Ein etwa 50jähriger Mann liebt eine sehr viel jüngere Frau oder eine Teenagerin. Das ist gesellschaftlich immer noch heikel und im Kino spätestens seit Adrian Lynes Lolita immer für einen Skandal gut. Dabei reichen die Verbindungen zwischen Così come sei und der Adaption von Vladimir Nabokovs Roman jedoch weiter, als es auf den ersten Blick scheint. Die Hauptdarstellerinnen (hier: Nastassja Kinski, dort: Dominique Swain) waren zum Zeitpunkt des Drehs noch nicht volljährig, aber schon in Erotikszenen zu sehen; an ihren Seiten agierten jeweils gestandene Schauspielergrößen (Marcello Mastroianni bzw. Jeremy Irons) und Ennio Morricone schrieb die Filmmusik.
Letztere Tatsache ist auch der Grund, warum Così come sei, das stets etwas lethargisch erzählte Drama um Liebe, Ehe und Beziehungen, durchaus gelungen ist. Wie Morricone es schafft, dem zwischen Romantik und Belanglosigkeit wechselnden Plot mit eindringlichen, von Klavier und Flöten dominierten Orchesterstücken emotional aufzuladen, ist meisterhaft. Und es wirkt, als habe er in Lolita, 19 Jahre später, auf ebendiesen Score irgendwie Bezug genommen. So ähnlich ist die Gemütslage, auch wenn sich der Schwermut im weniger abgründigen Così come sei doch sehr in Grenzen hält und genau dadurch schon wieder Konventionen zu atmen scheint.
Es geht um den in seiner Ehe unzufriedenen Giulio (Marcello Mastroianni), der in Florenz die junge und flippige Studentin Francesca (Nastassja Kinski) kennen und lieben lernt. Wie sich herausstellt, könnte Francesca jedoch die Tochter von Giulio sein, da er vor gut 20 Jahren eine Affäre mit ihrer Mutter hatte. Giulio kann jedoch nicht von Francesca lassen, auch weil er Familienprobleme hat mit seiner Ehefrau und seiner schwangeren ehelichen Tochter Ilaria (Barbara De Rossi). Die Zeit des Abschieds wird schließlich kommen und die Geschichte so enden, wie seinerzeit die Affäre zwischen Giulio und Francescas Mutter.
Diese eher wenig komplexe Geschichte wird etwas behäbig und mit einigen Längen erzählt. Nachdem sie sich in einem wunderschönen Garten kennen gelernt haben, treffen sich Giulio und Francesca in Florenz wieder, wobei diese Stadt ein heimlicher Nebendarsteller von Così come sei ist. Eindrucksvolle Architektur und Skulpturen sind bei den Ausflügen durch die Stadt zu sehen, aber die Fotografie von José Luis Alcaine (La mala educación, 2004) ist im tiefsten Realismus verwurzelt. Es regiert zwar keine optische Tristesse, aber kräftige Farben sucht man fernab der warm bebilderten erotischen Szenen vergebens.
Selbige Szenen bleiben jedoch sehr stilvoll angedeutet und überschreiten nie die Grenzen von sinnlicher Erotik. Nastassja Kinski ist ein ums andere Mal nackt zu sehen, aber niemals in derart expliziter Art und Weise, wie uns das unglückliche DVD-Cover durch die reißerische Auswahl von Filmmotiven, in denen nackte Haut den Hauptbestandteil bildet, Glauben machen will. Così come sei ist ein Liebesdrama, bei dem das skandalöse Thema Inzest unterschwellig mit abgehandelt wird, aber niemals als Vorwand für eine gezielte Provokation dient, sondern einzig den intensiv durchlebten Gewissenskonflikt der von Mastroianni glaubhaft gespielten Hauptfigur auslöst. Nastassja Kinski in ihrer Rolle als flippige Studentin mit Vater-Komplex, die mit sich und ihren Gefühlen ringt, agiert so natürlich, dass man ihr diese Figur in ihrer erst fünften Filmrolle überhaupt sofort abnimmt. Jedoch kranken beide Figuren daran, dass sie letztendlich zu oberflächlich gezeichnet wirken, wobei dieses Problem Mastroianni durch sein nachdenklich-elegisches Spiel noch am besten auszugleichen vermag, wenn er beispielsweise rauchend und mit sich ringend im Bad hockt in der Gewissheit, dass im Schlafzimmer nebenan seine (möglicherweise verbotene) Liebe im Bett auf ihn wartet.
Die große Crux dieses Films sind aber die Löcher in der leider etwas zu dünn geratenen Story, die sich letztendlich fernab vertiefenswürdiger Ansätze wie die „Freie Liebe" unter Studenten (eine kurze Sequenz um Francescas Mitbewohnerin ist hier zu nennen) und der eher marginal thematisierten Midlife-Crisis einzig um die Sinnhaftigkeit der Ehe, Selbstverwirklichung in Liebesdingen und die (Un-)Möglichkeit eines 30 Jahre umfassenden Altersunterschieds in einer Beziehung dreht. Dabei fällt zudem die etwas schläfrige Inszenierung von Co-Autor Alberto Lattuada auf, dessen beste Zeiten 1978 schon hinter ihm schienen. Sein Film La Steppa lief 1962 auf der Berlinale im Wettbewerb um den Goldenen Bären, danach war es als Regisseur auf internationalen Filmfestivalen ruhig um ihn geworden und nach Così come sei drehte er allein nur noch zwei eher unbekannte Filme.
In dieser Hinsicht steht und fällt Così come sei mit den schauspielerischen Leistungen von der damals 17jährigen Nastassja Kinki und Marcello Mastroianni, denen es gelingt, diese eher bieder inszenierte Liebesgeschichte, die mit ein paar harmlosen Erotik-Szenen aufgepeppt wurde, über weite Strecken zu tragen und nicht abstürzen zu lassen. Aber einzig Ennio Morricones Filmmusik hebt den Film letztendlich über den Durchschnitt - auch wenn er 19 Jahre später mit Lolita noch wesentlich besser das innere Drama der Hauptfigur in äußere, musikalische Entsprechungen zu kleiden vermochte. Etwas mehr Mut - sei es nun auf dem Weg der Provokation, mit größerer psychologischer Abgründigkeit oder „nur" in einer unkonventionelleren Erzählweise - hätte Così come sei jedenfalls gut getan (Knappe 6/10).