch nicht. Ein Ausbau findet nicht statt. Nur gestern, kein Heute. Selbiges tritt nur in Szenen wie jener in Erscheinung, in der das Erdmännchen aus der Anfangssequenz noch einmal sein Haupt reckt. Visuelle Witzeleien, die sich eher in den „Star-Wars“-Filmen von Kollege Lucas heimisch fühlen würden. Was sehr seltsam anmutet, bedenkt man Spielbergs jahrzehntelanges Zögern bei der Realisierung dieses Projekts, das erst durch ein ihn überzeugendes Drehbuch beendet werden sollte.
Und das ist der nächste Punkt, an dem man sich wundern darf: Diese, mit unzähligen losen Enden hantierende Geschichte, die sich im Mittelteil, als schon alles geklärt scheint, plötzlich bedenklich zäh ausdehnt, soll den uneingeschränkten Zuspruch des Meisters gefunden haben? Dieses Skript, das Charaktere verschenkt, Fakten immer wieder und wieder erklärt und uns einen schillernden Bösewicht vorenthält? Den die sich anerkennenswert bemühende Cate Blanchett nicht abliefern kann, weil ihre vokalschluckende russische Eislady zwar gefährlich anmutet, letztlich aber nie richtig gefährlich oder im Sinne der Serie sadistisch wird. Nur folgerichtig, dass sie ihre größte Kampfszene nicht einmal gegen Indy selbst absolviert.
Nun muss man obige Kritik natürlich auch im richtigen Verhältnis sehen.
Selbst auf Autopilot sind Spielberg, Lucas und Ford ihren Nachahmern immer noch um ein Vielfaches überlegen. Humor und Atmosphäre sind vorhanden, wenngleich im Verhältnis zu den Vorgängerfilmen deutlich heruntergeregelt. Das Alter, möchte man meinen. Doch der Film versteht es, immer wieder am Gashebel zu drehen. Die Motorradverfolgungsjagd ist ein Musterbeispiel für rasantes Unterhaltungskino: Perfekt getimt, geschnitten und gefilmt zeigt sie allen Handkameradesastern neueren Zuschnitts, was eine Actionharke ist. Auch während der Hochgeschwindigkeitsszenen im Dschungel lässt Spielberg die Zügel nie fahren, stets ist alles übersichtlich und nachvollziehbar. Keine Selbstverständlichkeit.
Dennoch: Besagter Autopilot scheint nicht nur für den Regisseur zu gelten: Janusz Kaminskis Kameraarbeit ist gewohnt hochklassig, macht sich aber auch nicht die Mühe, sich ein wenig dem Look der Vorgänger anzupassen. Stattdessen gibt es die patentiert ausgeblichenen Farben und hartes Schlaglicht von oben, als wäre man wieder in der Pre-Crime-Abteilung aus „Minority Report“. Ben Burtts Sounddesign ist makellos, reicht aber bei weitem nicht an die Großtat „Krieg der Welten“ heran. John Williams’ Musik ist auf seinem konstant hohen Niveau verankert, kann jedoch an Glanzlichter wie das Bundesladenthema nicht mehr anschließen. Und auch der Hauptdarsteller mag da, obwohl in beeindruckender Form, keine neuen Akzente mehr setzen.
Ford gibt den Indy, wie man ihn kennt und liebt, und wie er ihn wohl auch jederzeit aus dem Ärmel zu schütteln versteht. Die im Vorfeld angekündigten zahllosen Anspielungen auf das fortgeschrittene Alter der Figur werden allerdings nur marginal und obendrein recht enttäuschend ausgespielt. Viel zu oft begnügt sich der Film damit, Shia la Boeufs Figur wieder einen Opa-Spruch abgerungen zu haben, eine wirkliche Herausforderung, die unser Held früher noch mit einem Lächeln abgetan hätte, bleibt merkwürdigerweise aus.
Dafür darf nun La Boeuf ran und sich sogar in einer recht grenzwertigen Szene wie weiland Tarzan durchs Geäst hangeln. Von solchen Kinkerlitzchen abgesehen macht der Jungstar seine Sache gut, überlässt dem Hauptcharakter das Feld und harmoniert dabei beachtlich mit Ford und Allen, die ihre Paraderolle der Marion wieder aufnimmt. Dass sie keinerlei Freiraum erhält, um im vollem Umfang anzuknüpfen, ist angesichts der beachtlichen Lauflänge des Films sehr verwunder- und bedauerlich.
Und dieser bedauerlichen Momente gibt es mehrere im Königreich des Kristallschädels. Sicher, sie wechseln sich ab mit Momenten ebenjenen Augenzwinkerns, für das man diese Serie so schätzt. Aber irgendwo hätte da doch mehr entstehen müssen, in dieser Zwischendimension zwischen Gestern und Heute. Man kann dem Film bei der angestrengten Suche nach diesem gewissen Etwas für gute zwei Stunden folgen, ohne sich betrogen zu fühlen. Aber eine gewisse Leere wird man hinterher schwerlich abstreiten können.
Ein guter Abenteuerfilm, keine Frage. Mit der Figur, die man so lange wieder sehen wollte. Tja, nun hat man sich gesehen. Es war nicht das erhoffte Feuerwerk der Gefühle. Aber trotzdem nett, Indy, nicht falsch verstehen. Man wird halt gesetzter. Und bleibt in Kontakt, ja?
Hoffentlich.