Ich weiß nicht, ob es sie wirklich gibt, die Meisterregisseure, die wirklich und immer einen großartigen Film abgeliefert haben. Das hat selbst Hitchcock nicht gekonnt. Tödlicher Segen macht Wes Craven, sofern er einem Meisterrang wirklich je gerecht werden konnte, also irgendwie menschlich, ist er doch voll von netten Ideen und Ansätzen, im Wesentlichen aber nicht als überdurchschnittlicher Film zu bezeichnen.
Der auf einer Geschichte von Glenn M. Benest und Matthew Barr basierende Blick in die entlegenden, ländlich-texanischen Gebiete, in denen die Sekte der Hittites streng gläubig im 18. Jahrhundert stecken geblieben ist, wiederholt auf eine gewisse Art Zivilisationskonflikte, die Craven schon in Hügel der blutigen Augen behandelt hat. Zwischen den Hittites und der von ihnen als Incubi gefürchteten, geistig etwas zurückgeblieben dargestellten Familie lärmen die Schmidts auffällig mit ihrem Traktor, bis der Mann des jungen Pärchens plötzlich vom diesem in seiner Scheune überrollt wird.
Tödlicher Segen stützt sich auf die Vorurteile gegenüber den gezeigten Stereotypen, spielt mit dem Zuschauer bei der Wahrheitsfindung in mysteriösen Mordfällen. Schauspielerisch stechen besonders der mit Bart und weit aufgerissenen Augen predigende Ernest Borgnine und der für einen Wahnsinnigen wie geboren erscheinende Michael Berryman heraus. In dieser Umgebung ist die strenge Lebensart, in welcher aus einem kleinen Gespräch mit einer städtischen Frau das dramatische Beziehungsende zweier verlobter Hittites wird, nicht nur erschütternd, sondern vor allem glaubwürdig.
Craven selbst fällt rückwirkend durch den Einsatz von Albtraumsequenzen auf, in denen der Tod und eine Spinne eine große Rolle spielen. Ferner inszeniert er den Angriff einer Schlange auf Maren Jensen in einer Badewanne. Diese Szene übernahm er später abgewandelt für A Nightmare on Elm Street.
Defizite gibt es vor allem auf Seiten der Montage. Ein perfektes Beispiel dafür wäre Berryman, der seines Schuhs verlustig auf Borgnine zuläuft. Beide stehen sich gegenüber. Wir sehen Borgnine an. Schnitt auf den Boden. Warum fehlt dem Vater plötzlich der Schuh? Würden wir nicht wissen, daß Berryman derjenige ist, würde uns die Kamera vorgaukeln, wir würden auf die Füße des Vaters blicken, weil wir vom Ausgangsbild nur davon ausgehen können, an der selben Person zu Boden zu schauen.
Getreu dieses Exempels wandelt Tödlicher Segen auf dem schmalen Grat zwischen ruppiger Manipulation und nachlässiger, um nicht zu sagen schlampiger, Mise-en-scène. Das Publikum wird hin und her geworfen zwischen glauben machen und in die Irre führen, um dann schließlich in einen Abgrund fallen gelassen zu werden, der sicher nicht vorhersehbar war, aber sich soweit vom eigentlichen Ansatz entfernt, daß kaum eine Harmonie mit den vorangestellten Szenen entstehen kann.
Mit viel Gutwill noch als Verfilmung eines gänzlichen Albtraums akzeptabel, muß man sich schon sehr auf Tödlicher Segen einlassen, um die theoretischen Mängel außer Acht lassen zu können. Genrefans könnte dabei aufstoßen, daß die Inszenierung eher träge und in der Gewaltdarstellung nicht sehr zeigfreudig ausfällt. Vielleicht als Experiment gedacht, wie weit man dieses Spiel mit dem Zuschauer treiben könne, ist es doch verständlich, daß dieser Film recht wenig Aufmerksamkeit erfährt.