„Durchgeknallte Jungs"
Acht Jahre sind eine lange Zeit. Will Smith war mit „ID4" und „Men in Black" zum Superstar aufgestiegen und Michael Bay hatte seinen Stil in drei Krawumm-Orgien „verfeinert". Stellt man beides in Rechnung, ist das Ergebnis zwischen egomanischer Selbstbeweihräucherung und protziger Klöten-Fete nicht mehr ganz so überraschend. „Bad Boys II" ist eine in jeder Hinsicht aufgemotzte Narzissmus-Leistungssschau der beiden eigentlichen Buddys Smith und Bay. Der arme Lawrence fällt dabei beinahe ins schwarze Loch des entbehrlichen Sidekicks. Beinahe, weil er dermaßen nervtötend durch die holprige Handlung stolpert, dass man ihn leider nicht vollends ignorieren kann.
Jetzt ist es natürlich nicht so, dass das im Vergleich erstaunlich zurückhaltende Original ein subtil inszeniertes Stück zeitloser Actionkunst gewesen wäre. Bays Handschrift mit stilisierter Videoclip-Optik, läufigen Testosteron-Helden, zotigen Sprüchen und pumpender Krawall-Action war bereits deutlich erkenn- und hörbar. Ähnlich wie in den meisten Ablegern der „Fast & Furious"-Reihe fügte sich das alles aber zu einer zwar etwas prolligen, aber in seiner augenzwinkernden Rambazamba-Attitüde irgendwie charmanten Action-Sause. Ob es Gespür (eher nicht), Zurückhaltung (auch recht unwahrscheinlich), oder ein Herantasten an publikums- und produzentengenehme Entfaltungsmöglichkeiten (schon eher) war ist letztlich einerlei, die Grenze zum Minenfeld aus Peinlichkeit, Prahlerei und Sinnes-Bombardement wurde nie überschritten. In „Bad Boys II" marschiert Bay dort dagegen laut gröhlend mit einer Hundertschaft ein.
Von Beginn an wird jeglicher Zweifel daran beherzt in Fetzen geschossen. Die MPD-Cops Marcus Burnett und Mike Lowrey stürmen im Sumpfland hinter Miami ein Ku Klux Klan-Meeting, weil sie dort ein Massenlager für von Kuba aus ins Land geschmuggeltes Ecstasy vermuten. Bereits hier ist alles völlig over the top, wenn die beiden das Pfadfinder-Camp in ein kriegsähnliches Inferno verwandeln und dabei alle Zeit der Welt haben sich ein Macho-Rededuell zu liefern, das schon mal einen ausführlichen Vorgeschmack auf den extrem tiefer gelegten Ton des Restfilms gibt.
Überhaupt der Humor. In Teil eins noch eine ausgewiesene Stärke, verkommt er hier zum peinlichen Pubertätsrückfall kolossalen Ausmaßes. Nichts ist geblieben von den griffigen Screwball-Frotzeleien und dem Gag-befeuerndem Rollentausch. Vor allem die Idee, Burnett in die Midlife-Crises zu schicken, die natürlich zu Antistress-Sitzungen und Erektionsproblemen führt, ist eine ganz blöde. „Bad Boys II" schmiert hier in „American Pie"-Gefilde ab, was keinesfalls als Kompliment zu verstehen ist. Dass Burnett mit zunehmender Laufzeit dann immer mehr in den Jammerlappen-Modus bis hin zu einer ausgewachsenen Depression schaltet, lässt endgültig sämtliche Luft aus dem schlabbrigen Humor-Ballon.
Bay muss irgendwie gemerkt haben, dass der Pennäler-Witz vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss ist und spielte quasi als Ausgleich die Karte des Makaberen. Also lässt er von der Drogengang als Versteck missbrauchte Leichen bei einer Verfolgungsjagd aus dem Wagen purzeln und von den hinterher rasenden Cops dutzendfach überfahren. Dumme Sprüche dazu selbstredend frei Haus. Natürlich bleibt einem hier die obligatorische Obduktions-Ekelszene nicht erspart, die Bay genüsslich auswalzt und damit gegen die Wand fährt. Da passt dann einer in der Küche von Drogenfürst Hector Tapia zerstückelter Handlanger der Konkurrenz bestens ins geschmacksbefreite Bild, zumal er dieser auf dem Esstisch in einer nur notdürftig verschlossenen Kiste serviert wird. Immerhin haben die sich gegenseitig völlig im Weg stehenden Humor-Varianten eine Gemeinsamkeit: sie sind beide nicht witzig.
Das gilt auch für den Bad Guy. Jordi Moilà agiert als kubanischer Drogenbaron die meiste Zeit wie ein lächerlicher Parvenü mit ADHS, was ganz und gar nicht zu den von ihm begangenen, eiskalten Grausamkeiten passt. Er wirkt nie bedrohlich, oder furchteinflößend, auch nicht souverän, oder berechnend, so dass seine Taten im luftleeren Raum hängen. Peter Stormare legt Tapias Russenmafia-Rivale da weitaus stimmiger an, wird aber vom Skript sträflich vernachlässigt.
Das kann man von der Action glücklicherweise nicht sagen, glücklicherweise weil es sich hier um eine Genre-Kernkompetenz handelt und vor allem glücklicherweise, weil es den Film vor dem Totalabsturz bewahrt. Schon mit „The Rock" und „Armageddon" hatte Produzent Bruckheimer seine neue Regie-Muse Michael Bay endgültig von der Leine gelassen bzw. ihm den Vorwärtssalto gestattet. Der so gepushte dankte es ihm mit ekstatischen Actiopanoramen, die sämtliche Sinne regelrecht bombardierten.
Für „Bad Boys II" ist dieser Fortschritt allerdings ein zweischneidiges Schwert. Vom reinen Schauwert-Termometer her lässt Bay auch diesmal die Leinwand brennen. Vor allem die Autoverfolgung auf einem dicht befahrenen Highway ist eine krachende Achterbahnfahrt mit handgemachten Stunts der Extraklasse. Auch die diversen Schießereien sind von einer fast elegischen Wucht und brachialen Intensität. Das macht dem geneigten Genre-Freund zweifellos Spaß, zumal mit ähnlichen Einlagen nicht gerade gegeizt wird. Aber - und das ist die Kehrseite - sie sind für die beiden keifenden Cop-Kumpel einfach mehrere Nummern zu groß und damit selbst im Kontext eines sinnbefreiten Action-Thrillers irgendwie unglaubwürdig. In „Bad Boys" waren Marcus und Mike zwei versierte Drogenfahnder mit halbwegs alltäglichen Sorgen und Problemen, im Sequel mutieren sie zu unkaputtbaren Superheldencops, was nicht nur angesichts Burnetts labilem Gemütszustand aus dem erzählerischen Nichts kommt.
Dieses Nichts umfasst bzw. beschreibt recht treffend auch den Plot. Es geht um nichts weiter als das Ausheben eines über Kuba operierenden Drogenkartells. Trotz der epischen Laufzeit von 2,5 Stunden findet erstaunlich wenig Ermittlungsarbeit statt, da entweder geschossen, gerast, oder - besonders ausgiebig - das eigene Innenleben diskutiert wird. Der Film ist praktisch in allen Belangen zu ausufernd, wofür das angeklebte Finale auf Kuba besonders exemplarisch heraus ragt. Obwohl der Fall gelöst ist, klebt Bay noch eine zweite Schweinebuchtinvasion dran, bei der das MPD auf eine illegale Rambo-Mission geht, die selbst die üblichen Navy Seals-Elogen Hollywoods zu Kindergeburtstagen degradiert.
Am Ende ist man dann völlig geplättet und irgendwie froh, dass es vorbei ist. Action-Ermüdungsbruch inklusive. Im Nachhinein weiß man ja auch, dass sich Michael hier nur für seine „Transformers"-Filme warm geschossen hat. Eine Entschuldigung ist das nicht, aber zumindest eine Erklärung. Und Teil 3 kann trotzdem gerne kommen, denn mehr geht nicht. Zum Glück.