„Der Spion, der vom Schreibtisch kam"
Jack Ryan der Vierte. Nach Alec Baldwin, Harrison Ford und Ben Affleck darf nun also Chris Pine den schlagkräftigen CIA-Analysten aus der Feder Tom Clancys geben. Prinzipiell keine schlechte Idee, schließlich liegt der letzte wirklich gute Ryan-Film 20 Jahre zurück ("Das Kartell") und der über 70-jährige Harrison Ford steht (glücklicherweise) nicht in Verdacht nach Indiana Jones auch diese Rolle wieder aufleben zu lassen.
Zudem hat Pine durchaus Erfahrung mit großen Fussstapfen, schließlich durfte er den berühmtesten Raumschiff-Captain der Filmgeschichte beerben, wobei er sich bisher gar nicht mal so schlecht angestellt hat. Auch der mit ihm häufig in Verbindung gebrachte Vorwurf eines nichtssagenden Äußeren bzw. wenig erinnerungswürdigen Auftretens prädestiniert ihn geradezu für die Rolle. Schließlich soll er als Agent möglichst unauffällig wirken und ist zudem ja auch noch ein passionierter Papiertiger.
Die Gefahr des Scheiterns besteht also weniger aufgrund des vermeintlich zu blassen Hauptdarstellers oder des bedrohlichen Schattens eines meisterlichen Vorbilds. Schon eher verwundert diese Wiederbelebung aus Timing-Gründen. Abgesehen von der sich gegen sämtliche Zeitgeist-Phänomene vollkommen immun zeigenden Kinoikone James Bond, hat der klassische Agententhriller ordentlich Patina angesetzt. Seit die knallbunten Superhelden alljährlich unter riesigem CGI-Gedöns das Böse in der Welt bekämpfen, ist es verdammt eng geworden auf dem heroischen Testosteron-Spielfeld. Da kann es schon mal passieren, dass man müde lächelnd durchgewunken wird, wenn man „lediglich" mit Pistole und Dienstmarke bewaffnet zum Kampf antritt. Wer allerdings meint - wie kürzlich John McClane - auf den hyperaktiven und Konsolen-inspirierten Schnellzug aufspringen zu müssen, der wird ähnlich müde belächelt, wenn nicht gleich mit Nichtachtung abgestraft.
Eine geradezu unmögliche Mission also, zumal sich in diese Nische auch schon Ethan Hunt gequetscht hat. Immerhin konnte man den Shakespeare-erprobten Kenneth Branagh gewinnen, der zudem mit dem ersten "Thor" bewiesen hat, dass er auch Trend-Blockbuster kann. Geholfen hats leider nicht allzu viel.
Vielleicht hätte Branagh seinen opernhaften Inszenierungsstil und seine launige Schauspielerführung auch in „Jack Ryan - Shadow Recruit" durchziehen sollen. Möglicherweise hätte er dem schwächelnden Genre so einen erfrischenden Neuanstrich verpassen können. Herausgekommen ist dann eben doch wieder nur ein grundsolider, dank seiner Ernsthaftigkeit aber auch recht biederer Agententhriller nach alt(bewährt)em Muster.
Auch die eigentliche Handlung ist nicht sonderlich originell. Wieder mal geht es um einen geplanten Terrorangriff auf die USA und ihre freiheitliche Lebensweise. Das Böse ist diesmal nicht im Nahen Osten, sondern im in dieser Hinsicht zunehmend beliebter werdenden Russland beheimatet. Nicht religiöser Fanatismus ist die Triebfeder, sondern wirtschaftliches und machtpolitisches Konkurrenzdenken.
Der nach einer Kriegsverletzung zum CIA-Finanzanalysten umgeschulte Jack Ryan entdeckt verdächtige Transaktionen und wird von seinem Mentor Harper (Kevin Costner) kurzerhand ins Außendienst-Feuer geworfen, um vor Ort in Moskau entsprechende Beweise zu besorgen. Natürlich erweist sich der als Computerspionage verharmloste Job als Himmelfahrtskommando, bei dem Jack sehr schnell gezwungen ist, Tastatur gegen Schusswaffe auszutauschen.
Branagh erzählt die formelhafte Handlung schnörkellos und in schicken Hochglanzbildern. Die Actionsequenzen sind spärlich, aber bei dem Bond-erfahrenen Vic Armstrong in besten Händen und dementsprechend kompetent inszeniert. Einfallsreichtum, oder fulminante Schauwerte sollte man aber nicht erwarten.
Schauspielerisch bleibt nur Kevin Costner in Erinnerung, der als Ryans Führungsoffizier aus jeder Pore Souveränität und Erfahrung verströmt. Pine und Branagh selbst als sein Gegenspieler Cherevin liefern durchschnittliche Vorstellungen, werden aber vom formelhaften Skript nicht gerade mit ausgefeilten Figurenzeichnungen gefüttert. Das gilt auch für Ryans Verlobte Cathy, die recht bemüht in Jacks Einsatz hineingeschrieben wurde und von einer offenbar inzwischen dem Hollywoodschen Magerwahn verfallenen Keira Knightley erschreckend blass und schwach abgespult wird.
Für eine aufregende und vor allem zukunftsträchtige Neuinstellation der Jack Ryan-Serie ist das alles etwas dürftig, dem gemütlichen Thrillerabend ohne größere Ansprüche genügt es aber. Pine werden wir sicherlich in Zukunft öfter am Steuer der Enterprise als am CIA-Schreibtisch sehen, ein Verlust für den Filmfreund ist das nicht. Fans ebenso tougher wie gewitzter Geheimagenten bleibt dagegen die beruhigende Gewissheit: „James Bond will return. Promised!"