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Martin Scorcese kann nicht nur großartige Mafiafilme und Großstadtchroniken drehen, sondern auch spannende Psychothriller wie „Kap der Angst“ beweist.
Wie viele gelungene Psychothriller baut „Kap der Angst“ auf zwei gegensätzliche Kontrahenten. Kandidat Nr. 1 ist Sam Bowden (Nick Nolte) ein recht biederer Anwalt, der vom Pflichtverteidiger zur Selbstständigkeit wechselte. In seiner Vergangenheit gab es mal wildere Zeiten (unter anderem ein Seitensprung), doch all das ist verdrängt und kommt nur gelegentlich in Gespräch mit Ehefrau Leigh (Jessica Lange) und Tochter Danielle (Juliette Lewis), genannt Danny, zum Vorschein, doch es bleibt verdrängt.
Auf der anderen Seite haben wir Max Cady (Robert De Niro), einen Häftling, der nach 14 Jahren entlassen wird. Cady ist ein Self-Made-Man, hat im Knast Lesen und später sogar den Anwaltsberuf erlernt. De Niro bietet in dieser Rolle eine eindrucksvolle Darstellung, denn sein Max Cady ist nicht nur muskulös und am ganzen Körper tätowiert, doch er behält eine beherrschte Fassade, unter der allerdings stets eine animalische Bedrohlichkeit aufblitzt.

Was führt diese beiden zusammen? Die Tatsache, dass Bowden Cadys Pflichtverteidiger war, als dieser wegen Vergewaltigung und Misshandlung angeklagt war. Da Cady schuldig war, hielt Bowden einen Bericht zurück, der Cady geholfen hätte. Nun taucht Cady in Bowdens Wohngegend auf und bedroht ihn auf derart subtile Weise, dass Bowden sich scheinbar nicht mit legalen Mittel wehren kann…
Aus dieser an sich simplen, aber dennoch sehr gut erdachten Grundsituation strickt Scorcese bald einen sehr spannenden Psychothriller, der sich langsam, aber stetig entwickelt. Anfangs hält sich Cady sehr zurück, beschränkt sich auf stille Drohungen, doch man merkt bereits, dass er mehr vorhat und so steigern sich die Aktionen des Bösewichts bis zum dramatischen Finale. Damit kann Scorcese auch einen wirklich zu überzeugenden Spannungsbogen aufbauen und den Zuschauer von Anfang bis Ende fast durchgängig fesseln.
Um „Kap der Angst“ jedoch eine noch perfidere Dimension zu geben, lässt das Drehbuch seine Hauptfigur sofort überreagieren, sodass dieser schnell vor den Augen der Öffentlichkeit noch schlechter dasteht als Cady. Diese geschickte Manipulation lässt gleichzeitig Familienkonflikte ausbrechen, drängt Bowden immer mehr in Richtung Illegalität usw., was sich als geschickter Drehbuchkniff erweist. Gleichzeitig macht er aus Bowden eine ausgeglichenere Hauptfigur, die nicht bloß strahlender Held ist, sondern ein Normalbürger, der merkt wieweit er gehen muss, um seine Familie vor einem gefährlichen Psychopathen zu schützen.

Schwächen hat „Kap der Angst“ hingegen nur wenige, aber ganz makellos ist er nicht. So ist das Finale sicherlich dramatisch und schweißtreibend, aber erinnert stellenweise etwas arg an Billighorrorfilme, in denen der Killer zigmal wieder aufsteht, nachdem er scheinbar tot ist. Zudem gibt es in der Mitte kleinere Längen, wenn Scorcese das Tempo erst anzieht, um dann wieder allzu lange Ruhepassagen einzubauen, die den Fluss der Geschichte etwas stören. Doch das sind nur kleinere Schwächen; die meiste Zeit über bleibt „Kap der Angst“ sehr spannend.
Trumpf des Films ist sicherlich Robert De Niro, der eine beeindruckende Leistung als Psychopath abliefert und wie schon in „Taxi Driver“ Mut zu Hässlichkeit und Verwarztheit beweist. Dagegen wirkt Nick Nolte in seiner ungewohnt biederen Rolle etwas blass, doch auch er bringt den Normalbürger in Gefahr sehr überzeugend rüber. Gleiches gilt für Jessica Lange und die meisten Nebendarsteller (u.a. Gregory Peck und Robert Mitchum aus dem Original „Ein Köder für die Bestie“), lediglich Juliette Lewis fällt darstellerisch arg ab: Sie wirkt hier eher nervig und auch ihr Minenspiel erinnert teilweise eher an eine Laienaufführung in der Schule als an einen Hollywoodfilm.

Doch trotz kleinerer Längen ist „Kap der Angst“ ein fesselnder Psychothriller mit gut aufgebautem Spannungsbogen, der über seine recht lange Laufzeit packender ist als Unmengen 90minütige Standardthriller.

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