Review

Gesamtbesprechung

Das Zeitreisen zählt zu den ältesten Menschheitsträumen und bietet dank Albert Einsteins komplizierter Relativitätstheorie, jede Menge Spielraum für Spekulationen zwischen Realität und Fiktion. Allerdings dürften die zahlreichen mathematischen Formeln und Theorien für die Meisten einen Tick zu trocken ausfallen. Deshalb mussten sich die cleveren Buchautoren und Filmemacher eine Strategie überlegen, um diesem durchaus mit Potenzial gesegnetem Thema den nötigen Pepp zu verleihen, um somit einen Zugang für die breite Masse zu schaffen. Spätestens seit Robert Zemeckis Meisterstreich Zurück in die Zukunft ist dieser große Wurf gelungen. Endlich konnte man den menschlichen Wunschtraum der Zeitreise - zumindest visuell in den Kinos - wahr werden lassen. Denn kaum ein anderes Werk zuvor hat dieses faszinierende Thema so perfekt aufgegriffen und filmisch verarbeitet, wie  es seinerzeit das bahnbrechende und visionäre Meisterwerk schaffte. Ganz ohne komplizierte Formeln, sondern mit einer fesselnden Story und sympathischen Charakteren, wusste es dieser Film seine Zuschauer zu verzaubern. Auch nach wie vor zählt der Klassiker von 1985, zu den bekanntesten Vertretern seines Sub-Geners und gilt für viele - selbst nach all den Jahren die nun seit der Uraufführung verstrichen sind - als unerreicht. So brauchte man seinerzeit, dank des gigantischen Erfolgs des Erstlings, auch keine Zeitmaschine um vorauszuahnen, dass ein zweiter und dritter Teil folgen musste. Doch neben der Zurück in die Zukunft Reihe, kündigten sich im unaufhaltsamen Lauf der Zeit viele weitere Filme an, welche sich munter dieser erfolgversprechenden „Formel ganz ohne Formeln“ bedienten.
Nun schreiben wir das Jahr 2011 und selbst nach 26 Jahren und unzähligen Werken über das Zeitreisen, konnte der Zahn der Zeit nicht an der Qualität des Klassikers nagen. Dennoch musste mal so langsam eine adäquate Neuinterpretation des Grundthemas gelingen, die sich zumindest nach Qualitätsgesichtspunkten in der Nähe des einstigen Kassenschlagers ansiedeln kann.
Mit Steins;Gate stand nun eine Anime-Serie in den Startlöchern, welche sich dieser Grundthematik annimmt und aufgrund der hohen Erwartungen eine enorm große Hürde zu überwinden hatte. Ob nun mit dieser Umsetzung ein weiterer Quantensprung im Sience-Fiction Gefilde gelingen konnte?
Nun ja, zunächst sei mal festzuhalten, dass es selbst mehrere Tage nach der Sichtung von Steins;Gate unglaublich schwer fällt, sich vom fesselnden Plot zu lösen. So unvorstellbar es auch klingen mag aber mit dieser Serie hat man nun vielleicht endlich den würdigen Vertreter gefunden, der in die mächtigen Fußstapfen von Zurück in die Zukunft treten kann. Aber zunächst mal von ganz vorn.
Im Mittelpunkt der Handlung steht der recht ungewöhnliche aber doch sehr sympathische Forscher Rintarô Okabe, der sich selbst als verrückten Wissenschaftler bezeichnet und leidenschaftlich gern futuristische Geräte entwickelt. Eines Tages findet in seiner Heimatstadt Akihabara eine wissenschaftliche Pressekonferenz zum Thema Zeitreisen statt. Da Rintarô an den Forschungsergebnissen des dozierenden Dr. Nakabachi sehr interessiert ist, möchte er zusammen mit seiner langjährigen Assistentin Mayuri Shiina die Konferenz besuchen. Im achten Stock läuft ihm dann rein zufällig die erfolgsverwöhnte Neurowissenschaftlerin Kurisu Makise über den Weg. Diese behauptet merkwürdigerweise, vor einer viertel Stunde mit Rintarô gesprochen zu haben, woran er sich allerdings partout nicht erinnern kann.
Während der Vorlesung gibt es dann eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen Rintarô und Dr. Nakabachi, woraufhin Rintarô völlig entnervt den Saal verlässt. Dann ertönt plötzlich ein lautstarker Schrei aus den oberen Stockwerken und der junge Wissenschaftler begibt sich sofort dorthin um nachzuschauen was passiert ist. Doch leider kommt jede Hilfe zu spät und so findet er die erstochene Kurisu Makise auf, die leblos in ihrer eigenen Blutlache liegt. Völlig entsetzt schickt Rintarô daraufhin seinem Labormitglied Itaru Hashida, die schreckliche Nachricht von Makises brutalem Mord via SMS. Was er jedoch nicht ahnen konnte, ist das sein Handy zu genau diesem Zeitpunkt an seiner neusten Erfindung – der Telefon-Mikrowelle – angeschlossen war. Dieses Gerät, welches auf den ersten Blick nur eine weitere nutzlose Erfindung zu sein scheint, soll sich später jedoch tatsächlich als funktionierende Zeitmaschine entpuppen.
Und schon bald wird Rintarô schlagartig klar, dass er durch seine neuste Errungenschaft dazu in der Lage ist, Nachrichten in die Vergangenheit zu schicken. Somit zeigte bereits seine erste SMS Wirkung, und veränderte folglich die Gegenwart. In dieser neu erschaffenen Realität wurde unter anderem die renommierte Wissenschaftlerin Kurisu Makise niemals getötet und tritt auch schon bald Rintarôs ambitionierter Forschergruppe bei. Doch mit der Macht das Hier und Jetzt zu ändern, drängt sich bei den Eingeweihten verlockend die Versuchung des Missbrauchs auf. Denn nur allzu leicht kann die Vergangenheit, durch nur eine einzige Nachricht dramatisch verändert und zu seinem eigenen Vorteil manipuliert werden. Als die Crew dann vom mysteriösen Internetforenguru John Titor - der doch tatsächlich behauptet ein Zeitreisender zu sein - auf die gruseligen Zeitmaschinen-Experimente der Organisation SERN aufmerksam gemacht wird, hacken sie sich prompt in deren Server und geraten schon bald an gefährliches Wissen, dass sie besser niemals in Erfahrung gebracht hätten.
Und ab hier verrate ich nichts mehr zur Handlung, da der Zuschauer nun selbst unvoreingenommen seine eigenen Erfahrungen mit dieser unglaublich packenden Serie machen sollte. Für wen sich schon die grobe Zusammenfassung der ersten drei Episoden spannend anhörte, der sollte erst abwarten was die Serie an Wendungen und bitteren Schlägen für den Zuschauer in den kommenden Folgen bereithält. Ja wirklich, diese Serie dürfte den ein oder anderen als chronischen Fingernägelkauer zurücklassen. Denn soviel Nervenkitzel und Spannung wurde selten in knapp 600 Minuten Lauflänge gepackt. Aber auch in Puncto Dramatik hat man einige schwere Geschütze aufgefahren. Denn die sorgfältig ausgearbeiteten Charaktere wachsen einem von Episode zu Episode immer mehr ans Herz. Somit kann auch so manche Szene ganz schön an die Nieren gehen. Gerade bei der Hauptfigur Rintarô Okabe, wurde sehr viel Wert auf dessen charakterlichen Entwicklungsprozess gelegt. Während er am Anfang noch für jeden Spaß zu haben ist und auch ansonsten ein witziger Zeitgenosse zu sein scheint, wird er schon bald vom bitteren Ernst der Lage eingeholt. Somit soll sich die lustige Stimmung der ersten Episoden, die noch sehr oft durch viele Komödienaspekte geprägt sind, dramatisch verändern. Denn mit dem Fortgang der Handlung weicht das beschwingte Grundgefühl einer nervenzerrenden und dramatischen Atmosphäre. Oftmals kippt, ähnlich unerwartet wie im viel diskutierten Psychohorror-Anime Higurashi no naku koro ni, die fröhliche Stimmung völlig um, wodurch unvorhersehbare Schockmomente keine Seltenheit darstellen. Natürlich bleiben auch weiterhin die humorvollen Einlagen nicht gänzlich aus, dennoch werden sie ungefähr nach einem Drittel der Serie sparsamer eingesetzt.
Doch bei allen Wendungen die der Plot für den Zuschauer parat hält, bleiben die mitunter schwerwiegenden Entscheidungen, welche die einzelnen Figuren zu treffen haben, dennoch immer nachvollziehbar und glaubhaft. Diese sind übrigens, alle für sich gesehen, einmalige und interessante Persönlichkeiten. Vor der Sichtung des Anime könnten zwar die zahlreichen Nebencharaktere auf dem Blatt augenscheinlich nach Stereotypen aussehen. Doch wer hier dem ersten Schein traut, der irrt gewaltig. Denn hinter jeder Fassade verbergen sich wahnsinnig facettenreiche Individuen, die nicht nur jeweils eine interessante und oft auch bewegende Vergangenheit erlebt haben, sondern auch für den Zuschauer sehr viele Überraschungen bereit halten. So kann der Zuschauer schnell mit jedem der sympathischen Protagonisten mitfiebern. Während Rintarô aufgrund seiner Erfindung das meiste Leid erdulden muss und er mit fortschreitendem Handlungsverlauf allmählich die Kontrolle verliert, müssen auch alle anderen Figuren ihre eigenen, oft sehr schmerzhaften Erfahrungen machen. Gerade diese emotionalen Momente wurden sehr ergreifend in Szene gesetzt und bleiben dem Zuschauer aufgrund ihrer Intensität garantiert für längere Zeit im Gedächtnis haften. Denn wenn sich ein einst lebenslustiger Mensch durch seine scheinbar ausweglose Lage langsam zu Grunde richtet, dann geht das mächtig unter die Haut. Also mein Appell an alle Zartbesaiteten: Legt schon mal eure Taschentücher bereit, denn an bewegenden Momenten mangelt es dieser brillanten Serie nicht.
Und wo wir schon mal bei Bewegungen sind: Die Animationen sind toll in Szene gesetzt und lassen wirklich keine Wünsche offen. Die geschmeidigen Bildkompositionen und das detailreiche Mienenspiel tragen hier zum hervorragenden Gesamteindruck bei. Da auch der Detailreichtum, den die Zeichnungen hergeben einfach nur enorm ausfällt, kann man dem Werk auch auf visueller Ebene nur die Höchstnote vergeben.
Was die Musik angeht so gestaltet sich Steins;Gate als sehr solide, aber dennoch eher unauffällig. Doch erfreulicherweise hat man gerade in den dramatischen Szenen eine wunderbare Musik parat, welche sich perfekt in die bedrückende Stimmung einfügt.

Fazit:
Steins;Gate ist eine Serie, welche jede Menge Schauwerte zu bieten hat.
Neben einer fesselnden und wendungsreichen Geschichte, fährt man ein umfangreiches Repertoire an interessanten Charakteren auf. Als besondere Stärke muss man den nicht vorhersehbaren Handlungsverlauf lobend erwähnen. Jeden Moment könnte sich ein noch so kleines Ereignis, folgeschwer als Kausalität einer Katastrophe herausstellen. Sowohl der Zuschauer als auch der Protagonist, sehen sich dann völlig ohnmächtig dem launischen Treiben des Schicksals ausgeliefert.
Chapeau! Selten konnte man bei einer Serie in einem solchen Maße mitfiebern.
Dank der genialen Geschichte und der ebenso einmaligen Charakterentwicklung, kann man diese Serie durchaus als neue Referenz bezeichnen. Endlich ist es Steins;Gate gelungen, eine Geschichte zu erzählen, die nicht nur an die Genialität von Zemeckis Meilenstein anknüpfen kann, sondern diese vielleicht sogar noch in einigen Belangen schlagen kann.

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