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„Lass das mal den Papa machen, denn dann wird alles gut!"

Fremdschämen muss nicht zwangsläufig wehtun. Es kann sogar äußerst erheiternd sein. Bestes Beispiel hierfür sind die fünf Staffeln der bitterbösen Bürosatire „Stromberg". Dort  trampelt der Abteilungsleiter einer fiktiven mausgrauen Versicherungsgesellschaft  - der „CAPITOL" - fröhlich auf breit ausgetretenen sexistischen, rassistischen und sämtlichen anderen politisch unkorrekten Pfaden und kommt erstaunlich häufig damit durch. Aber Stromberg ist nicht einfach nur das sprichwörtliche Chef-Arschloch, das sich selbst am nächsten steht und völlig emotionslos über Leichen marschiert. Er hat auch eine duckmäuserische und anbiedernde Seite, die ihn zwar nicht sympathischer, aber dafür immerhin menschlicher macht. Hin und wieder blitzt dann sogar auch mal so etwas wie ungeheuchelte Empfindsamkeit auf.

Ein genialer Schachzug der Serie ist es, diese in Form einer Dokumentation zu erzählen, die den Titelhelden per Kamera auf Schritt und Tritt in seinem Büroalltag begleitet und alle Angestellten immer wieder auch in Einzelinterviews zu Wort kommen lässt. Vor allem Stromberg läuft hier zu verbaler Höchstform auf und drischt hemmungslos auf sämtliche Konventionen pfeifende Phrasen, die vor Zynismus, Sarkasmus und Egoismus nur so triefen. Dass viele ihren Vorgesetzten zumindest eine ähnliche Gedankenwelt unterstellen, macht neben der enormen Fettnapfdichte den großen Erfolg des Formats aus.

Der Sprung auf die große Leinwand ist trotzdem mehr als gewagt. Denn es ist bedeutend einfacher den beißenden Humor in einer verdichteten Situation einer 20-minütigen Episode auf die Spitze zu treiben, als über Spielfilmlänge treffsicher zu bleiben. Zwar zieht sich auch durch jede Staffel eine bestimmte Grundhandlung, die aber letztlich lediglich als roter Faden fungiert, an dem sich die thematisch sehr unterschiedlichen Folgen entlang hangeln. Häufig steht der Kinoadaption auch das größere Budget und das breiter avisierte Publikum im Weg. Gerade bei einer Serie die auf Bissigkeit und derbe Sprüche baut, ist die gängige, auf Massenkompatibilität abzielende Weichspültaktik geradezu Gift.

Was in dieser Hinsicht schon einmal beruhigend war, ist das bewusste Zurückgreifen auf das sogenannte „Crowdfunding". Und tatsächlich gelang es binnen einer Woche die für die (Vor-)Finanzierung von „Stromberg - Der Film" nötige eine Million Euro aufzutreiben. So gesehen sorgten vor allem eingefleischte Fans für die Verwirklichung der Kinoversion. Und die galt es nicht zu enttäuschen, denn das Geld will schließlich wieder eingespielt werden.

Ein Film für die Fans sollte es also werden und ein Film für Fans ist es auch geworden. Ralf Husmann (Produktion, Drehbuch) und Arne Feldhusen (Regie) blieben Geist und Ton der Serie treu und liefern auch in der Kinovariante ein böse Satire auf das Büro-Soziotop, in der Christoph Maria Herbst erneut zu großer Form aufläuft und als mit allerlei Minderwertigkeitskomplexen geplagter Narzist Bernd Stromberg die Belegschaft der CAPITOL malträtiert. Erneut feuert er dabei beherzt ganze Salven politisch unkorrekter Sprüche ab, die garantiert wieder ihren Weg auf diverse T-Shirts und Kaffeetassen finden werden.

Obwohl Stromberg dem Kinoformat geschuldet mehr im Focus steht als in der TV-Version, bekommen auch seine Mitarbeiter immer noch genügend Entfaltungsgelegenheiten. So glänzt Bjarne Mädel erneut als naiv-doofer Büro-Looser Ernie, der trotz Engagement und gutem Willen immer wieder vor der nassforschen Dreistigkeit Strombergs kapitulieren muss. Dessen Kommentar dazu: „Was ihm an Grips fehlt, das gleicht er durch Blödheit wieder aus!"
Auch das Abteilungsinterne Ehepaar Ulf und Tanja schöpft das komödiantische Potential ihrer gegensätzlichen Einstellungen und Verhaltensweisen voll aus, was durch ihre neue Rolle als Pflegeeltern eines verhaltensgestörten Teenagers auf die Spitze getrieben wird. Und schließlich darf auch Strombergs Büroliebe Jennifer „Schirmchen" Schirmann (Milena Dreißig) nicht fehlen, die diesmal ganz ungeahnte Seiten bei ihrem Bewunderer zum Klingen bringt.

Clever ist schließlich auch die Idee eines Betriebsausflugs zur Feier des 50-jährigen Bestehens der CAPITOL. Das gibt der Handlung auch räumlich einen größeren und abwechslungsreicheren Rahmen. Die miefigen Büroräume der Kölner CAPITOL-Filiale spielen diesmal nur eine Nebenrolle, da es recht schnell via Busausflug in ein für das Jubiläum extra angemietetes Hotel geht. Hier trifft Stromberg dann auf eine Reihe längst verdrängter Bekannter aus der Chefetage, die er aber in bewährter „Voll auf die Zwölf"-Manier entgegen aller Wahrscheinlichkeit beherzt aus der Bahn drängt. Das ganze mündet in einem ebenso überraschenden wie grandiosen Finale, in dem Stromberg sich gar zur Galionsfigur der Geprellten und Betrogenen aufschwingt. Der auch in der TV-Serie durchaus vorhandene gesellschaftskritische Ansatz bekommt hier eine größere Bühne und rundet die rundherum gelungene Transformation in Kino-Maßstäbe gekonnt ab.

Fazit:
„Stromberg - Der Film" ist der seltene Glücksfall einer in jeder Hinsicht gekonnten Übertragung vom Fernseh- ins Kinoformat. Mit exakt der gleichen Besetzung vor und hinter der Kamera wurden keinerlei Kompromisse gemacht und der teilweise brachial schwarze Humor eins zu eins herüber gerettet. Keinerlei Anbiederung an ein möglichst breit angelegtes Publikum trübt den sarkastischen Spaß und alle Fans des Klobrillen-bärtigen Versicherungs-Arschlochs dürften hochzufrieden sein.
Stromberg selbst würde es  mit der für ihn typischen Bescheidenheit so sehen: „Der Papa hats wieder mal gerichtet und zwar mit seiner ganz eigenen Variante ordentlichen Schmackes." Kein Einspruch.

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