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In "Crank 2" haben sich die letzten Reste von Moral, die noch im ersten Teil rudimentär zu erkennen waren, endgültig verabschiedet. Während ein Vin Diesel - wie aktuell in "Fast & Furious 4" - innerhalb einer sonst eindeutig kriminellen Gruppierung moralische Standards hochhält, interessiert sich Jason Statham dafür keine Millisekunde.

Anders als im ersten Teil von "Crank", als Chev Chelios mit Verona (Jose Pablo Cantillo) noch einen direkten Gegenspieler hatte, der ihn an Sadismus und Verschlagenheit überbot, wühlt er sich hier nur durch einen Dreck von Egoismus, Promiskuität und Gewalt, die nur einen Hintergrund kennt - den der persönlichen Bereicherung und des möglichst kurzfristigen Vergnügens. In den wenigen Momenten, in denen Personen gezeigt werden, die nicht als schwer bewaffnete Gang-Mitglieder jeglicher Coleur, fette Gangsterbosse, Zuhälter, Pornodarsteller oder Prostituierte agieren, verbreitet deren Bürgerlichkeit auch nichts anderes, als die Sucht nach Selbstdarstellung und Sensation. Fast erstaunlich, dass es überhaupt noch Gesetzesvertreter gibt. Diese werden keineswegs von einem seriösen Aufklärungswunsch gepeinigt, sondern handeln ähnlich willkürlich und brutal wie die Gangster. "Crank 2" zeigt das Abbild einer komplett dekadenten Gesellschaft, durch die Chelios wie ein fleischgewordener Roboter wütet, der sich mit dem nächst größeren Stromstoss die Kraft für weitere Taten holt.

Die Absurdität der Ausgangssituation steigert noch diesen Eindruck. Der eigentlich (seit Teil 1) tote Chelios wird von einer asiatisch stämmigen Gang wiederbelebt, um seine Organe weiter zu verscherbeln. Schon die erste Szene, in der ihm bei vollem Bewusstsein das Herz entnommen wird, während Johnny Vang (Art Hsu) die offene Wunde als Ascher benutzt, verdeutlicht den gesamten Irrsinn. Vang erhält dann auch Celios' Herz, verstaut es in einem roten Kästchen, und macht sich davon, während der Doktor in der offenen Wunde ein künstliches Herz verstaut, um den Organspender frisch zu halten. Erst als sie ihm auch sein bestes Stück abmontieren wollen, beginnt Chelios sich aufzulehnen und macht sich auf den Weg, sein Herz (genannt "Erdbeertörtchen") wieder zu bekommen.

"Crank 2" strotzt vor Anspielungen auf andere Filme, die den Eindruck des Irrealen noch betonen sollen. Ob David Carradine wieder als Asiate auftritt, der rote Koffer, dem Chelios hinterher jagt, an den geheimnisvollen Aktenkoffer aus "Pulp Fiction" erinnern soll, Statham auf Grund seiner "Transporter"-Rolle erkannt wird oder sogar eine Art "Godzilla" Kampf innerhalb einer Pappmache-Kulisse stattfindet - "Crank 2" bemüht sich, einen unrealistischen und zunehmend an ein Computerspiel erinnernden Charakter aufzubauen. Doch gelingt dem Film das und welche Intention steckt dahinter ?

Es gibt genügend Beispiele für Filme, die als Satire auf den aktuellen Zustand der Gesellschaft verstanden werden wollten. "Crank 2" erinnert mit seiner nicht ganz menschlichen Hauptfigur und den Fernseheinblendungen ein wenig an Verhoevens "Robocop", verzichtet aber auf dessen moralischen Unterbau und entkommt damit üblichen Selbstjustiz-Vorwürfen, da Chelios keinen Tick besser sein soll, als die Personen, die er umbringt. So ist das Konzept, aber es funktioniert nicht, da Statham selbstverständlich als Sympathieträger funktioniert.

Neben dem Fakt, dass er als Filmstar ganz anders etabliert ist als die sonstigen Darsteller, wirkt er trotz aller Rohheit immer noch einen bisschen geradliniger, ästhetischer und in der Intention, sein Leben retten zu wollen, nachvollziehbarer bei seiner Vorgehensweise. So bewusst unkorrekt der Film sein will, indem er sämtliche Klischees und Vorurteile bedient, Frauen nur voyeuristisch mit der Kamera einfängt und gegen möglichst jede Regel des sogenannten "guten Geschmacks" verstösst, so verkörpert er doch unterschwellig ein typisches "weißes" Heldenbild, das auch durch die reisserische von vorwärts treibender Musik unterstützte Optik betont wird. Anders als im ersten Teil, als die Schnitte in ihrer nervösen Schnelligkeit den Zustand des Protagonisten verkörperten, dient diese Vorgehensweise hier nur noch der Vermittlung von dauerhafter Action.

Hätten die Macher es tatsächlich gewagt, ihren Hauptdarsteller unsympathischer wirken zu lassen, könnte "Crank 2" als böse Satire funktionieren, aber so erinnert der Film eher an das Lutschbonbon-Werbemotto "Ist es zu stark, dann bist du zu schwach", mit dem man sich selbst gerne als stark hinstellt. "Crank 2" bedient - mehr noch als sein Vorgänger - die Lust an überbordenden Schauwerten, an der Respektlosigkeit gegenüber gesellschaftlichen Regeln und dem Wunsch nach hemmungslosem Hedonismus und man kann dem Film in dieser Hinsicht nur gestalterische Konsequenz zubilligen. Genau deshalb genügt es nicht, den eigenen Spaß daran und die innere Unabhängigkeit hinsichtlich des darin vermittelten Weltbilds zu betonen, denn dafür ist der Film nicht annähernd so oberflächlich wie er zu erscheinen vorgibt, sondern bedient die Sichtweise, die er zu persiflieren vorgibt (1/10).

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