Der Berg grummelt, der Berg spuckt, der Berg begräbt die ganze Stadt unter einer Schicht aus Asche, Bimsstein, Schlamm und Glutlawinen. So viel zum relevanten Plot von Paul W.S. Andersons „Pompeii". Ach ja, in der ersten, eigentlich überflüssigen Stunde turnen allerlei menschliche Knallchargen durch die bunten Antik-Kulissen. Offenbar sollen wir uns mit ihnen identifizieren, um dem Schrecken des Vulkanausbruchs emotionale Tragik und Tiefe zu verleihen. Da wir aber am Ende regelrecht erleichtert sind, dass der CGI-Vesuv wirklich alle erwischt hat, muss da irgendetwas schief gelaufen sein.
Gut, dass uns Anderson nicht unbedingt mit vielschichtigen, von großer Schauspielkunst zum Leben erweckten Charakteren beglücken würde, war irgendwie abzusehen. Schließlich hat er bisher vornehmlich eine ausdruckslose Kampfamazone auf uns losgelassen, die kürzlich zum fünften Mal fröhlich durch eine Horde postapokalyptischer Zombies pflügte. Mit der guten Alice kann man sich auch wunderbar identifizieren, schließlich hat man wie sie längst den Überblick verloren worum es bei den löchrigen Plots und den sich ständig widersprechenden Querverweisen eigentlich geht.
Leider hat Paul dieses „Erfolgsrezept" nun auch auf seinen Antikfilm-Ausflug übertragen, mit entsprechend desaströsen Auswirkungen. Das fängt schon mit dem Gladiator-Beau Kit Harrington an. In einer denkwürdigen Milla Jovovich-Gedächtnisperformance toppt er noch deren geistloses Dauerklotzen und punktet einzig und allein mit seinem aufgepumpten Fitnessstudio-Body. Als Kelte Milo darf er zudem die ähnlich blöd dreinschauende Cassia (Emily Browning) anschmachten, was immerhin für ordentlich Erheiterung sorgt, bis Papa Vesuv endlich den Deckel draufspuckt. Dass die Romanze zwischen einer vornehmen Römerin und einem brittanischen Sklaven jeglicher historischer Plausibilität entbehrt, geschenkt. Dass uns diese aber mit Dialogen auf Baumschulniveau und einem fremdschäm-oscarverdächtigen Pferdeflüsterer-Subplot verkauft wird, bringt die Lava dann aber ordentlich zum Kochen. Da will dann Kiefer Sutherland auch nicht mehr als Spielverderber nerven und gibt eine absurd-comichafte Vorstellung als Senatoren-Arsch Corvus.
Aber Anderson setzt noch einen drauf. (Un)Frei(willig) nach dem Motto „Nach mir die Sintflut" drängt er uns den Vergleich mit Ridley Scotts „Gladiator" auf und begräbt damit „Pompeii" unter einem Meteoritenhagel an Peinlichkeiten. So legt er Milo als unverblümte Kopie des Maximus an und kupfert dessen Gladiatorenlaufbahn praktisch eins zu eins. Keine Szene lässt Paul aus, von den ersten Kämpfen in der Provinz bei denen der wortkarge Held zum Publikumsliebling avanciert, bis zu seinem Engagement in der großen Arena, bei dem er sich mit einem dunkelhäutigen Muskelprotz anfreundet und im großen Finale ein inszeniertes Gemetzel in einen grandiosen Sieg der Sklaven verwandelt und so dem sicheren Tod entgeht, bis zum Shodwon mit seinem Erzfeind Corvus (alias Commodus in „Gladiator"), der einst seine Sippe ermorden lies.
Letztlich weiß man nicht, weshalb man sich mehr die Augen reiben muss. Ist es die schamlose Dreistigkeit eines mehrfachen Szenenklaus mitsamt Bildkomposition und Dramaturgie? Oder ist es die an Größenwahn grenzende Dummheit zu glauben, sich mit einem Meister wie Ridley Scott messen zu können? Auch die Idee mimische Durchschnittsware wie Kiefer Sutherland und v.a. Kit Harrington gegen Schauspiel-Titanen wie Joaquien Phoenix und Russel Crow antreten zu lassen, zeugt nicht gerade von Realitätssinn geschweige denn Cleverness.
Wenigstens bleibt Anderson dem „Gladiator"-Plagiat konsequent treu und übernimmt auch die zahlreichen historischen Schlampereien bzw. Ungenauigkeiten des großen Vorbilds. Da Scott allerdings ein großartig gespieltes Drama mit herausragender Bildgestaltung und perfekter Musikuntermalung gelang, während Anderson ein unfassbar schlecht geschriebenes Laientheater in einfallsloser Optik und lärmendem Kitschbombast aufführt, fällt dieser Umstand ungleich schwerer ins Gewicht.
Die römisches Phantasieuniformen sind da noch das geringste Übel. Dass er eine vollbewaffnete römische Armee auf italischem Boden kampieren lässt und Pompeii als Konkurrenz zum Moloch Rom inszeniert, ist da schon deutlich ärgerlicher. Worum es Anderson aber wirklich geht entlarvt die völlig abstruse Idee, eine gigantische Flutwelle durch Pompeii schwappen zu lassen. Hier kann sich der CGI-Fetischist endlich ordentlich austoben und zu den Gesteinsgranaten, Feuerraketen und dem Ascheregen auch noch das kühle Nass mitsamt vermeintlichen Fluchtschiffen auf die malträtierte Stadt loslassen. Das ist, zumal in 3D, ganz nett anzusehen, entbehrt aber jedweder historischer Authentizität und mutet bei dem gewählten Thema mehr als seltsam an.
Wenigstens endet der Film historisch korrekt mit dem totalen Sieg des Vesuv. Anders als für die armen Menschen im Jahre 79 ist dies für den heutigen Filmzuschauer aber eine gute Nachricht. Schließlich hat der Vulkan wirklich keinen verschont, so dass ein Sequel mit den „Helden" dieser Geschichte selbst für Hollywood schwierig werden dürfte. Und glücklicherweise ist der aus der Asche entstehende „Phoenix" eine ganz andere Geschichte. Hoffentlich weiß das auch der gute Paul.