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Aller Anfang ist schwer. Oder doch nicht? Der erste „Columbo“ ist jedenfalls anders und ein Stück weit rauer als seine Nachfolger, auch wenn das Grundkonzept gleich ist und seinerzeit im Jahre 1968 eine Genre-Revolution darstellte. Ein Krimi nach klassischem Muster transportiert Spannung, indem er den Bogen langsam spannt und der Betrachter bis zuletzt mit dem Ermittler miträtseln kann. Am Ende wird die Identität des Mörders gelüftet. „Columbo“ lässt die Bombe dagegen schon früh platzen und präsentiert den Täter noch bevor der Inspektor (hier übrigens noch Lieutenant) erscheint. Begonnen wird mit der Vorgeschichte, die grob das Motiv beleuchtet und mit der Planung des Mords endet. Danach folgt die Durchführung.

So auch in „Mord nach Rezept“, als der Psychiater Dr. Ray Flemming (Gene Barry) seine Frau Carol (Nina Foch) tötet, weil sie eine Affäre durchblickt und die Scheidung beabsichtigt. Zusammen mit seiner Gehilfin (Joan Hudson) lenkt der Arzt den Verdacht von sich, indem er eine vermeintlich Tote auferstehen lässt. Das klingt paradox, aber der Plan ist teuflisch genial und wichtiger noch - er funktioniert. Flemming und seine als Ehefrau verkleidet Geliebte täuschen einen Streit auf dem Weg zur Urlaubsreise vor. Die Situation eskaliert, so dass der Doktor alleine reist, während die Komplizin auf dem letzten Drücker das Flugzeug verlässt. Die Leute glauben, was sie sehen. Der Psychiater hat ein wasserdichtes Alibi, während die Ehefrau zu Hause erwürgt auf dem Boden liegt. Zuvor hinterlassene Einbruchsspuren deuten auf einen Raubmord hin.

Der Mord ist interessant, aber transparent, so dass ein wesentlicher Spannungsherd dementsprechend wegfällt. „Columbo“ schöpft die beim Publikum verursachte Faszination aus einem anderen Topf. Ein wesentlicher Punkt ist der Inspektor bzw. Lieutenant selbst, an dem hier noch ordentlich herumexperimentiert wird. Peter Falk geht in „Mord nach Rezept“, dem ersten von zwei Pilotfilmen, noch deutlich härter vor, als man ihn später erlebt. Er nutzt den Flemmings Schwachpunkt, die Komplizin, gnadenlos aus, um ihn letztendlich mit einem vorgetäuschten Selbstmord zu überführen. Dabei ist Columbo eigentlich alles andere als der böse Cop. Er lehnt Schusswaffen ab, verfällt nicht in aggressive Verhaltensmuster und baut ausschließlich auf Indizien, naive Fragen, Psychologie, Tricks, Beweise und Spuren. Der Lieutenant ist vielmehr Sherlock Holmes, als ein typisch amerikanischer Film-noir-Detektiv. Im ersten Pilotfilm wirkt der tollpatschige Ermittler allerdings noch sehr dynamisch frisch. Die im Nachhinein ungewohnte deutsche Synchronstimme von Uwe Friedrichsen lässt die nötige Ruhe vermissen. Das berühmte und an sich gleich bleibende Outfit ist noch nicht faltig und altbacken, Columbo wirkt an manchen Stellen sogar stilbewusst übercool, fast in James Bond Manier, wenn er beispielsweise mit der Zigarre im Mund spricht.

Wegweisend ist dagegen schon das Duell mit dem Mörder. Im Grund ist es ein Spiel zwischen Columbo und dem mitunter nicht unsympathischen Antagonisten, der meist ein Mitglied der High Society ist. In „Mord nach Rezept“ gibt sich Gene Barry als arrogant charismatischer Psychiater die Ehre – und hinterlässt bleibenden Eindruck. Columbo hat wegen einer Kleinigkeit, dem ersten Indiz, gleich die richtige Vorahnung. In diesem Fall bemerkt der Inspektor, dass Flemming nach der Rückkehr vom Urlaub, obwohl der Tatort klassisch mit Leichenumriss etc. gekennzeichnet ist, nicht nach seiner Frau ruft oder sich anderweitig vergewissert. Nun folgt die große Show, das Einlullen des vermeintlichen Täters, indem sich der Lieutenant dümmer stellt, als er wirklich ist. Fragen über Fragen, eine naiver als die andere. Die Besonderheit bei „Mord nach Rezept“ ist in der Person von Flemming verankert. Er durchschaut Columbos Taktik und hält ihm in herrlichen Dialogen den entlarvenden Spiegel vor. Der Inspektor springt wiederum auf den Zug auf und liefert sich ein Charakterisierungsduell auf hohem Niveau. Der Psychiater zeigt dem Publikum, was Columbo auszeichnet. Die nervige Hartnäckigkeit - laut Flemming würde der Inspektor selbst im alten Testament nach Fehlern suchen – Halleluja.

So hat der erste Pilotfilm auch eine persönliche Note, die in einem herrlichen Spiel zwischen Mörder und Ermittler zum Ausdruck kommt. Columbo versucht energisch den Täter zu überführen und setzt dessen Komplizin untypisch aggressiv unter Druck.

„Mord nach Rezept“ ist insofern nicht unbedingt so humorvoll, wie einige spätere Episoden, aber das ernste Columbo-Mörder-Spiel deutet schon viel von dem an, was die so genannte Columbo-Taktik ausmacht. Das Grundprinzip steht: Spannung wird durch die Ermittlungsarbeit erzeugt, grandiose Dialoge ersetzten plumpe Action, obwohl der Ermittler hier noch dynamischer als in späteren Episoden vorgeht. Die Idee faszinierte schon im ersten Pilotfilm, Feinheiten wurden sukzessiv ergänzt, aber die Ecken und Kanten fallen nicht schwer ins Gewicht. Aller Anfang ist eben doch nicht unbedingt schwer. (6,5/10)

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