Im Bereich des Horrorfilms passiert es vergleichsweise selten, dass einmal ein wirklich herausragender Beitrag das Licht der Welt erblickt. Da ist man als Genrefan natürlich besonders dankbar, wenn in unregelmäßigen Abständen kleine Produktionen wie „The Descent“ sozusagen aus dem Nichts auftauchen und sich mal eben als bestes Genrewerk des Jahres herausstellen – und das mit denkbar einfachen Mitteln.
Die Story ist simpel: Eine Gruppe junger Frauen (wohlgemerkt: keine nervigen Teenies!) begibt sich auf eine riskante Höhlenexpedition. Als durch einen Erdrutsch der einzige Ein- und Ausgang verschüttet wird, sehen sie sich gezwungen, auch die bislang unbekannten Winkel des unterirdischen Labyrints zu erkunden und als wäre die Situation nicht schon angespannt genug, tauchen urplötzlich noch blutrünstige Ungeheuer aus der Dunkelheit auf.
Seine stärksten Momente hat der Film bereits in der ersten Hälfte, wenn der Zuschauer Bekanntschaft mit der bedrohlichen Stimmung in den unterirdischen Katakomben macht. Wenn die ohnehin schon psychisch angeschlagene Sarah in einem engen Durchgang hängen bleibt und nur durch gutes Zureden ihrer Freundin nicht in Panik verfällt, dann ist das beklemmender und angsteinflößender als jedes noch so schreckliche Monster. Deren Präsenz wiederum ist auch nur dann wirklich schweißtreibend , wenn sie nicht im Bild sind, um dann im nächsten Augenblick mit einem ohrenbetäubenden Schrei aus dem Nichts aufzutauchen. Obwohl die Schockeffekte konstruiert und meistens absehbar sind, verfehlen sie ihre Wirkung in keinster Weise - selten wurde man im Kino so oft erschreckt, selten so wirkungsvoll bis zum Abspann in den Sessel gedrückt.
Aber wie viele angsteinflössende Dinge verlieren auch die „Crawler“ schnell an Schrecken, wenn etwas Licht auf sie fällt - erinnern Maske und Bewegungsstil doch sehr stark an die Herr-der-Ringe-Figur Gollum. Desweiteren erweisen sich auch die Kämpfe eher als Atmosphärekiller: Sehr blutig, aber viel zu hektisch geschnitten können sie der ruhigen, aber düsteren Stimmung der ersten Hälfte qualitativ kaum standhalten und wirken innerhalb dieses verstörenden Kammerspiels etwas fehl am Platze. Eine Reduzierung des Schreckens auf die rein psychologische Komponente, in diesem Fall dargestellt durch Sarahs Vorgeschichte, hätte dem Streifen vielleicht noch die entscheidenden Impulse in Richtung Meisterwerk gegeben. Ein kleiner, fader Beigeschmack, der dem Prädikat „Schocker“ aber trotzdem keinen Abbruch tut.
Regisseur Neil Marshall gelang mit „The Descent“ ein nicht gerade innovativer, aber geschickt inszenierter und vor allem düsterer Horrorthriller, der den Zuschauer nach einer kurzen Einleitung gnadenlos fesselt. Dank der konsequenten Humorlosigkeit und einer überzeugenden Darstellerriege werden die wenigen Schwächen am Ende locker wettgemacht und ergeben ein Kinoerlebnis, das endlich mal wieder richtig schockt.
Keine Angst im Dunkeln ? Wartet es ab...