„Schöner Quatsch"
Schicke Bilder machen noch lange keinen guten Film. Diese Weisheit hat natürlich schon ordentlich Patina angesetzt, erblickt allerdings ein neues Referenzwerk das Licht der Filmwelt, dann kann man sie schon mal wieder hervorkramen. Ridley Scott heißt diesmal der Übeltäter, ein Mann mit reichhaltig Erfahrung im Style-Over-Substance-Gewerbe möchte man beinahe schon reflexartig sagen, sah er sich doch in seiner langen Karriere recht häufig diesem Vorwurf ausgesetzt.
Das war bei intensiverer Beschäftigung mit seinem Werk allerdings meist nicht fair, denn wer sich durch eine opulente Bildsprache auszeichnet, muss noch lange kein schlechter Geschichtenerzähler sein, zumal auch die Optik narrative Funktionen übernehmen kann. Ohnehin wird ehemaligen Werbefilmern, wie eben Scott, vom hochnäsigen Feuilleton gern von vornherein Substanzlosigkeit unterstellt, ein plakatives Vorurteil, das nicht nur Scott schon mehrfach widerlegt hat.
So lieferte er mit „Blade Runner", „Alien", „Gladiator" und „Black Hawk Down" nicht weniger als vier unumstrittene Genreklassiker ab, die diesen Status auch auf absehbare Zeit garantiert nicht verlieren werden. All diese Filme leben sicherlich von ihren meisterhaft arrangierten Bildkompositionen, sie verfügten aber auch sämtlich über ein starkes Drehbuch als Fundament. Und genau das ist das Problem von „The Counselor".
Als seinerzeit bekannt wurde, dass Ridley Scott ein Originaldrehbuch des in den USA Heiligengleich verehrten Autors Cormac McCarthy verfilmen würde, schoss die Erwartungshaltung in den Himmel. Nichts weniger als ein Meisterwerk schien quasi vorprogrammiert, wenn der visionäre Bildgestalter Scott auf den nicht minder stilversessenen Wortgestalter McCarthy trifft. Dessen drastische Wortwahl und sein Faible für mythische Figuren und Konstellationen am düsteren Rand der US-Gesellschaft hatte unlängst („No country for old men", 2007) den Coen-Brüdern zu einem fulminanten Erfolg sowohl bei Kritikern (u.a. 4 Oscars) wie auch beim Publikum verholfen.
Und auf den ersten Blick gibt es eine Menge Parallelen zwischen „No Country for old men" und „The Counselor". In beiden Fällen verstrick sich der Antiheld in ein schicksalhaftes Gemisch aus Gier, Verbrechen und moralische Grauzonen. Im Mittelpunkt steht hier wie da ein missglückter Drogendeal, der eine Kette brutaler Aktionen in Gang setzt, die fast alle Figuren unaufhaltsam in den Abgrund reißen. So viel zu den Gemeinsamkeiten.
In „The Counselor" setzt McCarthy weit mehr auf dialogische Auseinanderstzungen und scheitert damit grandios. Gestelztes Schwadronieren über Tod, Schicksal und Verderben - das noch dazu nicht selten in pseudo-philosophischem Gebrabbel endet - wechselt sich mit betont vulgären und erschreckend banalen Gesprächen über Sex sowie belanglosem Geplauder über krumme Geschäfte ab. Nicht nur, dass die Texturen dieser verbalen Ergüsse so gar nicht harmonieren wollen, sie zeichnen sich auch größtenteils durch ihre substanzlose Geschwätzigkeit und Einfältigkeit aus. Ob der dafür verantwortliche Pulitzerpreisträger senil, größenwahnsinnig, oder einfach nur gelangweilt zur Tat schritt ist letztendlich einerlei. Unter dem Strich bleibt blödsinniges Gequassel.
Als wäre das nicht schlimm genug, malträtiert McCarthy den armen Scott aber auch noch mit einer aufreizend simplen und stinklangweiligen Geschichte um einen Gangster-Anwalt, der sich auf einen Drogendeal einlässt, um seiner Freundin einen aufwändigen Lebensstil zu ermöglichen. Michael Fassbender wird an diese schlecht und uninteressant geschriebene Figur verschwendet. Penelope Cruz darf nicht mal das und hat als Modepüppchen ein paar aufreizend unterfordende Auftritte.
Ihnen gegenüber stehen Javier Bardem als Auftraggeber Reiner und Cameron Diaz als dessen exaltierte Geliebte Malkina. Während der Spanier als Gangster-Geck mit schrillen Outfits und grotesk aufgestellter Haarpracht immerhin süffisant sein Bad-Guy-Image kolportiert, ist Diaz als eiskalter (nicht nur Männer-)mordender Vamp eine krasse Fehlbesetzung und stellt zum wiederholten Man buchstäblich aufreizend ihr nicht vorhandenes Schauspieltalent zur Schau. Bleibt noch Brad Pitt, der als einziger in seinem Vermittler-Cameo einen halbwegs interessanten Charakter abbekommt und diese Chance dann auch nutzt.
Ridley Scott bebildert diese Banalität mit exquisiten Einstellungen, die v.a. den lediglich äußeren Glanz dieser durch und durch verkommenen Welt herausstellen. Da McCarthy aber narrativ einen peinlichen Offenbarungseid leistete, läuft Scotts Optik ins Leere und kann der nicht vorhandenen Substanz keinerlei Impulse geben. Das ist zwar schick und handwerklich auf höchstem Niveau, aber ohne Äquivalent auf Drehbuchseite letztlich ebenso belanglos.
Scott ist mit Sicherheit kein schlechter Regisseur, hatte aber schon so manches Mal kein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Geschichten. Um Großes zu erschaffen braucht er ein starkes Skript. Ist es aber so erschreckend schwach wie Corman McCarthys selbstverliebter Gangster-Trash, dann kann auch er nichts mehr reißen. Der Style-Over-Substannce Vorwurf ist bei „The Counselor" also sicherlich noch geschmeichelt, Schuld daran trägt aber in erster Linie der völlig versagende Autor.