Die unglaublichsten Geschichten schreibt das Leben selbst. Eine Floskel, die man manchmal nicht als solche abtun kann. Mehr als vier Jahre verbrachte Nicholas Pileggi, um die Lebensbeichte des Verbrechers Henry Hill in ein Buchformat zu bringen. Aus "Der Mob von Innen" wurde in Zusammenarbeit mit Regisseur Martin Scorsese später "GoodFellas", ein filmisches Portrait des Innenlebens der Mafia.
Wir kennen die Bilder von Coppolas Familie in der "Pate-Trilogie". Das Verbrechen wurde hier mit Stil und Ehre verkauft, wodurch eine ambivalente Wirkung entstand. Was ist gut und was ist schlecht? Ist die Mafia wirklich eine Organisation, die nur parallel zu anderen anrüchigen Organisationen im Sinne einer Familie bis hin zur letzten Konsequenz handelt?
"GoodFellas" entmystifiziert die Mafia, als unnahbaren Mikrokosmos. Scorsese ist Moralist und dementsprechend dürften ihm die Erkenntnisse der Buchvorlage gefallen haben. Das Endprodukt ist aber keine plakative Suggestion. Der Film lässt Henry Hill (Ray Liotta) selbst erzählen.
Ein Niemand strebt nach hohen Zielen, weil er als Kleinkind schon sieht, welche Privilegien jene Leute in teuren Anzügen und den schmucken Autos genießen. Sie haben Stil, jeder hat Respekt vor ihnen und letztendlich wirkt es auch so, als ob die unantastbar im rechtsfreien Raum leben. In Liottas Synchronstimme hört man die Faszination für den Luxus, der die vorgestellten Mafiosi, wie eine Aura umgibt.
Schließlich gerät Henry Hill als Jugendlicher selbst in jene Welt, die von außen so mysteriös wirkt. Es ist einfach und schön, organisiert wie eine Familie. Henry tut seine Pflicht, erntet Lob und wird nie fallen gelassen. Solidarität ist allgegenwärtig. Dafür bekommt er Privilegien, die er sich als Kind sehnsüchtig gewünscht hat. Reichtum, Stil und Macht.
Die Verbrechen sind Staffage - der Preis für die Mitgliedschaft in einer wunderbaren Welt. Erschreckend nüchtern und kalt wirkt das Töten, die Beschreibung dessen, was mitunter nötig ist, um den Lebensstandard zu halten.
Der Aufstieg von Henry Hill erfolgt schnell. Er ist ein Teil der Familie. Sein Vorbild ist Jimmy "The Gent" Conway (Robert De Niro). Ein Mann, der gefürchtet und eindringlich charismatisch ist. Jimmy ist großzügig, jeder bekommt vom großen Kuchen einen Teil. Seine Karriere begann schon mit 11 Jahren, das Töten ist für ihn kein Problem mehr. Der Kaltblütigkeit steht Fürsorge gegenüber - das macht ihn so ehrenvoll. De Niro beherrscht seine Paraderolle, dementsprechend liefert er großes Schauspiel in Gestik und Mimik, die glaubwürdiger gar nicht sein kann. Ein stoisches Lächeln, die ausgestrahlte souveräne Ruhe und der nach unten gezogene Mundwinkel erzeugen einen markanten Ausdruck, den Henry genauso wahr nimmt, wie der Betrachter. Anders ist Tommy deVito (Joe Pesci), der als impulsiv kaltblütiger Killer charakterisiert wird. Doch irgendwie passen alle in dieses idyllische Familienbild, Ausrutscher und Probleme werden intern gemeistert. Brutalitäten sind Nebensache, wie sich schon in der Eröffnungssequenz zeigt, als Tommy, der erwachsene Henry und Jimmy im Auto sitzen und eine vermeintliche Leiche Lebenszeichen im Kofferraum von sich gibt. Messerstiche und Schüsse werden in ihrer kalten Art und Weise genauso empfunden.
Der Bruch folgt der wahnsinnigen Normalität erfolgt dann, als der Größenwahn überhand nimmt. Der Mythos beginnt zu bröckeln, die unantastbare Organisation zeigt ihr wahres Gesicht. Eine Familie, die sich nur so lange als solche verhält, bis sich Machtbereiche überschneiden und die Idylle in sich zusammenbricht.
Nun kommen die wilden Tiere aus dem Gehege, das an der Außenwand noch schimmert und ein Bild von großzügigen, solidarischen Menschen abbildet. Die Ambivalenz aus Faszination und Abscheu löst sich in Luft auf. Schwarzer Rauch steigt auf und symbolisiert den anbahnenden Krieg. Drogen lösen die formalen Strukturen des Zusammenhalts. Einzelkämpfer gebären,
Das Innenleben des Mikrokosmos Mafia birgt weniger Glanz und Stil in sich, als Coppola und Co. in der Vergangenheit vorgab. Unantastbare Menschen werden dekadente Wesen, animalische Raubtiere. Stil pulverisiert sich in archaischen Machtkämpfen und manifestierten Egoismus. Jeder steht sich selbst am nächsten und versucht seine eigene Haut zu retten. Scorsese lässt Bilder sprechen und erzählt die Geschichte genreuntypisch eher rasant, womit Längen geschickt vermieden werden. Sein altbewährtes Team aus Cutterin Thelma Schoonmaker und Kameramann Michael Ballhaus montieren bzw. filmen in gewohnter Hochqualität. Es sind eindringliche Momente, die mitunter aus langen Kamerafahrten resultieren. Schnell geschnittene Bilder und Sequenzen ergeben in der Gesamtheit eine atemberaubende Demontage, den Verfall des Protagonisten. Die Lebensgeschichte eines Verbrechers erzeugt Spannung bis zuletzt. Liotta zeigt Herzblut, indem er die Biographie von Henry Hill verinnerlicht - Gedanken und Emotionen teilt bzw. authentisch wirkend wiedergibt.
Es bleibt nicht mehr viel übrig von einer Faszination für die Mafia, wenn Martin Scorsese mit der Organisation filmisch fertig ist. Das Innenleben zeigt mehr, als die glanzvolle Hülle vortäuscht. Eine grandiose Zerstörung, ohne Wut, dafür mit sehr viel inszenatorischem Feingefühl.