Da "Dark Town" nicht in die deutschen Kinos kam, sondern direkt als DVD vermarktet wird, entsteht der erste Eindruck durch die Gestaltung des Covers. Dort ist eine junge Frau abgebildet, die mit Stacheldraht kreuzförmig aufgehängt wurde. Der Unterschied zur tatsächlichen filmischen Gestaltung scheint gering, aber ist letztlich signifikant für den gesamten Film - beim "Drappieren" der Opfer an diversen Stahlkonstruktionen verwendet der Täter keineswegs Stacheldraht, sondern ein ganz normales Seil.
Das was die Werbung des Films mit dieser Optik und dem frei gewählten Titel statt des Originaltitels "Unsere Stadt" vermitteln will, ist nur zu offensichtlich - hier haust mal wieder ein Serienmörder, der eine ganze Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Tatsächlich ist der Erzählradius geradezu intim und beschreibt das Schicksal von drei jungen Männern, deren Leben auf geheimnisvolle Weise miteinander verwoben ist. Nicht zuletzt deshalb, weil sie in unmittelbarer Nähe aufgewachsen sind und trotz unterschiedlichen Alters zumindest zeitweise auf die selbe Schule gingen.
Die Story über den Polizeioffizier Jae-shin (Seon-gyun Lee), seinen besten Freund, den mittellosen Kriminalautoren Gyeong-ju (Man-seok Oh), und den wohlerzogenen und noch sehr jungen Ladenbesitzer Hyo-i (Deok-Hwan Ryu) entwickelt sich langsam und verzichtet trotz der brutalen Morde auf übertriebene reisserische Momente. Es wird schnell deutlich, wer für die Taten verantwortlich ist, denn dem Film geht es nicht um eine Entlarvung des Killers, sondern dessen Intention. Trotz der scheinbar konventionellen Konstellation entwickelt "Dark Town" überraschende Wendungen,.die sich nicht aus Wahnsinn oder besonderer Abartigkeit ergeben, sondern logisch in ihrer inneren Konsequenz wirken.
Die persönlichen Schicksale, die der Film in Rückblendungen zu einem nachvollziehbaren Ganzen zusammenfügt, und die darin verborgenen tragischen Auswirkungen, erklären zwar die Hintergründe, können aber letztlich nicht die ritualisierte Brutalität begründen. Aus dieser überzogen wirkenden Handlungsweise gewinnt der Film seine Spannung, indem er das Serienkiller-Motiv von der Theorie des perversen Einzeltäter befreit ,es stattdessen in eine vertraute Umgebung versetzt und es aus der Normalität des gesellschaftlichen Lebens entwickelt mit seinen alltäglichen Rücksichtlosigkeiten.
Fazit: "Dark Town" ist spannend und nicht ohne Witz erzählt, setzt aber keineswegs auf Schreckensmomente oder besonders grausame Handlungen. Stattdessen ist der Originaltitel "Unsere Stadt" in seinem finsteren Zynismus wörtlich zu nehmen, denn die brutalen Morde entstehen innerhalb einer vertrauten Umgebung und basieren auf der Verstrickung persönlicher Schicksale (7,5/10).