Review

Das Drehbuch setzt beim Zuschauer die Kenntnis der Rahmenhandlung als Allgemeinwissen voraus und zeigt Robinson in der ersten Szene, als er sich schon lange mit dem einsamen Inselleben arrangiert hat. Wie nebenbei erfahren wir, das er sich seit über zwölf Jahren in seinem Exil befindet, der Film setzt ein mit einem einschneidenden Erlebnis, welches die andauernde Routine durchbricht. Eingeborene einer nahe gelegenen Insel rufen in Robinson augenblicklich Urängste vom Bösen Schwarzen Mann hervor und obwohl keine konkrete Bedrohung vorliegt erschießt er kurzerhand alle Männer, bis auf einen, den er für einen Gefangenen hält. Das kannibalische Ritual zeigt aber keine verrohten, menschenfressenden Wilden sondern, im Gegenteil: Die Eingeborenen begegnen dem übereifrigen Briten freundlich, den Geretteten erklärt er sofort zu seinem Diener.

Die Geschichte wird erzählt aus der Perspektive Freitags, der seine Zeit an der Seite Robinsons seinen Stammesangehörigen berichtet. Dessen kindliches Gemüt bestätigt zwar das Klischee des einfachen, guten Wilden, wird aber von Richard Roundtree („Shaft“) exzellent verkörpert und steht überdies in einem wichtigen Kontext. Während Freitag das Leben zu genießen weiß und dies zum Beispiel in mit voller Inbrunst gesungenen Liedern zelebriert, ist Robinsons Weltbild bestimmt von Schuld, Angst, Gier und Selbstkasteiung. Auf die tief greifenden Fragen des Eingeborenen weiß Robinson zumeist keine plausible Antwort zu geben und sieht sich ständig konfrontiert mit seinen eigenen gedanklichen Grenzen. Während des gesamten Films versucht Robinson unentwegt Freitag die Zivilisation des fernen Englands und das Christentum zu vermitteln. Dabei redet er in einer Tour, ohne Freitag jemals ernst zu nehmen oder kennen lernen zu wollen. Diese sture kulturelle Ignoranz der Kolonialzeit findet in Daniel Dafoes literarischer Vorlage eine unstreitbare romantische Verklärung.

Tatsächlich lässt sich die analytische Schärfe erst in vollem Umfang erkennen wenn man Kenner des Buches ist – beinahe jeder Witz bezieht sich direkt auf die naive Weltsicht des Romans, der trotz seiner virtuosen Sprache in schlimmster Weise puritanisch und rassistisch ist. All die Lächerlichkeit der Figur Robinson nimmt der Film aufs Korn, Leinwandlegende Peter O’Toole leistet in dieser hysterischen, besessenen und verwirrten Rolle gewohnt gute Arbeit ab. O’Toole und Roundtree liefern sich ein pointenreiches Duell im Geiste, das sich im stetig an Bitterkeit gewinnenden Handlungsverlauf am Ende auch physisch manifestiert. Robinson selbst zeichnet der Film keineswegs als sklaventreibenden Unmenschen, spätestens als seine Weltsicht am so genannten „Tag der Trauer“ offensichtlich zerbricht ist Robinson eine tragische Figur. Die damalige Auffassung des Christentums und die Gier nach Reichtum hindert den Gestrandeten am Zugang zu seinen eigenen Gefühlen. Als ihm eine annähernde Ahnung von seiner tragischen Situation bewusst wird ist es jedoch bereits zu spät.

Bei allem Lob muss auch konstatiert werden, das dramaturgische Durchhänger nicht selten sind. Viele Szenen dienen kaum dem Handlungsverlauf sondern funktionieren oftmals nur durch kreativen Wortwitz oder absurde Situationen. Auch wenn die episodischen Sequenzen allesamt funktionieren, zu lange tritt der Film auf der Stelle und hält sich wiederholt mit zu langen Gesangseinlagen auf, deren Funktion auch mit dezenterem Einsatz erfüllt wäre. Auch wenn Jack Gold also hin und wieder die Zügel zu locker lässt droht er sie nie aus der Hand gleiten zu lassen, dafür harmoniere seine beiden Hauptdarsteller einfach zu gut und immer wieder brilliert der Film mit einem weiteren umgekehrten Element aus dem Roman.

Das fatalistische Ende trügt eine Atmosphäre der Harmonie innerhalb des Kreises der Eingeborenen aus. Doch nicht nur Robinsons Selbstmord, ironischerweise die wohl unchristlichste Art zu sterben, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack. Freitag ist wieder angekommen im Kreis seiner Sippschaft doch Robinsons Missionarsarbeit hat einen Teil seiner Seele für immer vergiftet.

7,5 / 10

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