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Flower and Snake kann man sich im Wesentlichen als Sex-Dramödie aus dem BDSM Bereich vorstellen. Der Film umfaßt verschiedene Neigungen und zeigt die Platzsuche der Figuren in seinen Szenenbildern. Fast 40 Jahre nach seiner Entstehung geht diesen das sensationshaschende Potential etwas abhanden. Viele Handlungen sind für den Normalmenschen vielleicht nicht alltäglich, jedoch ist die Existenz der Praktiken – nach der Shades of Grey-Trilogie auch beim Kaffeekranz ein Thema – gemeinhin bekannt, so daß die psychologischen Hintergründe dieser besonderen Ménage à trois nicht mehr im Skandal untergehen sowie die Bedeutung der Nebenfiguren alles andere als belanglos erscheint.
Ausgangspunkt ist dabei in Flower and Snake eigentlich die Mutterfigur, die ihren Sohn durch ihre untypische Lebensart beeinflußt. Die Mutter scheint kein Gefühl von Geborgenheit und Wärme zu geben. Als Produzentin von Bondage- und Folterpornos und mit einem auch sonst umtriebigen Lebenswandel hat sie die Sexualität ihres Sohnes entschieden geprägt. Dieser sieht sich als nahezu impotent, ist nur in der Lage aufgrund punktgenauer Schlüsselreize in Kleenextücher zu ejakulieren, die er wie Trophäen in seinem Schrank aufbewahrt.

Die im Studio der Mutter entstandenen Bilder sind ebenso ausschlaggebend für ein entscheidendes Mißverständnis. Der Sohn hat sie auf der Arbeit gebunkert, wo sie der Chef entdeckt und seinen Mitarbeiter nun für einen strengen Herren hält, genau richtig um seine ihm zu wenig gefügige, ihn zu verlassen drohende Frau zu erziehen. Auch diese Seite ist geprägt von Impotenz, beinhaltet die Beziehung doch ein ungezügeltes Verlangen der Frau, welches der Chef nicht in der Lage ist zu befriedigen. Seine Hemmnis entsteht möglicherweise aus der traditionell-japanischen Überordnung des Mannes, welche er in seiner Beziehung nicht einnehmen kann. Frustriert vergreift er sich so an der Zofe seiner Frau, deren Rolle vielschichtig auch zwischen möglicher Gespielin und Mitwisserin der heimlichen Treffen ihrer Herrin mit ihrem ehemaligen Geliebten wechselt.
Die sich nun in Flower and Snake entwickelnde Dreiecksgeschichte besteht jedoch zwischen dem Chef, seiner Frau und dem Angestellten, dem er die Frau zur Züchtigung übergeben hat. Nach einfältigen Fesslungsversuchen von der Mutter in die Folterkunst eingeführt und zur Vergewaltigung und Nötigung durch klysmaphile Handlungen getrieben, durchbricht der junge Mann schließlich seine Verklemmung, um eine freie Sexualität ausüben zu können – sofern ihn bestimmte Reflexe nicht in sein altes Trauma zurückwerfen. Was er durch diese erste echte Erfahrung mit einer Frau jedoch für die ihm anvertraute Gattin seines Chefs empfindet, ist Liebe, die ihn dazu bewegt, nun seinerseits Ansprüche an der Frau anzumelden. Wie er seiner Untergebenen aber immer mehr Freiheiten zugesteht, kehrt auch die neue Führerin dieses Spiels ans Tageslicht. Ein Konflikt wird schlicht dadurch ausgemerzt, daß nun alle auf ihre Kosten kommen.

Hier wird nun auch verdeutlicht, daß Masaru Konuma in seiner Adaption des Oniroku Dan Romanes Flower and Snake doch eher die Unterhaltung im Vordergrund sieht. Das Bild der gemeinsame Lust auslebenden Figuren ist ihm als wörtlicher Höhepunkt schließlich wichtiger, als die Barrieren, die für dieses Erlebnis überwunden werden mußten oder die Auswirkung auf die Lebensqualität der Liebenden, die so erstmals die Freiheit sich selbst gefunden zu haben genießen können. Inwieweit dies von der Vorlage abweicht, vermag ich leider nicht zu sagen, jedoch spricht man davon, daß Konuma und Drehbuchautor Yôzô Tanaka das Buch an sich für nicht verfilmbar hielten und so wesentliche Änderungen vornahmen, Oniroku Dan außerdem mit dem Film nicht zufrieden war.
Warum sie eine Umsetzung überhaupt versuchten hängt mit den Ambitionen Nikkatsus zusammen, Naomi Tani, die schon in Hana to hebi yori: Niku no shiiku an einer Verfilmung des Oniroku Dan-Stoffes beteiligt gewesen war, für eine Hauptrolle in ihrer Roman Porno Reihe zu gewinnen. Tanis Spezialität war der S/M-Bereich, jedoch waren Nikkatsu, die sich Anfang der 70er durch die Produktion von Pinku eiga (eine spezielle japanische Softerotiksparte) vor der Pleite bewahrten, zunächst nicht bereit, etwas zu dem Thema herzustellen. Da Naomi Tani jedoch auf Flower and Snake für ihr Debüt bestand, kam es nach langen Verhandlungen schließlich zu diesem Projekt, welches zu großem Erfolg sowohl für die Darstellerin als auch für die Produktionsfirma führen sollten, an den umgehend mit Wife to be Sacrificed angeknüpft wurde.

Flower and Snake glänzt vor allem durch eine recht ausgewogene Mischung, der man als Interessent japanischer Filmgeschichte verfallen mag. Trotz des im Extrem angesiedelten Themas ist die japanische Zensur sehr strikt, weshalb Erotikfilme immer einen Weg finden mußten, diese zu umgehen. Die plumpe Variante wäre einfach nachträglich das Bild an den entsprechenden Stellen zu verfremden (Fogging). Kunstvoller ist die hier angewandte Lösung über die Bildkomposition. Allein über das ewige Spiel möglichst viel innerhalb der Limitierung zeigen zu wollen, entsteht eine sehr eigene Bildästhetik, die gemeinsam mit der Bondagekunst in exotischen, durchaus sehenswerten Motiven mündet. Die ohnehin knackige Spielzeit wird regelmäßig durch neue Phantasien aufgelockert, die zur deutlich vorhandenen Komik beitragen.
Ungeachtet der Tatsache, daß man sich diese Art Film natürlich überhaupt erschließen wollen muß, kann man Flower and Snake eine gewisse Qualität nachsagen, die den Begriff Stil sicher an die äußere Flanke treibt. Dennoch sind diese Meter Zelluloid doch so edel, daß ihre Anziehungskraft bis in die Kreise der cinephilen Grenzgänger – also nicht unbedingt des Pornopublikums – empor ragt. Daß Flower and Snake hier Anklang findet, wird allein deshalb schon wahrscheinlicher, da der Film zwar sehr kinky, eine kleine Abrechnung mit japanischen Erotikextremen, aber überhaupt nicht mit der neueren Grotesk-Vorstellung vereinbar ist, auf die der japanische Film manchmal, auch wegen einschlägiger Labelnamen, vollkommen zu Unrecht reduziert wird. Zwar kann man sich auch an Flower and Snake stoßen, werden auch hier letztlich Fetische bedient, jedoch wurde noch Kino gemacht, eine kreative Schaffenskunst, die manch späterer, besonders direkt auf Video gedrehten, Produktion einfach abgeht.

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