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Als ein Ministrant in der Dorfkirche der mährischen Gemeinde Groß Ullersdorf eines Tages eine Bettlerin beim Gottesdienst dabei beobachtet, wie sie offenbar den Versuch unternimmt, eine geweihte Hostie einzustecken und mit ihr aus dem Gotteshaus zu verschwinden, wittert der örtliche Pfarrer, dem die alte Frau vorgeführt wird, sogleich Hexentum und Zauberei in dem misslungen Diebstahl.  Tatsächlich gibt die Bettlerin alsbald freimütig zu, dass die Hostie für die Kuh einer Bekannten bestimmt gewesen sei, die krank niederliege und keine Milch mehr gebe, immerhin sei auch sie ein Geschöpf Gottes und habe Recht auf die Genesung, die sich die Frauen von der Hostienverfütterung versprechen. Obwohl unter den Autoritäten des Ortes ein kurzer Streit darüber beginnt, ob man den Vorfall überhaupt weiter beachten und der Bettlerin nicht nur auftragen solle, wegen ihres Aberglaubens ein paar Vaterunser aufzusagen, schafft der Pfarrer es, die Gräfin von Galle, der die Gemeinde Groß Ullersdorf unterstellt ist, davon zu überzeugen, dass sie Schritte einleiten solle, um herauszufinden, inwieweit der Teufelskult nicht auch bereits ihr Herrschaftsgebiet unterwanderte, und ob der Hostiendiebstahl wirklich nur eine Einzeltat gewesen sei. Die Gräfin, um ihren Ruf und ihr Ansehen fürchtend, bewilligt dem Pfarrer, dass ein eigentlich schon längst pensionierter, jedoch für seine Schonungslosigkeit berühmt-berüchtigter Hexenjäger namens Franz Boblig von Edelstadt aus dem Ruhestand geholt und zusammen mit seinem ehemaligen Folterknecht aktiviert wird, um den Geschehnissen rund um die Bettlerin und ihre beiden Mitwisserinnen auf den Grund zu gehen. Es dauert nicht lange und Daumenschrauben und Streckbänke haben die drei Angeklagten nicht nur gestehen lassen, dass sie durchaus mit dem Teufel im Bunde seien, sondern ihre Zungen auch dahingehend gelockert, dass sie so viele Namen wie gewünscht ausspucken, wer außer ihnen noch alles an den Sabbattreffen beteiligt gewesen sei. Nachdem die drei Frauen dem Scheiterhaufen überantwortet worden sind, beginnt der Terror daher erst recht. Jeder ist verdächtig, Frauen, schließlich auch Männer jeden Standes werden aus ihren Häusern gezerrt, um dem Inquisitionstribunal vorgeführt zu werden, Denunziationen und falsche Geständnisse greifen um sich. Nicht mal Dekan Lautner, der den Vorgängen von Anfang an skeptisch gegenüberstand, kann verhindern, dass Boblig nach und nach sämtliche Autoritäten der Gemeinde entweder auf seine Seite zieht und zu ausführenden Organen seiner fanatischen Hexenjagd werden lässt oder aber als der Hexerei verdächtig in die Folterkeller sperrt, und auch, dass der Pfarrer von der Unschuld der ersten drei Opfer überzeug ist, nachdem er sie bei lebendigem Leib hat verbrennen sehen, hilft nichts mehr gegen die inzwischen etablierte Atmosphäre der Angst und des Misstrauens. Als Lautner allerdings immer wieder Beschwerden gegen Boblig vorbringt, ihm sozusagen offen den Kampf ansagt, ist es nur eine Frage der Zeit bis sich auf einmal Personen aus seinem nächsten Umfeld finden, die auch seinen Namen in Zusammenhang mit Teufelsanbetung und Gotteslästerung nennen…

Rein zeitlich fällt KLADIVO NA CARODEJNICE eindeutig in die Hochzeit des Hexenjäger-Genres, das, nur ein Jahr zuvor durch Michael Reeves WITCHFINDER GENERAL initiiert, vornehmlich solche exploitativen Stilblüten wie HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT oder IL TRONO DI FUOCO hervorbrachte, nichtsdestotrotz steht dieser tschechische Film nicht nur, was Herstellungsland und den Kontext seiner Entstehung betrifft, sondern auch von der Machart her weit entfernt von solchen vornehmlich auf Sex und Gewalt ausgerichteten Filmchen. Zum einen versteht sich KLADIVO NA CARODJENICE eindeutig als Historienfilm und versucht, tatsächlichen Geschehnissen im späten 17.Jahrhundert Rechnung zu tragen, die als die Hexenprozesse von Groß Ullersorf in die Geschichte eingingen, beruft sich auf die Originalprozessakten und bemüht sich sichtlich um Authentizität, was natürlich auch heißt, dass die Elemente, die in den meisten Subgenrevertreter die größte Rolle spielen, stark zurückgefahren werden, und der Film nie zu einer rein spekulativen Folterorgie wird. In nüchternem Schwarzweiß gedreht, das an die Filme erinnert, die Ingmar Bergman und Frantisek Vlácil etwa zeitgleich inszenierten, verläuft die Geschichte relativ unspektakulär und undramatisch, nahezu unfilmisch, wenn es beispielweise keine wirklichen Hauptdarsteller gibt oder selbst Szenen, die Unmengen an emotionalem Potential bergen, regelrecht dokumentarisch-distanziert geschildert werden. Dass der Film optisch und erzähltechnisch streng, geordnet und gemessen daherkommt, heißt allerdings nicht, dass er seine Zuschauer vollkommen kaltlässt, denn gerade dadurch schafft Regisseur Otakar Vávra eine bedrückende, unbehagliche Stimmung, die verhindert, dass KLADIVO NA CARODJENICE auch nur zu einer Sekunde zu einem Unterhaltungsfilm wird, dadurch ist das Ganze viel zu beklemmend, viel zu sperrig, und von Anfang an darauf ausgelegt, dass keine der sympathischeren Figuren das Ende lebend erreichen wird.

Nichtsdestotrotz sind die Parallelen zu WITCHFINDER GENERAL, ob nun intendiert oder nicht, kaum zu übersehen. So findet man in Boblig nebst Folterknecht ein ähnliches Gespann wie in Matthew Hopkins und John Stearne. Beide sind nur vordergründig daran interessiert, irgendwelche Seelen zu retten, und geben sich zwischen den Folterungen, Verhören und Hinrichtungen Saufgelagen hin oder sinnen sich hinterlistige Pläne aus, um missliebige Bürger des Ortes aus dem Weg zu räumen. Nicht mal, was die Gewalt betrifft, zeigt KLADIVO NA CAROJENICE gegenüber WITCHFINDER GENERAL besondere Zurückhaltung. Beide Filme sind nun beileibe keine Gewaltorgien und zeigen gerade das, was nötig ist, um die Handlung graphisch zu unterstützen, überrascht hat es mich dann aber doch, in einem tschechischen Mainstream-Film von 1969 nicht nur eine angedeutete Vergewaltigung zu sehen, sondern auch diverse von Folterinstrumenten geschundene Gliedmaßen. Aber selbst ohne diese blutigen Details wäre der Film wohl schon schwer genießbar genug, auch das ein Aspekt, den er mit WITCHFINDER GENERAL teilt, wenn auch die Bedrückung, mit der die Filme ihr Publikum am Ende entlassen, eine unterschiedliche ist. WITCHFINDER GENERAL schockiert, weil er in seinem Finale die bisherige Schwarzweißzeichnung über den Haufen wirft, und gerade die Identifikationsfigur des Zuschauers, den Helden der Geschichte, zum rasenden Täter macht. Bei KLADIVO NA CARODEJNICE indes sind die Figuren dem Hexenjägerterror hilflos ausgeliefert. Nachdem die Maschinerie der Verfolgung erst mal in Gang gesetzt wurde, gibt es keinen Ausweg mehr. Es greift kein Gott ein, die Unschuldigen zu retten, und es gibt zuletzt nicht mal die Hoffnung, dass das Morden nun ein Ende habe, vielmehr zeigt die letzte Szene Boblig in erhabener Stimmung, voller Tatendrang, wenn nötig auch das ganze Land von Hexen und Ketzern zu säubern. Nicht schwer fällt es da, KLADIVO NA CARODJENICE auch als etwas verschleierten und dennoch ziemlich eindeutigen Kommentar auf die politischen Verhältnisse Tschechiens zu verstehen, die Hexenjagd als Metapher für das Verblassen des Prager Frühlings und die nachfolgende Repressionen, denen sich Künstler und andere Freidenker auszusetzen hatten.

Besonders stark ist KLADIVO NA CARODJENICE in seinen mystischen und seinen satirischen Szenen. So erklingen beispielsweise für kurze Momente immer mal wieder ferne Chorgesänge, die an Vlácils MARKETA LAZAROVÁ erinnern, und wie Avantgarde-Sprengsel in den Film fallen, in regelmäßigen Intervallen sieht man einen Mönch im Halbdunkeln, der endlose Litaneien von sich gibt, in denen er schildert, auf welch mannigfaltige Weisen die Hexen Gott lästern, Lautner selbst wird zum Schluss gar als Christus stilisiert, nachdem ihm in seiner Kerkerhaft ein langer Bart wuchs und er noch auf seinen letzten Metern zum Scheiterhaufen, seinem persönlichen Golgatha, vergibt und verzeiht. Diesen stillen, ruhigen, fast schon meditativen Szenen, in denen es wirkt, als wolle der Film selbst im Gottlosesten noch nach dem Heiligen suchen, stehen einigermaßen im Kontrast zu den teilweise ordentlich bitteren Seitenhiebe auf die Autoritären des Films, die die Hexenjagd erst möglich machen. Wenn Boblig, kurz nachdem die ersten Hexen brannten, bei einem Festbankett eine Anekdote zum Besten gibt, in der er davon spricht, dass er vor langer Zeit einen Fall gehabt habe, bei dem eine Hexe Männern per Zauberkraft ihre Penisse abgetrennt und herumfliegen lassen habe, worauf alles in schallendes Gelächter ausbricht und sich das Ganze in geschmacklose Scherzen auf die Ermordeten steigert, oder wenn der Landesfürst, der seine Unterschrift zu den Hinrichtungsurteilen für die nächste Fuhre Hexen leisten soll, beiläufig seinen Namen unter das Dokument kritzelt, sich gar nicht für dessen Inhalt interessiert, sondern pausenlos über seinen neuen Rock redet, bleibt einem das Lachen schnell im Halse stecken. KLADIVO NA CARODJENICE ist kein angenehmer Film, einer, der lange im Gedächtnis bleibt, jedoch auch einer, den man sich nicht allzu oft anschauen wird.

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