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„Klaatu Reloaded - Aller Neuauflagen ist schwer"

Wagt man sich an einen Klassiker, sollte man einiges einstecken können. Das dürfte auch Regisseur Scott Derrickson seit dem Start seines neuen Films schmerzlich bewusst geworden sein. Die meisten Kritiker und Filmfreaks ließen kein gutes Haar am Remake des Science Fiction-Klassiker Der Tag an dem die Erde stillstand . Das in der Hochphase des Kalten Krieges entstandene SF-Drama gilt nicht wenigen Genreliebhabern als Heiligtum, dessen Neuverfilmung einer blasphemischen Schändung gleichkommt. Dementsprechend reserviert fielen auch die ersten Publikumsreaktionen aus, wobei der völlig irreführende Trailer erheblich dazu beigetragen haben dürfte.
Beinahe seit Jahresfrist wird der Film als eine Mischung aus Independence Day und The Day after Tomorrow beworben. Mit den actiongeladenen Blockbusterspektakeln aus der Emmerichschen Knallbonbontüte hat Derricksons Film allerdings nur wenig gemein. Der Tag, an dem die Erde stillstand ist erstaunlich nahe am berühmten Vorbild, das mehr seiner Geschichte als spektakulären Spezialeffekten vertraute. Wesentliche Handlungselemente sowie die „Hauptbotschaft" wurden beibehalten. Dass der im Original zentrale Themenkomplex eines alles vernichtenden Atomkrieges durch drohende Umweltkatastrophen sowie kriegerische Auseinandersetzungen im Allgemeinen ersetzt wurde, ist eine sinnvolle und zeitgemäße Modifikation der Grundaussage.

Die Ausgangssituation aber ist praktisch identisch. Der Außerirdische Klaatu landet auf der Erde, um die Menschheit vor ihrer drohenden Selbstzerstörung zu warnen. Seine Bitte, sich an die führenden Köpfe sämtlicher Nationen wenden zu dürfen wird brüsk abgelehnt. Statt dessen wird er isoliert und einem Drogengestützten Verhör unterzogen. Nach seiner Flucht aus dem Hochsicherheitstrakt wird er zum weltweit meist gesuchten Mann. Lediglich die Mikrobiologin Helen vertraut ihm. Es liegt schließlich allein bei ihr, Klaatu von seiner Mission abzubringen, die zwar den Planten retten, seine menschlichen Bewohner aber vernichten soll ...

Der Tag, an dem die Erde stillstand
bietet zumindest eine Stunde lang spannendes und handwerklich absolut überzeugendes SciFi-Kino. Die Landung diverser Sphären auf der Erde sowie die vornehmlich militärische Reaktion der politischen Entscheidungsträger sind sowohl optisch wie auch dramaturgisch perfekt in Szene gesetzt. Die allgegenwärtige Ungewissheit, Angst und Bedrohung durch einen vermeintlich kurz bevorstehenden Angriff ist geradezu spürbar. Auch die eigentlich friedlichen Absichten Klaatus bleiben lange ungewiss.
Entgegen vieler Kritiken ist Keanu Reeves keineswegs eine Fehlbesetzung als undurchsichtiger Bote aus dem All. Natürlich ist der 44-jährige kein großer Mime, sein zurückhaltendes, manchmal etwas steifes Spiel passt allerdings perfekt zu der Rolle. Anders als im Original wird Klaatu nach seiner Ankunft erst „geboren" und muss sich daraufhin an den unvertrauten menschlichen Körper gewöhnen.
Auch Jennifer Connelly überzeugt als idealistische Mikrobiologin, wenn ihre Rolle auch etwas differenzierter ausgearbeitet hätte werden können. Einziger, dafür allerdings krasser Besetzungsflop ist Jaden Smith als Helens Stiefsohn. Will Smiths Sprössling entbehrt jegliches Schauspieltalent und nervt bereits nach wenigen Filmminuten. Da dürfte jemand dem Superstar-Vater einen dicken Gefallen getan haben, für das Publikum gilt allerdings das Gegenteil. Zwar ist auch seine Rolle dem Original entnommen, war dort allerdings erheblich zentraler angelegt. Klaatus freundschaftliche Beziehung zum kleinen Bobby ist eines der wesentlichen Handlungselemente und trägt entscheidend zum Erfolg seiner Mission bei.

Überaus gelungen ist dagegen die Modernisierung von Klaatus „Schutzengel". Der riesenhafte Roboter Gort hat nicht nur exakt denselben ersten Auftritt wie sein Vorbild - er entwaffnet die aufmarschierten Militärs -, sondern ähnelt der Originalversion auch im glatten Aludesign. Von dem unzerstörbaren Metallungetüm geht eine unheimliche Aura aus, die viel zum Spannungsbogen des Films beiträgt.
Der Titelgebende Stillstand der Erde wird allerdings leider auf ähnliche Weise verschenkt wie in der Erstauflage. Die an sich beeindruckende und für ein Umdenken der Menschheit zentrale Stillegung sämtlicher elektronischer und technischer Einrichtungen wird viel zu kurz gezeigt. Gleiches gilt für die Wirkung dieser „Lektion" auf die Menschen.

Das einzig wirkliche inhaltliche Manko der Neuauflage liegt aber in der Motivation Klaatus, die eigentlich beschlossene Vernichtung der Menschheit doch noch aufzuhalten. Obwohl seine Rasse die Erdbewohner Jahrhunderte lang studiert hatte, und obwohl einer ihrer „Spione" bereits seit Jahrzehnten als Mensch auf der Erde weilt und sich durchaus positiv äußert, ist es letztlich lediglich eine kurze, Tränenreiche Kitschszene am Grab von Bobbys Vater, die Klaatu von den „guten Seiten" der Menschen überzeugt. Glaubwürdigkeit und Logik sind an dieser Stelle offenbar in den Weiten des Weltalls verloren gegangen.
Auch das unverständlich abrupte Ende schadet dem insgesamt positiven Gesamteindruck. Nur wenige Sekunden entschwindet Klaatu nach getaner Arbeit mitsamt seiner Sphäre ins All. Seine finale Ansprache vor den führenden Köpfen sämtlicher Nationen war einer der Höhepunkte des Originalfilms und brachte die wesentlichen Botschaften des Films noch einmal - wenn auch etwas plakativ - auf den Punkt. Warum Derrickson Reeves Charakter beispielsweise nicht vor der UNO auftreten ließ, ist ein Rätsel kosmischen Ausmaßes. Zumal er ja extra zu diesem Zweck in New York gelandet war.

Durchweg stimmig und wesentlich dezenter als oft angeprangert, sind die biblischen Implikationen. Natürlich wecken die Verwendung der Sphären als Archen sowie der aus winzigen Stahlheuschrecken bestehende „Vernichtungsschwarm" deutliche Assoziationen zum Alten Testament. Ach Klaatus Funktion als „Retter" hat einen religiösen Hintergrund. Themen wie Weltuntergang, Respekt vor der Natur und das Anprangern von Krieg und gegenseitigem Töten sind allerdings in zahlreichen Weltreligionen verankert und wirken in diesem Zusammenhang weder befremdlich noch unpassend.
Was darüber hinaus häufig vergessen wird ist die Tatsache, dass das vielgepriesene Original hier mindestens ebenso deutlich und teilweise noch holzschnittartiger zu Werke ging. Klaatu ist dort erheblich offensichtlicher als Christusähnliche Erlöserfigur angelegt und durchlebt während der Handlung Sendung, Verrat, Hinrichtung, Auferstehung und Himmelfahrt.

Fazit:
Der Tag, an dem die Erde stillstand ist eine erstaunlich werkgetreue Neuauflage des Science Fiction-Klassikers von 1951. Sämtliche Modernisierungen wirken stimmig und verfälschen keinesfalls Aussage oder Dramaturgie der Urversion. Keanu Reeves überzeugt als Außerirdischer Klaatu gerade wegen seines steifen und unnahbaren Spiels. Die häufig kritisierten religiösen Implikationen passen zu den aufgeworfenen Themen - u.a. Weltuntergang, Zerstörung der Natur und gegenseitiges Töten - und sind überdies mindestens ebenso deutlich in der Originalversion zu finden.
Wäre nicht der viel zu abrupte Schluss sowie die inhaltlich wenig überzeugende Motivation für Klaatus „Umdenken" zugunsten der Menschheit, der Film hätte eine durchweg gelungene Neuinterpretation werden können. Obwohl die Qualität des Originals nicht erreicht wird, reicht es aber immer noch für einen spannenden und vor allem in der ersten Hälfte atmosphärischen SciFi-Thriller. Es gab schon weitaus schlechtere Remakes in den unendlichen Weiten der Filmgeschichte.

(7/10 Punkten)

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