"Deutsche Wertarbeit. Baujahr '56."
Abart des Provinzkrimi, eine Sonderform der Feierabendunterhaltung, die in den letzten Jahren in Buch, Film und Serien ihren erneuten Höhepunkt gefunden hat, theoretisch aber schon früh in den Neunzigern, dort vor allem noch mit heutzutage legendären, wenn auch belächelten, da damals ungewohnt regional eingefärbten Varianten wie Der Bulle von Tölz (1995–2009) oder Ein Bayer auf Rügen (1993-1997) ihren ersten Anfang nahm. Zu den Urgesteinen dieser Ära, auch noch bis heute überlebenden und durchaus den gleichen Erfolg habenden Produktionen gehören die ursprünglich recht seltsam betitelten, mittlerweile zum Sprachgebrauch gewordenen und so legitimierten Die Rosenheim-Cops. Eine inzwischen auf zwölf Staffeln angewachsene Krimiserie, die seit kurz nach der Jahrtausendwende, mit immer wieder wechselnden Ermittlerteam, aber selbst darin auch vielen Gemeinsamkeiten und so für den Zuschauer fassbaren Gepflogenheiten und wie zum Gewohnheitsrecht des festen Fernsehprogramms existiert. Aufgrund der Beliebtheit, die anhaltend, scheinbar aus dem Ärmel geschüttelt und ebenso scheinbar ohne jedwede Raffinesse dahinter kommt und angesichts des steigenden Bedarfes von lokalorientierter Berieselung in mundartlicher Volkssprache – Das Erste hat mit ihrer Heiter bis Tödlich Reihe eine ganz Dachmarke mit über ein halbes Dutzend diverser Varianten installiert – ist auch beim ZDF ein Ableger aus gleichem Hause und gleichem Schrot und Korn nur die einleuchtende Idee. Mord und Totschlag, und dann noch Ärger mit dem Vorgesetzten. Ja, mei und Ozapft is:
Der eigentlich aus Osnabrück stammende Robert Bähr [ Jan Dose ] fängt seinen Dienst als Kriminaloberkommissar neu in Garmisch-Patenkirchen als Kollege von Kriminalhauptkommissar Anton Wölk [ Thomas Unger ] und so beizeiten unter Druck stehend an. Nicht nur, dass Wölk in seinem Naturell unterschiedlicher nicht sein könnte, auch ist dort der Ärger mit der Staatsanwältin Claudia Wölk [ Franziska Schlattner ], der Noch-Gattin, und dem sowieso gegen diese Ehe seienden Oberstaatsanwalt Dr. Helmut Wetzel [ Holger Daemgen ], einem Fähnchen im politischen Wind, stetig vorprogrammiert. Auch die Spurensicherung, verkörpert durch Peter Falk [ Tim Wilde ] hält sich oft für den wichtigsten Mann im Team, was den beiden Nachzüglern, dem dicklichen Polizeiobermeister Franz Obermayr [ Christoph Stoiber ] und der Sekretärin und Mädchen für Alles Marianne Zaglmann [ Sara Sommerfeldt ] gottseidank noch abgeht.
Wie es sich gehört, wurde am Tag vor der Erstausstrahlung im Oktober 2012 der große Fernsehbruder zur offiziellen Einweihung der bis dahin noch jungfräulichen Bavaria Film GmbH Produktion gewählt. Die (überaus souveräne) spin-off Episode "Erben will gekonnt sein" aus der aktuellen Zwölften Staffel stellt den normalerweise in gut 100km Luftlinie entfernt befindlichen Kriminalhauptkommissar Anton Wölk und seine Noch-Frau Claudia, aus Garmisch-Patenkirchen, schon einmal dem sicherlich nicht abgeneigten, aber auch nicht Alles gleich aus der Hand fressenden Publikum vor. Ursprünglich in der Folge als erst möglichen Tatverdächtigen, was man aber schnell mit Marke und eben der Unschuld und so eigener Präsenz als widerlegbar quittiert. Der Rest der neuen Bande bekommt in der – mit überdurchschnittlichen Marktanteilen absolvierten – zusätzlichen Pilotfolge "Finks letzter Flug" der Die Garmisch-Cops, nach der absonderlich fidel intonierten Lustspielmelodie dann rasch sein eigenes schräges, da auf den ersten Moment entweder schlichtweg schlecht kopiertes, noch notbehelfsmäßig montiertes oder doch schon erstmal unsympathisch wirkendes, sicher aufgrund der Klischees aber eingewöhnendes Gesicht.
Denn die Konstellation und auch die architektonische Konstruktion des Reviers der direkten Hauptpersonen im Kreishauptort sind natürlich erstmal gleich, nur halt anders genannt, anders besetzt und farblich im zarten Gelb. Der heimische Kommissar als Hauruck und Hansdampf in allen Gassen. Dann der neu zugereiste, mit strengen Seitenscheitel und grün hinter den Ohren, der sich erstmal bewähren muss, weder richtig im Ort noch im Ablauf auskennt und der hausinternen Rangordnung noch ziemlich hinterher läuft. Der bessere Streifenpolizist, welcher anfangs nur am Rande seine knappen Kommentare geben darf, aber da schon wie ein Abziehbild wirkt. Die Sekretärin, die schlichtweg fehl besetzt oder auch fehl anvisiert, da viel zu albern in Szene gesetzt und auch zu laut dafür scheint. Selbst der Kellner / Besitzer der örtlichen Ausschankspeklunke als Lückenfüller ohne Funktion ist ident. Und die Staatsanwaltschaft als erste wirklich neue, dann aber auch richtig im Extrem geschriebene, schon verkrampft penetrante Zutat. Sowie die Spurensicherung, die sich ihr eigenes Süppchen kocht und eigentlich gegenüber allen Anderen den Alphamann am Riskieren ist.
Alles, was bei den seit nun halt auch einem ganzen Jahrzehnt aktiv arbeitenden Kollegen aus Rosenheim so locker und gottgegeben erscheint, lässt sich eben nicht, trotz gemeinsamer Autorenschaft und Erfahrung so einfach im copy & paste verschieben. Der Kriminalfall in der Gemeinde bayrischer Gepflogenheiten hat in der Pilotfolge durchaus seinen guten Aufhänger, erinnert im ersten Moment allerdings stark an Jörg Maurer und seine Kommissar Jennerwein Reihe, speziell Band 2: Hochsaison, der ebenfalls mit einem tödlichen Skisprung beginnt, zudem ebenso in Garmisch-Partenkirchen spielt und dessen filmischer Darsteller Martin Feifel aus der bisher einzigen Adaption Föhnlage. Ein Alpenkrimi (2011) hier auch prompt anwesend ist. Zudem wird in der Episode 8 namens "Happy End mit Leiche" auch ein lokaler Krimiautor mit mehr oder minder indirekter Ähnlichkeit Opfer seines (literarisch nicht wirklich angesehenen, dafür aber umso kommerziellen) Erfolges.
Mag das sicherlich Zufall sein und gehen die Ermittlungen dort und in den Episoden vorher und folgend trotzdem ihren routinierten, schnell die Zeit vorüber streichen lassenden Gang und kann man sich über zuwenig Hin und Her oder eine verkomplizierende Übersicht bestimmt nicht beklagen – vielmehr wird oft ein Personenwirrwarr in Hülle und Fülle aufgefahren und noch spät addiert, so dass man am Ende gar nicht mehr weiß, wer am Anfang noch alles dabei war – , hapert es gerade bei den Innenaufnahmen und dortigen Dialogszenen zumindest zu Beginn noch stark am, später mit leicht verbesserndem Geschick. Weißblaue Krimi-Geschichten, verkniffelte Angelegenheiten, titelmäßig amüsierend hervorgehoben wie "Das Harz in der Suppe", "Traktorfahrt in den Tod", "Badeschaum für einen Toten" oder "Happy End mit Leiche". Bleiben tut bei den kriminalistischen Tätigkeiten und so vorherrschend aber der Eindruck, dass Alles nur per Hin- und Hergerenne in den diversen Büros und so preisgünstig und zusätzlich mit auffallend notorisch schlechter Laune erledigt wird. Ungünstig zudem, dass die Räume selber wie schlechtes Theater halt übermäßig kulissenhaft, viel zu 'unbewohnt' bzw. 'unbelebt', zu hell und aufgeräumt erscheinen, auch macht sich durch Darstellung und Spiel zuweilen das abträgliche Gefühl einer biederen Soap breit. Ein Manko und gleichzeitig doch mit Stärke, dass durch die momentan kriselnde Ehe der eigentlich getrennten, aber zwecks Gütergemeinschaft zusammen in einer wirklich edlen und gleichzeitig beschaulichen, pensionsartigen Zwei-Etagen-Residenz lebenden Antagonisten Wölk (und "Wölkchen", wie der Spitzname der ehemals noch liebkosten Frau nun mal heißt) hervor- und so das Private betont wird, siehe auch ähnlich, aber weniger fortgeschritten auch die zeitgleiche Konkurrenz um Heiter bis Tödlich: Akte Ex usw.
Dabei ist Sie hier deutlich der Mann im Haus, die die gerade vollziehende Trennung nach Ratgeberbuch "Scheidung mit Köpfchen" und im Besitz der besseren Berufslaufbahn, des höheren Gehaltes und auch des Hauses, indem Er nur noch zur Untermiete oben im Dachgeschoss hausen darf, durchzieht. Zusätzlich kommt dort auch noch das entnervende Verhalten des alles um sich scharen müssenden Oberstaatsanwaltes als unangenehmer Karrierist, Platzhirsch per Stellung, engster Mitarbeiter und direkter Vorgesetzte der eigentlich ja wieder auf dem freien Markt befindlichen Staatsanwältin noch in das Peinliche, aber, immerhin so auch in das sonst stetig fehlende Emotionale hinein gesteigert wird. Entwicklungen in personeller Hinsicht sind in dieser recht angespannten Stimmung allerorten durchaus gegeben und auf Dauer gar nicht so uninteressant wie zu Beginn gedacht; gerade deswegen, das sonst eher das Statische, aseptisch - Formelhafte und so das Hier und Jetzt ohne Zukunft stagniert.
Pluspunkte fährt dafür uneingeschränkt die Alpspitz - Gegend im zentralen Werdenfelser Land und das Vermögen der Kamera auf, dies auch in all ihrer sattgrünen Pracht, der vollen Weite der Landschaft und der tollen Behausungen, sowohl vorne als auch hinten in der Ferne des Bildes zu offerieren. (Passau oder Landshut standen auch in der engeren Auswahl für den Schauplatz.) Ein majestätischer, verschlafener, dem Heimat- und dem Trutzburgherz alles bietender Urlaubsort par excellence, der nicht umsonst die Touristen verzückt und als Namensgeber der neuen Senderhoffnung bestimmt wurde. Ein buchstäbliches "Mordsdorf".