Es gibt Filme, die machen im Grunde alles richtig. Sie haben ein interessantes Thema, daß dazu noch politisch korrekt angegangen wird. Der Storyaufbau ist interessant und verschenkt nicht gleich das Thema, die Schauspieler sind gut und es befinden sich einige richtige Stars darunter - dazu spielen sie mit sichtlicher Freude und man kann sicher sein, daß sie sich der Botschaft, die der Film vermitteln will, ohne Zögern anschließen werden. Selbstverständlich ist die Bildqualität gut, die Regie einwandfrei und die Stilmittel sind völlig angemessen und frei von künstlich gewollten Manierismen.
Ein Film, der durchaus ein größeres Publikum ansprechen will und kann, aber irgendwie nicht richtig funktioniert, nicht wirklich betroffen macht oder mitreißt - ein solcher Film ist "Fast Food Nation".
Trotz seiner sehr guten Besetzung mit Greg Kinnear, Patricia Arquette, Ethan Hawke, Bruce Willis und vielen anderen hat "Fast Food Nation" nicht annähernd die Aufmerksamkeit erreicht wie der Dokumentarfilm "Superzise me" ,der sich einem ähnlichen Thema widmete - genauso wie er auch keine aufgeregten Reaktionen diverser Fast-Food-Ketten hervorrief. Dabei geht Richard Linklater, der bisher schon sehr ordentliche Publikumserfolge z.B. mit "School of Rock" verzeichnete und ein gutes Feeling für den Zeitgeist bewies ,wie in seinem "Dazed and confused" aus dem Jahr 1993 bewiesen, absolut drastisch vor und spart nicht mit deutlichen Bildern.
Seine Erzählform ist ein wenig an Altmans "Short Cuts" angelehnt mit verschiedenen, scheinbar unzusammenhängenden Storylines, die sich dann in einem Schnittpunkt treffen. Dieser zentrale Punkt ist eine Firma für Fleischverarbeitung, die der hier fiktiven Fast-Food-Kette Mickey's das Fleisch für die Burger liefert. Zu Beginn erleben wir Don Henderson, den Marketingleiter dieser Fast Food Kette (Greg Kinnear), der von seinem Chef darüber informiert wird, daß eine unabhängige Forschergruppe festgestellt hat, daß in dem Burgerfleisch zu viele Kolibakterien enthalten sind - sprich es "ist zu viel Scheiße im Fleisch".
Parallel beobachten wir mexikanische Flüchtlinge bei ihrem gefährlichen Weg über die us-amerikanische Grenze. Schnell ist zu merken, daß sie für die Helfershelfer nur billige Arbeitskräfte darstellen, die auszubeuten sind. Unsere Protagonisten, zwei mexikanische Schwestern und der Ehemann einer der Beiden, gelangen so in die besagte Fleischverarbeitungsfabrik. Während sie dort in einen fast unmenschlichen Job zwischen stinkenden Kadavern, gefährlichen Arbeitsprozessen und ausbeuterischen Vorgesetzten eingegliedert werden, erhält der Marketingleiter eine Showtour durch die sterilen, gepflegten Räume der supermodernen Fabrik.
Ein weiterer Erzählstrang befasst sich mit einer jungen Verkäuferin im nahegelegenen Fast-Food-Tempel, die zwischen den Karrierechancen im selbigen und einem Studium schwankt. Dazu gesellen sich Familienmitglieder wie ihr charismatischer Onkel (Ethan Hawke), der aus der kleinstädtischen Struktur ausgebrochen ist, und ihre lebenslustige Mutter (Patricia Arquette).
Ähnlich wie in "Short Cuts" gibt es Personen wie die jungen mexikanischen Frauen, die uns den gesamten Film über begleiten, und Personen, die nur für eine Szene mitspielen. Andere tauchen irgendwann auf und bleiben, andere wie der Marketingleiter verschwinden plötzlich mitten im Film. Das soll natürlich einen realistisch wirkenden Anstrich haben, funktioniert aber hier überhaupt nicht, da eine Identifikation mit den Darstellern unmöglich gemacht wird. Dafür hätte sich am ehesten der sympathische Don Henderson angeboten, der sich keineswegs mit oberflächlichen Informationen abspeisen läßt. Er forscht weiter nach und begegnet dabei einem souverän von Kris Kristofferson gespielten Farmer, der ihn darüber informiert, was in dieser Fabrik wirklich los ist, worüber wir Zuschauer ja schon durch die erniedrigenden Erlebnisse der Arbeiter vor Ort informiert wurden.
Endlich begegnet Henderson auch dem Kontaktmann zwischen Fast-Food-Kette und Fleischfabrik, der den Deal eingefädelt hat und unter Verdacht steht, dabei selber Dreck am Stecken zu haben. Bei saftigen Burgern im nahegelegenen Verkaufstempel kommt es zum Kulminationspunkt und der meiner Meinung nach wichtigsten Szene des Films, die diesen letztendlich scheitern läßt.
Den Kontaktmann spielt Bruce Willis in seiner selbstbewußt, coolen Art und er ist in diesem Fall, obwohl man ihm mit Freude dabei zusieht, die falsche Wahl. Er wird von Henderson mit einer Vielzahl von Vorwürfen konfrontiert, die ihn keine Sekunde aus der Ruhe bringen - im Gegenteil, er gibt sie unumwunden zu. Und erklärt Henderson mit wenigen gezielten Worten die Hintergründe. Dabei streift er die wirtschaftliche Armut Mexikos und macht klar ,daß die Arbeiter in der Fabrik an einem Tag so viel verdienen, wie in Mexiko in einem Monat. Auch macht er deutlich, daß keinerlei rechtlich unkorrekte Vorgehensweise vorliegt, da das Fleisch vor Verzehr entsprechend erhitzt wird - und schließt dazu mit den schönen Worten "wir alle müssen schließlich manchmal Scheiße fressen". Nicht zuletzt weist er auch den guten Henderson auf dessen Job hin, was diesen sehr schnell ,angesichts möglicher negativer Folgen, an seinen Protesten zweifeln läßt...
Hätte ein unsympathischer, steifer Technokrat diese Argumente vorgebracht, wäre das vielleicht als weiterer Baustein einer verlogenen Scheinmoral begreiflich geworden. Aber Willis wirkt wie ein Mann, der - wenn es denn möglich wäre - selbstverständlich anders handeln würde. Selbst dieser souverän argumentierende Typ kann gegen die globalen wirtschaftlichen Zwänge nicht an und das überträgt sich auf den Zuseher. Ähnlich wie bei Don Henderson verschwinden auch unsere Protestrufe und man folgt dem restlichen Geschehen auf dem Bildschirm, daß sich zunehmend drastischerer optischer Mittel bedient, mit wachsendem Fatalismus.
Dazu ist es auch ein Nachteil für den Film, daß die Thematik hinlänglich bekannt ist. Im Grunde kann uns Linklater einfach nicht mehr überraschen und deshalb ist der lobenswert lakonische Erzählstil, der nicht zu sehr dramatisiert, sondern möglichst realistisch sein will, eher kontraproduktiv. Hier wäre ein aufwühlender, vielleicht in seinen Mitteln übertriebener Film die bessere Wahl gewesen, um das Publikum zu erreichen und die real existierenden Fast-Food-Ketten unruhig werden zu lassen.
Fazit : "Fast Food Nation" ist ein gut gewollter, ordentlich gemachter ,unterhaltender Film mit sehr guten Schauspielern. Die Thematik über die Machenschaften im Hintergrund der Burger-Paradiese krankt an ihrem Bekanntheitsgrad, so daß die Story hier trotz einer originellen Erzählform nicht fesseln kann.
Zudem bietet der Film keinerlei Personen zur Identifikation. Im Gegenteil, beginnend mit Bruce Willis Rede über die nicht zu überwindenden Zwänge des Kapitalismus, schleicht sich beim Zuseher ein unaufhaltsamer Fatalismus ein, der auch durch dokumentarische Bilder nicht mehr aufgebrochen wird.
Letztlich scheitert "Fast Food Nation" daran ,daß er zu viel sein will - ein spannender, unterhaltender Film und ein anspruchsvolles, aufklärerisches Werk, daß zu viele Aspekte anreißt, aber Keinem wirklich auf den Grund geht. Für die eindeutig gute Absicht gibt es von mir (6/10).