Chuck die Mörderpuppe gegen den kommunistischen Feind
oder
Warum die Action vermisst wird
(Enthält Spoiler)
Es war die unsägliche Epoche in den 80er Jahren, als die USA promilitaristische und reaktionär-konservative Actionfilme wie Rambo II, Phantom-Kommando oder Missing in Action hervorbrachten, welche als Instrument zur Rechtfertigung einer aggressiven Politik missbraucht wurden. Heute gelten die Filme allesamt als Klassiker des Action-Genres, der Subtext wird bisweilen bei rein handwerklichen Betrachtungen der Filme außer Acht gelassen.
Fakt ist jedoch, dass Ronald Reagans streng antikommunistische Außenpolitik einer Legitimation bedurfte. Dass nach dem Vietnamkrieg in Ost-Asien noch amerikanische Kriegsgefangene unter menschenunwürdigen Bedingungen in Gefangenenlagern vor sich hinsiechen würden, war ein gefundenes Fressen, den Kommunismus und mit ihm die Staatsform der Volksrepublik schlechthin als „Reich des Bösen" zu brandmarken und mit dem scheinbaren Anliegen, die Welt „demokratisieren" zu wollen, zu bekämpfen. Die Ausgaben für Rüstungsgüter wurden während Reagans Präsidentschaft signifikant erhöht und der „Kalte Krieg" sollte wieder an Intensität gewinnen. Ja, die Provozierung eines "warmen" Kriegs wäre wirtschaftlich durchaus lukrativ gewesen.
Missing in Action, ebenjener Kriegs-Actioner, der noch zwei Fortsetzungen nach sich zog, schlägt nun genau in diese Richtung. Chuck Norris, der mit dieser Film-Reihe seinen zweifelhaften Ruf als „härtester Kerl der Welt" („Chuck Norris isst keinen Honig, er kaut Bienen") zementierte, gibt den bärbeißigen Colonel Braddock von der US-Army, der aus der vietnamesischen Gefangenschaft fliehen konnte. Wieder zu Hause in den Staaten, wird er alsbald gebeten, als Botschafter (oder so ähnlich) zu einem Staatsbesuch an den Ort seines Leidens zurück zu kehren. Nach einer Szene des Nachgrübelns, die entfernt an den Beginn von Apocalypse Now mit Captain Willard im Hotel erinnert, entschließt er sich dann doch dazu.
Seine Kleidung wird schon an Bord des Flugzeugs nach Vietnam kritisiert, jedoch ist gerade jene ein unauffälliges Identifikationsmotiv für den amerikanischen Durchschnittsbürger: Jeans und leicht geöffnetes Arbeitshemd - der Soldat aus der breiten working class. Reagan, selbst einst Schauspieler, wusste die Menschen durch sein Charisma gezielt für seine Zwecke zu gewinnen. Ebenso verhielt es sich mit den Actionfilmen während seiner Amtszeit, in denen Stärke symbolisierende Einzelkämpfer oftmals mit entblößtem, durchtrainiertem Oberkörper gegen den gesichtslosen Feind antreten mussten. Die Metapher liegt auf der Hand: Hardliner und demokratischer, starker Heilsbringer Amerika, der den Rest der Welt vom Bösen, vom Kommunismus, befreit.
Ebenjener gesichtslose Feind existiert auch in Missing in Action. Der verlogene General Tran (James Hong) begrüßt ihn am Flughafen, ist aber ebenso wie sein Scherge Vinh (Ernie Ortega), dem Braddock schon im Krieg begegnete, nur ein missmutiger Misanthrop, der mit Pistole unterm Kopfkissen schläft und nur darauf lauert, den gehassten Braddock in einem unbeobachteten Moment zu töten. Missing in Action ist in diesen Motiven plump, um nicht zu sagen reaktionär. Der vorhergegangene Vietnamkrieg wird aus Sicht von Braddock erzählt, die Vietnamesen werden als sadistische Barbaren gezeigt. Sie foltern und morden, die „guten" Amerikaner sterben durch sie. Es ist diese Schwarz-Weiß-Sicht, welche die Amerikaner als keimfreie Helden ohne Dreck an den Händen und die Vietnamesen als böse Dämonen zeichnet, die den Film trotz allem Unterhaltungswert als miese Propaganda so schwer genießbar machen.
Im letzten Drittel des Film begibt sich dann Braddock ebenso wie John Rambo in Rambo II auf seine Mission, Kriegsgefangene ausfindig zu machen und zu befreien. Weder John Rambo noch Colonel Braddock tun dies, weil es ihnen befohlen wurde. Sie handeln auf eigene Faust, mit dem patriotischen Gewissen eines Veteranen und symbolisch für das Wunschdenken der Amerikaner, ihre verschleppten Kämpfer (wenn überhaupt vorhanden) auf irgendeinem Wege zu befreien. In Sachen Pathos unterscheidet sich die musikalische Untermalung beider Filme nicht. Auch nicht in seinen stumpfen Stereotypen, das klassische Feindbild „Charlie" als menschen- und besonders: Amerikaner verachtendes Ungeheuer zu zeichnen, was beinahe schon an Rassismus grenzt.
Dazu gesellt sich eine gehörige Portion unfreiwillige Komik, wenn Chuck Norris seinen gestählten Körper narrativ völlig unnötig immer wieder entblößt oder - gegen Ende - mit einem MG bewaffnet enorm überstilisiert aus einem Fluss wieder auftaucht, um alle Feinde zu eliminieren. Vom schauspielerischen Talent des ehemaligen Karateweltmeisters möchte ich gar nicht erst anfangen. Denn zum Glück halten ihn das Töten von gefühlten 100 Trillionen feindseliger Vietnamesen und etliche Explosionen ohnehin davon ab.
Regisseur Joseph Zito, der im selben Jahr (1984) mit Freitag der 13. - Das letzte Kapitel noch ein weiteres dümmliches Werk ablieferte, überzeugt jedoch nicht in seiner Tätigkeit als Regisseur. Seinen Film geht jegliches Timing ab, die Actionsequenzen gerieten mit wenigen Ausnahmen auch eher unspektakulär bis beinahe bieder und beschränken sich meist auf billige Schusswechsel und Feuergefechte, wo sich die Pyrotechniker austoben konnten. Nach Sinn und Verstand des Plots zu fragen, entpuppt sich als überflüssig, wenn man nur das „Ende" des Films für sich betrachtet.
Dort stürmt Braddock mit seinen befreiten Kameraden in eine Konferenz zwischen Amerikanern und Vietnamesen, bei denen letztere dementieren, dass es Straf- oder Gefangenenlager gäbe. Braddock betritt den Raum und das Bild friert ein - Botschaft: Fehlanzeige? Nicht wirklich, denn: Die Aufeinanderfolge dieser Sequenzen beweist, dass die Vietnamesen und somit der gesamte Kommunismus verlogen sind. Die vermissten Soldaten (der Ausdruck „Missing in Action" bezeichnet genau das) werden von dem bösen Klassenfeind gefangen gehalten und dieser sorgt dafür, dass die amerikanischen Soldaten Traumata davon tragen oder sterben. Deswegen müssen sie getötet werden - bevor sie die Amerikaner töten. Spätestens an dieser Stelle des Films dürfte auch jeder unpolitische Mensch seinen moralischen Zeigefinger erheben und proklamieren: „So nicht!".
Selten habe ich einen Film gesehen, der ideologisch und inhaltlich so fragwürdig und gleichzeitig so trashig ist wie Missing in Action. Die politische Antikommunismus-Propagandadoktrin ist offensichtlich und dies hält mich davon ab, diesem Film wenigstens noch durch seinen hohen Unterhaltungsfaktor eine durchschnittliche Bewertung zu geben. Einzig als ein perveres polit-, film- und zeitgeschichtliches Dokument anzusehen (4/10).