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Mit Reminiszenzen an Horror-Klassiker wie „Halloween“, „Rosemaries Baby“ und in diesem Fall vor allem „Das Grauen kommt um Zehn“ kann man jungen Genrefans kaum mehr kommen, die kennen meist nur die zweitklassigen Remakes und mögen es schneller, blutiger und härter.
Nun überrascht ausgerechnet Regisseur Ti West („Roost – Angriff der Fledermäuse“) die etwas älteren, um nicht zu sagen, betagten Zuschauer unter uns mit seiner Hommage an die Beiträge der Siebziger und frühen Achtziger.
Schade, dass die Story gegenüber dem gelungenen Handwerk ziemlich auf der Strecke bleibt.

Im Mittelpunkt steht die Studentin Samantha (Jocelin Donahue), die nicht nur eine neue Butze bezieht, sondern auch einen Job sucht. Da kommt ihr der Aushang für einen Babysitter gerade recht, doch als sie mit ihrer Freundin am abgelegenen Landhaus ankommt, entpuppen sich die Auftraggeber als altes Paar und die Obhut soll deren Mutter gelten.
Sam willigt dennoch ein und ahnt noch nicht, welch Grauen ihr in dieser Nacht (eine Mondfinsternis kündigt sich auch noch an…) bevorstehen wird.

Dass die Handlung in den Achtzigern spielen soll, ist unschwer zu erraten, was bereits durch die klobigen Credits in untypischem Gelbton verdeutlicht wird, während der Score stark auf verstaubt klingende Synthesizer setzt.
Auch die ersten Figuren fallen durch Föhnfrisuren, Stonewashed Jeans und dem Benutzen von Colabechern auf, die man heutzutage wohl in dieser Beschriftung kaum mehr antreffen dürfte.
Das Setting stimmt, die leicht körnige Bildqualität ist angemessen und Hauptfigur Sam wird innerhalb weniger Minuten etabliert, obgleich es leider eine ganze Weile benötigt, bis sie überhaupt in dem Haus ankommt, in dem sich der wesentliche Teile der Handlung abspielen wird.

Oberflächlich betrachtet geschieht bis auf die letzten zwanzig Minuten hingegen fast gar nichts.
Sam allein im Haus, von der alten Dame im Obergeschoss ist nichts zu sehen, doch der Fund eines Fotos löst in der jungen Frau zunehmend Angstzustände aus, die zum Finale auch gerechtfertigt werden.

Und an dieser inhaltlichen Tatsache werden sich wahrscheinlich die Geister scheiden, denn zugegebenermaßen hätte West ein wenig mehr auf die Tube drücken können, obgleich ihm das Zuspitzen einer beklemmenden Atmosphäre durchaus gelingt.
Denn es gibt kaum Anhaltspunkte, auf die ein ängstlichen Verhalten der Hauptfigur zurückzuführen ist, da sie nicht so viel weiß wie der Zuschauer, der zwischenzeitlich einem unvermittelten Splattereffekt außerhalb des Hauses beiwohnt und schon früh ahnt, was sich (nicht zuletzt aufgrund des Titels) während des Showdowns ankündigen dürfte.

Indes setzt man das Hauptaugenmerk auf Sam, ihr nicht immer sympathisches Verhalten, in der großräumigen Behausung einige Sachen zu erschnüffen und beim Tanzen mit dem Walkman eine Vase zu zerdeppern, - aber das gehört zum Spannungsaufbau, der sich zeitweise wie Realtime anfühlt.
Die Freundin/Fahrerin ist telefonisch nicht erreichbar, das Fernsehprogramm verschafft auch keine Ruhe und spätestens, als das Küchenmesser aus dem Block gehoben wird, muss es doch so langsam zur Konfrontation mit dem Bösen kommen.
West setzt hierbei jedoch nicht auf vordergründige Ereignisse wie mysteriöse Geräusche oder huschende Schatten, sondern vertraut auf die Empathie des Zuschauers, was Jocelin Donahue mit ihrer natürlichen Ausstrahlung größtenteils gelingt:
Focus auf eine Person, einen Ort und die darin immer merkwürdiger erscheinenden Umstände.

Dieses Konstrukt geht allerdings nicht ganz bis zum Finale auf, denn da mangelt es (auch für Zuschauer, die der bewusst altmodischen Inszenierung viel abgewinnen können) an Ereignissen, die die Dramaturgie merklich auf die Spitze treiben lassen.
Zumal es einige Hinweise im Vorfeld gibt, was sich denn während der letzten rund fünfzehn Minuten abspielen könnte, wenn das Tempo merklich gesteigert wird und die wenigen Gewaltszenen letztlich zum Einsatz kommen.
Schade auch, dass die Geschichte nicht so konsequent endet, wie man es sich an bestimmter Stelle gewünscht hätte, denn ein anderer Ausgang wäre durchaus treffender gewesen.

Dennoch gelingt es Ti West, mit seiner, nennen wir es mal Hommage, einen soliden Streifen zu kreieren, der zwar eine Menge Ausdauer erfordert und mit seiner halbherzigen Story nur teilweise punkten kann, doch auf audio-visueller Ebene erscheint der Stoff aus einem Guss.
Für die einen wird die an der Oberfläche mäandernde Inhaltslosigkeit zur reinen Geduldsprobe, für die anderen mag das vorsichtige Antasten eines Cembalos und das zaghafte Fortbewegen durch einen engen Flur wie reine Nostalgie erscheinen.
Ist am Ende eher eine Frage der Zielgruppe…
6 von 10

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