„Ritter Roland im Abnützungskampf"
Nun hat sich der Roland also doch noch breit schlagen lassen und seinen „I´ll never do a Sequel"-Schwur gebrochen. Wirklich überraschend ist nur, dass er sich damit geschlagene 20 Jahre Zeit gelassen hat, in seinem ureigenem Metier des effektgeladenen Sommerblockbusters ist das schon fast ein Zeitalter. Immerhin hat er sich für den Eidbruch „Independence Day" heraus gesucht. Immerhin, weil bis heute mit Abstand sein größter Hit und immerhin, weil bestens geeignet für eine Fortsetzung. Wer hat denn anno 1996 wirklich geglaubt, dass sich die hoch entwickelten Alien-Invasoren so mir nichts dir nichts von einer mühsam zusammen getrommelten Multikulti-Jetpilotentruppe die Butter vom Brot nehmen lassen würden? Wer den halben Planeten mal so nebenbei in Schutt und Asche legt, der lässt sich doch nicht beim ersten kleinen Rückschlag vertreiben.
Genau auf diese sich geradezu aufdrängende Erwartungshaltung setzt Emmerich mit seinem Autorenteam und entwirft ein gleichermaßen logisches wie spannendes Szenario. 20 Jahre nach der Entscheidungsschlacht um das Fortbestehen der Menschheit hat sich die Erde dank der existentiellen Grenzerfahrung sowie der nun erforschbaren Alien-Technologie zu einem hochtechnisierten Gemeinwesen entwickelt und damit die eigene Spezies sowohl sozial wie auch fortschrittlich auf ein ganz neues Level gebracht. Doch auch der einstige Gegner hat sich weiter entwickelt und ist nicht gewillt die unerwartete Niederlage einfach hinzunehmen. Das von einer Mondbasis aus gesteuerte Verteidigungssystem der Erde - „Earth Space Defense" (ESD) - ist da bestenfalls ein Etappenziel, gerade weil die Menschheit sich dadurch für beinahe unangreifbar hält ...
„Independence Day: Resurgence" schurrt zunächst wie eine gut geölter Hochleistungsmotor. Die Geschichte wurde pfiffig weiter gesponnen, die Effekte sitzen und das Wiedersehen mit ein paar guten alten Bekannten (Jeff Goldblum, Bill Pullmann und Brent Spiner) macht Spaß. Das gemütliche Emmerich-Blockbuster-Feeling stellt sich in Windeseile ein und macht Lust auf mehr. Leider schleichen sich aber ebenso schnell eine Reihe störender Misstöne ein, die die freudige Erwartung wieder dämpfen.
Was von Beginn an negativ auffällt, ist das vergleichsweise gehetzte Tempo. In einer Zeit, in der jeder zweite Superhelden-Ableger zu einem epischen Drama aufgeblasen wird, fühlen sich die 120 Minuten des ID4-Sequels fast wie ein Kurzfilm an, zumal das betagte Original sich eine gute halbe Stunde mehr gönnte. So nimmt sich Emmerich diesmal kaum Zeit, um seine neuen Figuren einzuführen, was sie ob ihrer Klischeehaftigkeit noch austauschbarer und oberflächlicher wirken lässt. Wenn man schon den Charisma-Protz Will Smith - der wohl zu viel Gage forderte und/oder sich für das verspätete Sequel seines Durchbruchs zu schade war - durch ein solch blasses Duo wie Liam Hemsworth (auch mimisch nur Chris/Thors kleiner Bruder) und Jessie Usher (Smiths Filmsohn) ersetzt, dann sollte man diesem zumindest eine interessante Vita bzw. ein paar einprägsame Auftritte verschaffen.
Unverständlich auch, warum man den größten Sympathieträgern des Originals auffallend wenig Screentime bietet und damit das mit ihnen verbundene Empathiepotential grob fahrlässig links liegen lässt. Immerhin spielt Ex-Präsident Whitmore (Pullman) wieder eine tragende Rolle beim finalen Gefecht und David Levinson (Goldblum) ist als ESD-Direktor der Koordinator der globalen Verteidigung gegen Angriffe von außen. Als Menschen belieben sie diesmal völlig blass und dienen einzig dem Zweck der Wiedererkennung.
Bei so wenig Focus auf Figurenentwicklungist der ohnehin Genre-übliche Primat der Spezialeffekte noch offensichtlicher und genau dies schadet hier mehr als es nützt. In den zwei Jahrzehnten seit ID4 hat die Tricktechnik einen Quantensprung gemacht. Inzwischen gibt es nichts, was sich nicht per Computer simulieren bzw. umsetzten ließe. Das bedeutete aber auch, dass es nichts gibt, was das Publikum noch nicht gesehen hat. Zudem fragt sich niemand mehr, „wie die wohl das wieder gemacht haben", da inzwischen nur noch die Rechenleistung der engagierten Effekt-Firma den Ausschlag gibt und nicht mehr die Kreativität und der Einfallsreichtum der Trick-Spezialisten.
Riesige Raumschiffe, Luftschlachten mit Hunderten von Kombattanten und beinahe lustvolle Verwüstungen bekannter Metropolen dürften kaum einen Kinobesucher ab dem Teenager-Alter mehr beeindrucken. So wird dann auch die eigentlich wahnwitzige Idee, Dubai auf London krachen zu lassen, vom Gros der Zuschauer mit einem müden Achselzucken quittiert. Immerhin weiß Emmerich um dieses Problem und begegnet ihm mit versteckter Ironie. So lässt er diesmal im völlig zerstörten Washington ausgerechnet das Weiße Haus unversehrt und variiert damit einen der Höhepunkte des Originals. Dazu lässt er die Kampfpiloten flapsige Bemerkungen über die Alien-Vorliebe hinsichtlich zerstörter Wahrzeichen machen.
Am Ende nützen diese clever eingestreuten Zwischentöne aber nur wenig. „Independence Day 2" fehlt einfach der alles bis dato Gesehene in den Schatten stellende Wow-Faktor, welcher den Erstling zu solch einem fulminanten Erfolg machte. So wie „Star Wars" das moderne Blockbusterkino begründete, so steht „Independence Day" für die Geburtsstunde des ultimativen Effektspektakels. Dieses Konzept einfach wieder aufzuwärmen, ist angesichts der Inflation an Zerstörungsorgien im aktuellen Blockbuster-Triumvirat aus Fantasy-, Comic- und Science-Fiction-Filmen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wenn dann auch noch der trashige Charme und das bunt-sympathische Figurenkarusell des Originals bestenfalls ansatzweise wieder belebt werden kann, lässt sich ein enttäuschender Gesamteindruck nicht mehr weg diskutieren.
Schade für Roland Emmerich, der auf seinem Stamm-Territorium erstmals einigermaßen deutlich Federn lassen muss. Auch die Neuauflagen von „Jurrasic Park" und „Star Wars" schafften es nicht, das einzigartige Gefühl zu erzeugen, etwas Bahnbrechendes gesehen zu haben. Aber wenigstens ließen sie den Geist der Originale wieder aufleben und das reichte schon für einen erneuten globalen Triumphzug. Ob Emmerich eine zweite Chance bekommt mit einem (angedeuteten) dritten Teil diese Scharte wieder auszumerzen, werden wie in diesem Business üblich einzig und allein die Einspielergebnisse entscheiden. Zu gönnen wäre es ihm, schließlich hat er als „Master of Desaster" einen Ruf zu verlieren. Und eine allzu wörtliche Auslegung dieses Titels würde ihm keinesfalls gerecht werden. „Also los, Roland! Pack es noch mal an! Du kannst es besser!"