DIE ANGST DES DESORIENTIERTEN MENSCHEN
Eine Vorbemerkung: Das Cover der deutschen DVD ist schon ein Graus: da holpert ein Pärchen im 80er-Look in einem offenen Jeep durch die Botanik und zeigt entsetzte Gesichtsausdrücke. Dabei haben weder sie noch der Jeep noch der Gesamteindruck des Layouts auch nur entfernte Ähnlichkeit mit dem im Film Gezeigten!
Long Weekend gilt im Genre des Horror- und Katastrophenfilms als Geheimtipp und ist tatsächlich in seinem Stil bemerkenswert: eindeutig ein Film, in dem die Regie im Vordergrund steht. Von daher sind Ähnlichkeiten mit Don’t Look Now oder Picnic at Hanging Rock vorhanden. Dazu zählen z.B. der ausgiebige Gebrauch von Symbolen und die überwiegend ruhige Inszenierung, die dem Action-Begeisterten Langeweile bereiten dürfte. So stilsicher wie die Filme von Roeg oder Weir ist Long Weekend leider nicht, und manche Szene wirkt im Auge des kinogeschulten Betrachters von heute unfreiwillig komisch.
Herausragend ist die Fotografie in 2,35:1, denn wo die Handlung eher langsam und behäbig ist, nimmt sich die Kamera Zeit für teilweise beunruhigende Blicke auf die Natur, in der die Protagonisten völlig fremd wirken. Immer wieder zeigt die Kamera Details aus der nächsten Umgebung, die den Filmfiguren in ihrer Überheblichkeit entgehen. So bekommt der Zuschauer den Blick, der den Protagonisten katastrophaler Weise fehlt. Die Natur erscheint als eine funktionierende Einheit, deren Individuen (Tiere und Pflanzen) in dieselbe Richtung agieren, nämlich den eingedrungenen Menschen das Leben zur Hölle zu machen. Die Menschen, hier das Protagonistenpaar, sind hingegen eine überhaupt nicht funktionierende Einheit.
Die Ehe der beiden hat einen kritischen Zustand erreicht, in dem beide mit großem Zynismus miteinander umgehen. Zwischen ihm und ihr funktioniert auch sexuell nichts mehr, nachdem sie ein uneheliches Kind abgetrieben hat. Bei dem Ausflug in die Natur herrscht die Langeweile vor, beide ergehen sich in Ersatzhandlungen: sie liest, sonnt sich und masturbiert, er baut, jagt und treibt Sport, ganz Frau, ganz Mann, ganz verfahrenes Rollenverständnis. Eigentlich befinden sie sich auf diese Weise in der Nähe der ganzheitlich-harmonisch lebenden Naturvölker, haben aber als städtisch Zivilisierte den Kontakt zur Umwelt und ihre Aufmerksamkeit gegenüber ihrer natürlichen Umgebung verloren. Sie sind blind und hilflos und darüber hinaus schuldig. Die Abtreibung steht als Motiv im Zentrum, ist aber verknüpft mit anderen Freveln: Umweltverschmutzung, das Töten von Tieren und die Zerstörung von Pflanzen (dargestellt durch Müll, eine erschossene Seekuh und den mit der Axt malträtierten Baum) stehen als Metaphern eng beisammen. Generell ist es das unüberlegte Eindringen und Eingreifen des Menschen in eine Welt, aus der er zwar stammt, zu der er aber jeden Kontakt abgebrochen hat, was zur Katastrophe führt. Bereits zu beginn des Films, als der Hauptdarsteller in der Stadt sein Auto startet und daraufhin einige Tauben aufflattern, wird dieser Zusammenhang etabliert (übrigens ein motivisches Zitat aus Don’t Look Now). Wo Hitchcocks Birds zwar die Natur zuschlagen lässt, aber die Aggression der Vögel nicht explizit motiviert, setzt Long Weekend den sündigen Menschen als Ursache. Die Natur schlägt nicht aus heiterem Himmel zu, was den Figuren, nicht aber dem Zuschauer unbewusst bleibt.
Letztlich sind es aber nicht die Terroraktionen von Vögeln, Ameisen, Bäumen oder einem Opossum, sondern die aus dem Unverständnis geborene Angst, die das schlimmstmögliche Ende bringt. In bester Horrortradition stammen die sich immer mehr steigernden Bedrohungen aus der uns bekannten Normalität, in der jedes Picknick potentiell von Ameisen und anderem unerwünschtem weil unkontrolliertem Getier bedroht ist. Die übersteigerte Nötigung des Menschen von Seiten der Natur, so kann argumentiert werden, findet gar nicht wirklich statt, sondern ist nur Folge einer übersteigerten Wahrnehmung. Der Mensch ist orientierungslos, deshalb die labyrinthische Ausweglosigkeit mit der dem Menschen scheinbar die Flucht unmöglich wird. Der Mensch spricht nicht die Sprache der Natur, deshalb die Reizüberflutung mit Geräuschen und Lauten, die ihn verwirren und beängstigen und ihn zu falschen Handlungen veranlassen. In dieser Lesart wird Long Weekend zu einem Psychothriller, in dem der sich in der Natur fremd fühlende Mensch blindlings in seinen Untergang steuert.
Dieser Film ist zu Unrecht vergessen und in die drittklassige Ramsch-DVD-Ecke abgedrängt worden. Er funktioniert in manchen Details vielleicht nicht, ist aber deutlich ambitionierter und bemerkenswerter als der übliche Genreschrott.