In unserer Zeit wird viel von Ironie und Humor geredet. Besonders von Leuten, die nie vermocht haben,
sie praktisch auszuüben. (Søren Kierkegaard)
Soll heißen: Deutscher Humor ist, wenn man trotzdem nicht lacht (Sigismund von Radeki). Oder anders: Meistens echauffieren sich solche über substanzlosen Spaß, die selbst nie gelernt haben zu lachen. Da soll alles immer unbedingt auf ein gesellschaftliches Problem hinweisen oder wenigstens tiefsinnig in einen Kontext gestellt werden können, der anschließend natürlich der dringenden Analyse bedarf. Doch das sonderbare Allstar-Projekt „Movie 43", das als wahrer Regie-Staffellauf daherkommt und vierzehn verschiedene Storylines mit einer an den Haaren herbeigezogenen Geschichte verknüpft, stellt trotz des namhaften Casts völlig unprätentiös die Gretchenfrage: Kennst Du das Gefühl, mit schmerzendem Bauch lachend auf den Boden zu rutschen? Oder wäre dir so etwas unangenehm? Stehst du auf Party? Oder bist du schon so richtig gehörig unterhalten, wenn dir ein Film ein Schmunzeln entlockt?
„Der Witz soll daraus entstehen, dass Privates öffentlich und auf diese Weise Scham lächerlich gemacht wird. Doch der gezielte Bruch von Bildertabus allein ist noch nicht komisch und zeugt nur von der Verklemmtheit des Konzepts. Auch die bemerkenswerte Anzahl namhafter Hollywood-Stars macht den derben Humor nicht goutierbarer." (Lexikon des Internationalen Films)
Wenn man sich so die allgemeine feuilletonistische Reaktion auf diese Blödel-Komödie ansieht, dann weiß man wieder, warum man sich so selten die allgemeine feuilletonistische Reaktion auf Komödien ansieht. Mit dem Humor eines Schwerstdepressiven wird da dem zünftigen Spaß, der kritisch nichts verrührt und politisch zu nichts führt, der wohlverdiente Garaus gemacht. Anstößig, das wissen (besonders) wir Deutschen, geht gar nicht. Kultiviert soll es bitte sein. Und trotz andernorts gern gesehener Gesellschaftsschelte ja nicht ungebührlich werden. Denn das schickt sich nicht, sagt der konkrete Mensch mit dem abstrakten Geschmack. Doch leider gehört hier hin, was sich nicht gehört. Es wird nämlich ganz schön obszön.
Zwei Teenager wollen den hochintelligenten Nachbarsjungen, einen Computerfreak und Hacker, auf die Schippe nehmen. Also lassen sie ihn im Netz nach dem von ihnen erfundenen, angeblich streng geheimen „Movie 43" suchen. In der Hoffnung, dass er an dieser Aufgabe verzweifelt. Brenzlig wird es, als sich herausstellt, dass es tatsächlich einen Film gibt, der zufällig diesen Titel trägt. Und zwar der angeblich meist verstörende Film aller Zeiten - ein gefährliches Darknet-Projekt. Und an den kommt man nicht so leicht ran. Doch der Kleine gibt sein Bestes. Auf dem Weg zum Ziel stößt man auf diverse andere Filmchen, die ausnahmslos anstößig und unmoralisch sind. Und die werden vom Skript frech und ohne weiteren Zusammenhang, sozusagen als reiner Ideensalat aneinandergereiht. Ein wenig wie bei den Filmen der schlüpfrigen Sorte. Da ist zum Beispiel eine verliebte junge Frau, die ihren zukünftigen Ehemann um einen sexuellen Gefallen bittet, der nicht ganz alltäglich ist. Sie will, dass er „auf sie scheißt". Und das nicht im übertragenen Sinne. Dem davon völlig überrumpelten Partner stinkt zwar die Sache, doch gibt er sein Bestes, der Dame seines Herzens ihren Wunsch zu erfüllen. Die Aktion geht aber in die Hose. Dann ist da in einer anderen Episode eine Katze, die mit ihrem Herrchen Sex haben möchte. Doch bevor sie ans Ziel ihrer versauten Träume kommt, muss sie dessen Freundin beseitigen. Denn an einer Ménage-à-trois ist sie nicht interessiert. Oder wir erleben Halle Berry, wie sie sich während eines abendlichen Blind-Dates beim Spiel „Wahrheit oder Pflicht" schönheitsplastisch in ein Stück Plastik verwandelt.
Was sich Flunder platt anhört, ist es auch. Mindestens. Und ohne jede Diskussion. Es ist schmutzig, unsittlich, ordinär, schamlos und wüst, was hier passiert. Und doch ist es zum Schießen. Denn die Reihe der namhaften Darsteller, die dieses Projekt adeln, lässt schon vermuten, dass hier nicht gekleckert wird beim Inszenieren. Richard Gere, Hugh Jackman, Halle Berry, Gerard Butler, Uma Thurman, Naomi Watts, Kate Winslet, Terence Howard, Elizabeth Banks, Kristen Bell und viele andere wollen hier offenbar beweisen, dass sie nicht nur Spießbürgerliches fabrizieren können, sondern auch für einen durchaus gewagten Spaß zu haben sind. Einem Spaß, demgegenüber ein großer Teil der Filmwelt keine Gnade walten lassen wird. Sicher, den Zenit ihrer Karriere haben einige der hier Beteiligten inzwischen überschritten, sonst hätten sie nicht nur mit Blick auf das Budget schwerlich rekrutiert werden können. Doch darf man ruhig trotzdem ordentlich loben, denn ein humoristisches Vakuum der Marke Mariah Carey fühlt sich kälter an. Die einzigen beiden, die wirklich passen in die lange Reihe der hier den Mittelfinger ausfahrenden Leinwandgrößen, sind Tommy Knoxville und Seann William Scott. Vor allem der Jackass-Star hat sicherlich schon Schlimmeres erlebt und fühlt sich an der Seite seines alten Filmbuddys Scott („Ein Duke kommt selten allein", 2005) pudelwohl und in seinem Element. Spätestens jetzt merkt man, wo der Hase hin hoppelt. Wer mit Zotigem nichts anfangen kann oder Sexwitzchen unangenehm findet, lässt besser die Finger von diesem komödiantischen Großangriff auf die guten Sitten. So abwechslungsreich und außergewöhnlich er auch dargeboten wird.
Es ist unmöglich, witzig zu sein ohne ein bisschen Bosheit. Die Bosheit eines guten Witzes ist der
Widerhaken, der ihn haften lässt. (Richard Brinsley Sheridan)
Was ist eigentlich Bosheit? Vielleicht allgemein der Verstoß gegen gesellschaftliche Norm. Also wenn dem so ist, dann ist „Movie 43" böse. Und wenn er „böse" ist, ist er ja vielleicht doch nicht ganz so „schlecht". Womöglich sogar „gut"? Aber genug der durchsichtigen Versuche, dem potentiellen Kritiker eine Lektion in Rabulistik und Wortklauberei zu erteilen. Humor ist mit Sicherheit immer Geschmacksache. Aber eben auch, wenn man trotzdem lacht. So sagte Märchenonkel Charles Dickens einst, dass echter Humor in seiner abgeklärten Weisheit die Welt hinnähme, wie sie sei, und nicht danach trachten würde, sie zu belehren. Das hört ein waschechter Moralapostel aber gar nicht gern. Dann flüstern wir es eben. Oder eben nicht.