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Die Konfrontation mit dem Monster gehört seit Urzeiten zu den fundamentalen Ängsten des Menschen. Mit ihnen verbindet man seit jeher eine Mischung aus Hässlichkeit, Gefährlichkeit und Brutalität. Diese Kreaturen bevölkern bereits seit der griechischen Antike zahlreiche Mythen und Märchen und kanalisieren durch ihre Greifbarkeit menschliche Angst- und Schreckensphantasien.

Auch das Kino war von Beginn an dem Faszinosum des Monsters erlegen. Die Anfänge des Horrorfilms und damit einhergehend die Visualisierung schrecklicher Kreaturen finden sich bereist in der Stummfilmzeit (u.a. Frankenstein 1910, Nosferatu 1922, Das Phantom der Oper 1925). Quasi direkt proportional zur fortschreitenden Technik vom Tonfilm über den Farbfilm bis hin zu immer ausgereifteren Special Effects eröffneten sich dem Horrorkino ganz neue Möglichkeiten für die Erschaffung diverser Monster.

Dank dieser Entwicklung setzte auch der lange Zeit vor sich hindümpelnde Science Fiction-Film zu neuen Höhenflügen an und schuf mit George Lucas erstem Star Wars-Film den Prototyp des modernen Blockbuster. Horror und Science Fiction gingen bereits in den 1950er Jahren eine gewinnbringende Fusion ein, nun - Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre - war allerdings endgültig der Weg frei für eine Mischform die in beiden Genres neue Maßstäbe setzen sollte. Ridley Scotts Alien und John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt gelten dann auch bis heute als Trendsetter und haben längst nicht nur Klassiker- sondern auch Kultstatus erlangt.

Während Alien seinerzeit von Publikum und Filmkritik gleichermaßen gefeiert wurde, fiel John Carpenters Remake des Howard Hawks-Originals zunächst gnadenlos durch. Anders als Scott zeigte Carpenter das titelgebende Monster relativ häufig und in voll ausgeleuchteten Close-ups. Dazu ließ er es mit den menschlichen Körpern Dinge anstellen, die Scotts Wesen beinahe schon wieder human wirken ließen. Man schien damals nicht bereit, abseits des hier schon längst fröhlich wütenden Schmuddel- und Exploitationkinos derartig explizite und drastische Gewaltdarstellungen zu akzeptieren. Zumal das Gezeigte aufgrund seiner hervorragenden Make-up-Effekte gnadenlos realistisch und damit umso schrecklicher wirkte. Der normale Kinobesucher war definitiv nicht daran gewöhnt, in längeren Großaufnahmen mit regelrecht zerplatzenden Körper konfrontiert zu werden, aus denen auch noch allerlei Tentakel oder andere abstoßende Mutationen herausbrachen.

Es wäre allerdings völlig verfehlt und vor allem viel zu banal Carpenters Werk als effektheischende Blutorgie bzw. plakativen Gewaltexzess zu deuten. Trotz ihrer visuellen Drastik wirkt die Brutalität nie selbstzweckhaft, oder des größtmöglichen Schockeffekts wegen eingesetzt. Sie ist vielmehr Klimax sowie gewissermaßen immer wieder auch eine Art Erlösung von einer sich bis ins Unerträgliche steigernden Paranoia-Stimmung unter den handelnden Personen.
Das außerirdische Ding und seine grausamen Fähigkeiten können auch als Metapher für diverse lebensbedrohliche Krankheiten gesehen werden, die den dafür anfälligen menschlichen Körper unbemerkt attackieren um ihn dann von innen heraus zu zerstören.
Nicht zufällig fällt die Erkenntnis von AIDS als tödliche Immunschwächekrankheit in die Entstehungszeit des Films. Auch in Das Ding aus einer anderen Welt lauert der Tod unter der Oberfläche des „Normalen", reicht eine Zelle für die Infektion. In einer der spannendsten Szenen des Films versuchen die noch Lebenden und zumindest nicht Mutierten anhand eines Bluttests festzustellen, wer bereist infiziert ist. Ob Carpenter auf die ersten AIDS-Fälle anspielen wollte, oder andere tödliche Krankheiten im Sinne hatte ist letztlich nicht entscheidend. Die mindestens unterschwellige Angst vor Pandemien und hinterrücks zuschlagenden Krankheiten ist ein typisches Symptom und ein häufiger Begleiter westlicher Wohlstandsgesellschaften, die nur noch selten von existentiellen Nöten heimgesucht werden und schon lange keine Kriege mehr erlebt haben.

Ein weiterer deutlich hervortretender Motivkomplex ist die Angst vor Entfremdung und ein damit einhergehender Vertrauensverlust. In den frühen 1980er Jahren machte sich diesbezüglich vor allem in den USA eine unterschwellige Paranoia-Stimmung breit. Die quasi mit den Gründervätern aufgesogenen Mobilität traf nun auf ein immer perfekter ausgebautes Straßennetz und einen immer regeren Flugverkehr. Nachbarschaften entstanden völlig neu und wild zusammengewürfelt und man begann sich zu fragen, wer denn sein Nachbar in Wirklichkeit sei.
In Carpenters Film wird diese Furcht vor dem „Fremden Nachbarn" auf die Spitze getrieben, indem die Männer nicht mehr wissen, ob ihr jeweiliger Gegenüber bereits von dem Monster infiziert wurde. Damit lauert das Böse permanent unter der äußerlich vertrauten Oberfläche. Entmenschlichung, Verrohung, aber vor allem eine stetig wachsende Paranoia sind die Folge. Keiner traut mehr dem Anderen und sieht in jedem einen potentiellen Feind.
Die ausgezeichnete Kameraarbeit unterstreicht diese psychische Ausnahmesituation noch zusätzlich. In langen und langsamen Fahrten durch die leeren Korridore der Forschungsstation und die von einem Schneesturm heimgesuchten Aussenanlagen wird das Gefühl von Einsamkeit und Ausweglosigkeit auch visuell greifbar.  

Überraschenderweise ist Carpenters Film trotz seiner deutlichen Entstehungszeit-geschichtlichen Bezüge weit näher an der literarischen Vorlage als die Erstverfilmung von Howard Hawks, die nicht nur humoristische Untertöne aufweist, sondern auch das Monster und seine Fähigkeiten anders darstellt.
Wie in John W. Campbells preisgekrönter Kurzgeschichte „Who goes there"? wird auch bei Carpenter eine US-amerikanische Forschungsstation in der Antarktis mit einer außerirdischen Lebensform konfrontiert, die sich in jede erdenkliche Spezies (hier Menschen und Hunde) verwandeln kann, um so möglichst viele deren Artgenossen infizieren zu können. Sollte sie aus der eisigen Einöde entkommen, droht nicht weniger als die Auslöschung der Menschheit.
Auch bei der Figurenkonstellation bleibt Carpenter eng an Campbells Version. McGready (Kurt Russel) entwickelt sich im Verlauf der Bedrohung zum eigentlichen Anführer und führt den erwähnten Bluttest durch. Blair, der Pathologe im Team, wird aufgrund seiner Forschungsarbeit mit Überresten der Lebensform paranoid und muss isoliert werden.

Die deutlichste Veränderung findet sich in der Rahmenhandlung und trägt viel zur albtraumhaften Grundstimmung und famos arrangierten Spannungskurve bei. Zu Beginn des Films werden die Männer Zeugen, wie Kollegen einer norwegischen Forschungsstation per Hubschrauber einen Hund verfolgen und alles versuchen, diesen zu töten. In ihrem Wahn schießen sie sogar auf die Amerikaner und finden bei der folgenden Auseinandersetzung den Tod. Der Hund überlebt und darf im Camp bleiben. Hubschrauberpilot McGready und Doctor Copper fliegen daraufhin zur norwegischen Station und finden sie halb zerstört und verlassen vor. In einem Raum finden sie einen riesigen Eisblock, aus dem scheinbar irgend etwas herausgebrochen ist. Außerhalb stoßen sie auf die halb verbrannten Überreste einer mutierten Kreatur halb Mensch, halb Tier. Wieder zurück, werden dies von Blair obduziert, der normale menschliche Organe entnimmt ...

Noch bevor das Monster zuschlägt, überträgt sich das nervöse und angespannte Unwissen der Männer um die seltsamen Funde unmittelbar auf den Zuschauer, der genauso im Dunkeln tappt und beunruhigende Vorahnungen durchspielt. Carpenter erweist sich hier erneut (nach Assault on Pricinct 13 und Halloween) als Meister des langsamen, subtilen Spannungsaufbaus. Das Setting der einsamen Eisstation und die spärliche Instrumentierung (Carpenter war mit Ennio Morricones Score nicht so recht zufrieden und fügte seine eigenen, typischen Synthesizersounds ein) tun ein  Übriges, um die klaustrophobische, zum Zerreissen gespannte Atmosphäre auf die Spitze zu treiben. Auch nach dem ersten Auftreten des „Ding" und dem damit verbundenen Wissen, womit man es zu tun hat, nimmt Carpenter immer wieder das Tempo heraus und dreht in ruhigen Passagen effektiv an der ohnehin bereits fest angezogenen Spannungsschraube. Die eruptiven Gewaltentladungen wirken dann fast schon befreiend auf die malträtierten Nerven, versinnbildlichen aber auch die Ausweglosigkeit und Unberechenbarkeit der Situation. Das nihilistische und mehrdeutige Ende ist da nur folgerichtig und konsequent.

Mit Das Ding aus einer anderen Welt hat John Carpenter unzweifelhaft eine seiner besten Arbeiten abgeliefert. Spannungsaufbau, Atmosphäre, Spezialeffekte und Zeit-referentielle Bezüge verbinden sich hier zu einem homogenen Gesamtkunstwerk, das im Crossover-Genre Science Fiction/Horror Maßstäbe setzte, die bis heute stilprägend sind. Seinerzeit von Kritik und Publikum gleichermaßen aufgrund seiner drastischen Gewaltdarstellungen geschmäht, zehrt Carpenters nicht mehr ganz so ausgezeichneter Ruf immer noch vom Kultstatus dieses Films. Trotz der zahlreichen, durchaus nicht enttäuschenden Ausflüge in reine Horrorgefilde, bleibt The Thing bis heute sein beunruhigendster und angsteinflößendster Film. Und das liegt keineswegs zuvorderst am Appellieren an menschliche Urängste.

 

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