Rocky Jr.: [talking to Rocky as he is getting ready for Round Three] Everybody thought this was a joke, including me! Now, nobody's laughing!
Gelacht und an einen Witz gedacht gehabt haben dürften auch viele, als Sylvester Stallone (City Cobra) einst verkündete, mit Ende Fünfzig noch einen sechsten Rocky-Streifen zu inszenieren. Doch wie im Film lacht nun so gut wie keiner mehr über die gealterte Action-Ikone der 80er Jahre. Ich selbst war ziemlich skeptisch gegenüber dem ehemaligem Demolition Man und hatte es auch für keine recht gute Idee gehalten. Einen Megaflop wie das Schulz-Comeback hatte ich zwar dennoch nicht erwartet, doch mit einem Erfolg hab auch ich nicht gerechnet. Doch mit Rocky Balboa schlug Stallone all die Skepsis und Kritiken im wahrsten Sinne des Wortes in den Wind, und bewieß uns eindrucksvoll, dass er doch nicht zu alt für diesen Scheiß ist. Ohnehin scheinen nun die alten Action-Recken sich nochmal zu erheben, um mit Neuauflagen ihrer Welthits der jungen Generation wie The Rock oder Jason Statham eine Lektion zu verpassen. Denn vor vier Jahren hatte Schwarzenegger mit dem dritten Terminator-Streifen für Vorarbeit gesorgt und demnächst schlägt auch wieder Bruce Willis als John McClane zu. Mich freut es auf jeden Fall. Die vorherigen Rocky-Filme konnte ich aufgrund meines damaligen Alters freilich noch nicht im Kino verfolgen (womit Rocky Balboa mein erster Rocky im Kino war), doch ich habe sie einst mit großer Begeisterung im Fernsehen, überwiegend in den dritten Programmen, verfolgt. Es ist als wenn man einen guten Freund seit langer Zeit wiedersieht!
Rocky Balboa (Sylvester Stallone) lebt zurückgezogen in Philadelphia und ist Besitzer des "Adrian's", einem Restaurant, welches er nach seiner verstorbenen Frau Adrian benannt hat. Vom Glanz seiner besten Jahre ist nur noch wenig übrig und auch sein gesamtes Vermögen hat er verloren. Des Weiteren ist er noch sehr von Adrians Krebstod erschüttert und verliert mehr und mehr den Kontakt zu seinem Sohn Robert (Milo Ventimiglia). Dieser kapselt sich immer mehr von ihm ab, da er es leid ist, ständig im Schatten seines großen Vaters stehen zu müssen. Ein Fernsehsender veranstaltet einen virtuellen Kampf zwischen Rocky und dem aktuellen, ungeschlagenen, jedoch mangels gleichwertiger Gegner unbeliebten Weltmeister aller Klassen Mason "The Line" Dixon (Antonio Tarver). Aus dieser Simulation geht Rocky als Sieger hervor. Unter einem gewaltigen Mediendruck und auf Drängen des aktuellen Weltmeisters, möchte Rocky es noch einmal wissen. Nach einem harten Training soll er gegen den amtierenden Weltmeister Mason 'The Line' Dixon antreten und gerät so wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit, was er eigentlich zu vermeiden versuchte. Jedoch stellt er sich dieser Herausforderung, seinem letzten großen Kampf in seinem Leben...
Hier erhebt sich Sylvester Stallone wie seine Filmfigur Rocky selber nochmal wie der Phoenix aus der Asche und kann die Boxerserie endlich würdig abschließen. Er spielt entsprechend seiner im Alter gewohnenen Erfahrung Rocky ziemlich realistisch und stellt ihn nicht als überlebensgroßen Mega-Boxer da, wie er es noch im dritten und vierten Teil getan hat. Hier ist Rocky ein Mensch wie du und ich, der überwiegend mit ganz alltäglich Problemen und der Trauer um Adrian zu kämpfen hat. Somit ist der finale Boxkampf hier keineswegs Rockys größter Kampf im Film, den er zu bestreiten hat. Von der alten Garde ist zudem auch Burt Young (Es war einmal in Amerika) wieder mit von der Partie und kann zusammen mit Stallone den Film enorm aufwerten. Als Paulie hat er somit ein paar der besten Sprüche auf Lager. Statt wie im fünften Teil Stallones Sohn Sage wird Rockys Sohn hier nun von Milo Ventimiglia (Verflucht) verkörpert, was er recht gut über die Bühne ziehen kann. Die von Geraldine Hughes (Little John) dargestellte Marie soll keineswegs als Adrian-Ersatz erhalten, sondern geht mit Rocky nur eine platonische Freundschaft ein. Insgesamt macht auch Hughes hier einen guten Job. Ebenfalls wieder im Boot ist Tony Burton (Assault - Anschlag bei Nacht), der Rocky ganz taditionell auf Training und Kampf einschwören kann. Als lokaler Rocky-Gegner macht sich Box-Champ Antonio Tarver ganz gut, auch wenn er nicht ganz das Charisma von Carl Weathers, Mr. T und selbst Dolph Lundgren hat, und somit von allen Rocky-Gegnern leider am wenigsten Eindruck hinterlässt. Im Ring allerdings lässt er seine Vorgänger mehr oder weniger alt ausschauen, da er im Gegensatz zu diesen vom Fach ist. Kurz schaut auch mal Ohren-Gourmet Mike Tyson (Knocked Out) rein und leistet sich mit Tarver einen kurzen, verbalen Schlagabtausch.
Um es gleich klar zu stellen: Rocky Balboa ist ein Film für die Fans, also jene, die auch die vorherigen Filme samt ihren Ritualen und der Kultfigur lieben und schätzen. Jüngere Zuschauer werden sich mit dem Film wohl eher schwer tun. Man muss dennoch kein Hardcore-Fan, aber für die Materie an sich empfänglich sein. Wem also so ist, dem hat Stallone mit dem sechsten Film ein echtes Geschenk gemacht. Allein wenn Rocky begleitet von der wuchtigen Titelmelodie sein Training (der Anzug sitzt nach sechzehn Jahren immer noch perfekt) im verschneiten Philadelphia startet, dann richten sich einem schonmal die Nackenhaare im Nostalgierausch auf. Doch das ist nicht das einzige bekannte Ritual, wofür die Rocky-Filme bekannt sind, was man hier glücklicherweise beibehalten hat. Wie schon erwähnt schwört Duke Rocky ganz nach der alten Tradition auf das Training und den Kampf ein. Und wie er das macht, das hat schon was. Besagter Kampf selbst braucht zu Beginn etwas Zeit, um in Fahrt zu kommen.
Sobald dies geschehen ist, erlebt man einen der wohl besten Filmboxkämpfe aller Zeiten. Nicht ganz so auf pure Action ausgelegt wie der Jahrhundertkampf im vierten Teil, aber immer noch mit dem nötigen Drive und den richtigen Mitteln in Szene gesetzt. Akustisch erinnert er an Rockys Kampf gegen Clubber Lang, wird aber für die Reihe mit ganz neuen und unverbrauchten Stilmitteln in Szene gesetzt. Das Feeling bleibt durch den gesamten Kampf hinweg realistisch, und mutet dank der Kampfankündigung von Michael Buffer sowie sonstigen Details wie ein richtiger HBO-Boxkampf an. Garnieren kann Stallone das finale Duell mit schwarzweißen Montagen und wackeliger Handkamera. Einen großen Beitrag, weshalb der Kampf an echtes Profiboxen erinnert, trägt natürlich auch Antonio Tarver, den Stallone verpflichtete, damit der Kampf authentischer wirkt. Und die Strategie geht problemlos auf. Und es ist (glaube ich zumindest) der erste Rocky-Kampf, der nicht in einem KO-Sieg endet.
Noch wichtiger als der eigentliche Kampf ist für den Film allerdings das Gefühlsdrama, das im Vorfeld bewältigt wird. Denn Rocky Balboa ist kein Box-Actioner, sondern vielmehr ein Boxdrama, was den Film schonmal etwas mit dem Original auf eine Stufe stellt. Der Film konzentriert sich voll auf die dramatischen Elemente. So trauert Rocky nicht nur der an Krebs verstorbenen Adrian hinterher, sondern ist auch darum bemüht, die Beziehung zu seinem Sohn zu retten. Schaffen tut er dies in einem klärenden Streitgespräch auf offener Straße. Solche Dialoge waren schon Bestandteil der anderen Filme der Reihe, nur, dass es dort stets Adrian gewesen war und hier nun ihr Sohn den Platz einnimmt. Der Tod von Adrian ist dann auch ein wichtiger Teil des Dramas und zeigt in anrührenden, aber nicht kitschigen, Szenen, wie Rocky mit Paulie durch die alten Gegenden zieht, um sich an vergangene Ereignisse zu erinnern, die er mit Adrian verbindet. Eindrucksvoll auch der darauf folgende Dialog zwischen Rocky und Paulie, dem das alles allmählich zu viel wird. Von Burt Young eine eher ungewohnt gute Charakterdarstellung.
Und es wäre mit Sicherheit ein Kinderspiel gewesen, zwischen Rocky und der alleinerziehenden Marie eine Romanze zu basteln. Doch Rocky liebt Adrian immer noch und springt nicht einfach mit Marie in die Kiste, da Stallone sehr genau weiß, dass dies nicht zum Stil der Figur gehört. Vielmehr will Rocky ihr nur helfen, weil es einfach seinem Charakter entspricht, wodurch er und ihr Sohn Steps Freunde werden. Nicht mehr und nicht weniger. Eine aufgesetzte Liebesbeziehung wäre für die Handlung auch mehr als störend und unglaubwürdig gewesen. Es sind dann auch noch die kleinen Details, die den Film so liebenswert machen. Um sich an vergangene Erfolge zu erinnern, gibt Rocky in seinem Restaurant auf Wunsch Anekdoten zum Besten und ist sich auch für ein Foto nicht zu schade. Dies zeigt eindrucksvoll, dass Rocky in gewisser Weise nicht nur Adrian, sondern auch seiner Boxerkarriere nachtrauert. Auch Randcharaktere wie Spider Rico, der in der Küche malocht, um seine Rechnungen zu begleichen, sowie etliche Kommentare von vereinzelten Reportern oder Ringkommentatoren veredeln Rocky Balboa noch zusätzlich.
Somit ist nicht nur unabhängig vom Kampfausgang Rocky im Film der Gewinner, sondern auch Sylvester Stallone, der sich ebenso neuen Respekt erkämpft hat, da er paralell zu seiner Figur Rocky auch ein gelungenes Comeback gestartet hat, obwohl hier das Unterfangen ebenso zu Beginn unter keinem guten Stern stand. Doch er konnte mich und auch all die anderen skeptischen Kritiker unerwartet eines Besseren belehren. Eine schöne Erholung von dem meistens durch CGI-Unfug überlasteten Firlefanz der Gegenwart ist der Film durch seine altmodische und ruhige Machart dann auch noch. Für mich jedenfalls der zweitbeste Film der legendären Rocky-Saga. Somit kann der vierte Rambo ruhig kommen und sich künftige Action-Stars wie die besagten Kandidaten The Rock und Jason Statham trotz guter Actioner für eine kurze Zeit nochmal warm anziehen - denn die Action-Dinosaurier sind noch lange nicht ausgestorben!