Review

Noch ein Survival-Horror-Thriller, in dem Teenager im Urlaub grausame Tode sterben. Wer jetzt an „Hostel“ denkt, liegt nicht ganz falsch. „Turistas“ geht ähnliche Wege. Statt Amsterdam und einem osteuropäischen Städtchen ist hier allerdings Brasilien der Schauplatz für die blutige Handlung. Dies ist nicht der einzige Unterschied zum vermeintlichen Vorbild und Beginn der aktuellen Terror-Filmwelle. Obwohl Brasilien sicherlich eine gute Ausgangslage für einen „sonnigen Thriller“ ist, wirkt „Turistas“ wesentlich düsterer, als „Hostel“. Dies liegt vor allem daran, dass nach dem obligatorisch ausgelassenen Anfang die Handlung entweder nachts oder in Höhlen vorangetrieben wird. Gerade in den letztgenannten Szenen erinnert „Turistas“ auch an ein anderes Vorbild: „The Descent“. So stellt sich in den späteren Szenen eine vergleichbare klaustrophobische Atmosphäre ein, die durch den Faktor Schwimmen und Sauerstoffmangel dem Zuschauer auch durchaus effektiv zusetzt. „Hostel“ und „The Descent“ sind nicht gerade die schlechtesten Vorbilder für einen ambitionierten Horrorfilm der heutigen Zeit. Ob „Turistas“ diesen allerdings gerecht wird, soll im Folgenden diskutiert werden.

Die große Stärke von „Hostel“ war zum Einen die nachvollziehbare und erschreckend realistische Handlung und zum Anderen die ausführliche Charakterisierung der Protagonisten in Filmhälfte Eins, die den Zuschauer während der derben Folterszenen noch mehr mitfiebern liess. Die Handlung ist hier ebenfalls erschreckend und nachvollziehbar und somit realistisch: SPOILER Das Motive der Täter liegt hier in den Organen der Opfer begründet. Die Jugendlichen werden verschleppt und sollen „ausgenommen“ werden. Dass es eine Organmafia gibt, hat der aufgeschlossene Zuschauer schon mindestens ein Mal bei „Stern-TV“ gesehen, insofern ist das Szenario mindestens genauso glaubwürdig, wie die schmutzigen Geschäfte der „Elite Hunting“-Gruppe in „Hostel“. SPOILER ENDE Dass „Turistas“ dennoch nicht die gleiche effektive Wirkung beim Zuschauer erzielt. Liegt zum Einen daran, dass der Zuschauer den Braten zu schnell riecht. Es ist schnell klar, wie der Hase läuft. Während „Hostel“ die widerwärtigen Hintergründe scheibchenweise entblättert, macht Regisseur John Stockwell keinen Hehl um die Motive der Bösewichter. Die Handlung als solches nimmt auch an keiner Stelle eine unvorhersehbare Wendung. Dies ist durchaus als Schwäche des Drehbuchs zu werten. Der andere Grund für die größere Effektivität von „Hostel“ liegt darin begründet, dass die Charaktere nicht stark genug sind. Lernt man in Eli Roths Lehrstück die Reisegruppe sehr ausführlich kennen, nimmt sich Stockwell viel weniger Zeit. Zum Anderen unterscheiden sich die Reisenden kaum voneinander. Dennoch wird schnell klar, wer ziemlich zeitnah das Reich der Lebenden verlassen muß, der Held kristallisiert sich schon in den ersten Filmminuten heraus. Insofern ist die gute alte Formel „man nehme einen Haufen junger und unbekannter Schauspieler, damit der Zuschauer nicht ahnen kann, wen es als nächsten erwischt“ leider nutzlos.

Rein inszenatorisch gibt sich „Turistas“ kaum eine Blöße. Die anfängliche Strandparty könnte man für einen Bacardi-Werbespot nutzen und auch die Actionszenen sehen sehr ansehnlich aus. Manchmal, gerade in den Kämpfen der Protagonisten im Halbdunkel und in den Höhlen, verliert der Zuschauer ein wenig die Übersicht. Dies ist ein Schicksal, dass „Turistas“ mit dem schon oben erwähnten „The Descent“ teilt. Bei einigen schnellen Montagen, weiß der Zuschauer gar nicht, wer geschossen hat, oder wem er gerade folgt. Über diese kleinen Schwächen kann man aber hinwegsehen, denn ansonsten ist der Film tadellos fotografiert und kann zudem von dem schönen Setting und den beeindruckenden Kulissen punkten. Die Szenen im Tunnelsystem toppen sogar die Atmosphäre von „The Descent“, denn sie wirken noch klaustrophobischer. Die Goreszenen sind auch sehr realistisch und nicht so überzogen, wie in „Hostel“. Es gibt weniger zu sehen, was zu sehen ist, sieht gut aus, doch Grauen beim Zuschauer wird höchstens zwei Mal erzeugt. Alles in allem wirkt der Film sehr hochwertig, wertiger z.B. als „Hostel“, der aus seiner Ausgangslage allerdings deutlich mehr macht.

Die Darsteller setzten sich, wie aus dem Handbuch für Teen-Horror-Filme abgeschrieben, aus jungen und unbekannten Gesichtern zusammen, die allesamt schön anzusehen sind, aber auch keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Da war „Hostel“ schon im Vorteil, konnte er doch mit einigen bemerkenswerten Darstellern und einem charismatischen Jay Fernadez punkten, der als Held des Filmes ein gutes Stück des Films auf seinen jungen Schultern trug. Diesen Part übernimmt bei „Turistas“ der junge Josh Duhamel, der auch tatsächlich der Einzige ist, der aus dieser etwas gesichtlosen Besetzung heraussticht. Er spielt seinen Helden einigermaßen tough, glaubwürdig und halbwegs memorabel, ist aber dennoch weit von der tour de force des Jay Hernandez entfernt.

„Turistas“ ist ein ansehnlicher Horrorfilm mit nackter Haut, schönen Menschen, einer schönen Location und einer realistischen Story. Dass man einen Horrorfilm in tropischer Urlaubsatmosphäre auch gründlich verhunzen kann, hat „Ich weiß noch immer, was Du letzten Sommer getan hast“ bewiesen. Von dieser blöden und unlogischen Schlaftablette des modernen Teenhorrors ist „Turistas“ zum Glück meilenweit entfernt. Dass der Regisseur gern in südlichen Gefilden mit hübschen Menschen arbeitet, hat er mit „Into the Blue“ auch schon bewiesen. Messen lassen muß sich der Film allerdings mit „Hostel“, in dessen Fahrwasser er schwimmt und auch so verkauft wird. Da muß sich „Turistas“ ganz klar geschlagen geben. Zwar deutlich besser als „Hostel 2“, erreicht er nicht die Intensität des Originals. Als eigenständiger Film betrachtet, ist „Turistas“dabei aber durchaus sehenswert. Es wäre schön gewesen, wenn das Drehbuch ein wenig ausgefeilter gewesen wäre, doch verglichen mit der Schwemme an Direct-To-DVD-Standardhorrorkost, ist „Turistas“ ein überzeugender Film, den sich der durchschnittliche Horrorfan auch sehr gut ansehen kann. Nicht mehr, aber auch nicht weniger...

Fazit:

6 / 10

Details
Ähnliche Filme