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Die Moritat um die Räuberbande im Spessart, die etwa im 18.Jahrhundert spielen soll, war einer der erfolgreichsten deutschen Filme in den 50er Jahren. Und das bedeutet aus einem heutigen Blickwinkel heraus meist nichts Gutes, denn es ist gleichzusetzen mit einem sehr am damaligen Massengeschmack orientierten Geschehen. So hat unverkennbar der Zahn der Zeit an "Das Wirtshaus im Spessart" genagt, weit mehr als an zeitloseren Werken ,wie der ebenfalls mit Liselotte Pulver im selben Jahr gedrehte Film "Die Zürcher Verlobung".

Dabei kann man gut erkennen, warum die Geschichte um Comtesse Franziska so erfolgreich war, denn sie kombiniert in geradezu idealer Weise Stile aus den damals beliebtesten Genres. Beginnend mit einem Vogelhändler und Moritatenerzähler (Rudolf Vogel), der dem Geschehen eine erzählerische Klammer gibt, wird hier viel gesungen. Aber niemals kitschig, sondern fast immer in einer Art Sprechgesang, die zwischen komödiantisch, albern und sanft kaberettistisch hin und her driftet. Besonders tun sich dabei die Erz-Komiker Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller hervor, die hier als gutmütige, leicht trottelige Räuber das machen, was sie am besten können - sich über kleinbürgerliches Denken zu amüsieren.

Die ganze historisch anmutende Kulisse um das Wasserschloß Mespelbrunn herum, wirkt heute teatralisch künstlich mit gezielt schmutzigem Räuberlager und einem von waberndem Nebel umflorten düsteren Wirtshaus mitten im Wald. Dabei ist keineswegs gesagt, daß diese Wirkung nicht schon damals so künstlich beabsichtigt worden war, denn trotz der gruseligen Atmosphäre verbirgt der Film keine Sekunde, daß es sich hier um eine farceartige Komödie handelt.

Die Macher um Regisseur Kurt Hoffmann nutzen die Story im Kreis der Räuber zu einer Vielzahl respektloser Bemerkungen und Konstellationen, die für ihre Zeit recht gewagt waren. So läuft die gesamte Zeit ein dicker Pfarrer mitten durchs Geschehen, dessen weise Sprüche und religiöser Zeigefinger von deplaziert bis lächerlich wirken. Der Film nutzt das Deckmäntelchen im Zusammenhang mit den Gesetzlosen für eine Vielzahl von Techtelmechteln und anzüglichen Situationen.

Genau deshalb vermittelt "Das Wirtshaus im Spessart" heute so ein vieldeutiges, manchmal auch uneinheitliches Bild. Der historische Rahmen wirkt trotz schöner Kostüme keineswegs authentisch. So leistet sich der Film zum Beispiel einen Oberst eines Kavallerieregiments, dessen Auftritt an einen typischen preußischen Kommiskopp aus der Zeit von Wilhelm II. erinnert. Liselotte Pulver spielt zwar eine junge Adlige, verhält sich aber meist wie eine Mischung aus Rüpel und selbstbewußter junger Frau und verkörpert damit exakt den Geist der damaligen Bundesrepublik.

Man kann sich gut vorstellen, daß diese Mischung aus Märchen, gruseliger Räuber-Atmosphäre, Komödie mit vielen witzig frechen Sprüchen und Gesängen und einer burschikos, respektlosen Liselotte Pulver sehr gut ankam. Dazu gibt es eine Menge Seitenhiebe auf das Militär,die Kirche, die adligen Führungskräfte, die immer nur an ihr Geld denken, und das Spießbürgertum als solches. Und nicht zu vergessen noch eine romantische Liebesgeschichte zwischen der Comtesse und dem Räuberhauptmann (Carlos Thompson).

Die Story selbst ist völlig profan und hat im Grunde nur den Zweck, den vielen Gesängen und komödiantischen Szenen einen Rahmen zu geben. Und um möglichst viele frivole Momente zwischen unverheirateten Männlein und Weiblein zu konzipieren. Leider geht dem Geschehen zum Schluß etwas die Luft aus, da eben das Ganze noch ein Happy-End braucht und natürlich der Räuberhauptmann in Wirklichkeit ein ganz lieber und dazu noch adliger Kerl ist. An solchen Storywendungen erkennt man eben auch den Geist von 1957, der sich hier in einem angemessenen Rahmen etwas traut, aber letztendlich doch die Erwartungshaltungen des Publikums an eine schöne Geschichte erfüllen will.

Im Gegensatz zu Filmen, die sich an die damalige bundesrepublikanische Realität hielten und dabei einfach und modern blieben, wirkt "Das Wirtshaus im Spessart" gerade durch seine vielen Anspielungen, sein am Zeitgeist orientierten kaberettistisch komödiantischen Willen, seinen noch nicht durchgehaltenen emanzipatorischen Ansatz, der die in einer Hosenrolle agierenden Liselotte Pulver zum Schluß einer mädchenhaft romantischen Unterordnung opfert, etwas altmodisch, manchmal vom Tempo her fast betulich. Die damals gewagten Ansätze können sich heute nicht mehr recht vermitteln, doch den Spaß, den alle Beteiligten an dem Geschehen hatten, spürt man immer noch.

Fazit : Räuberposse um eine Comtesse, die zusammen mit Freunden von Räubern entführt wird und als Mann verkleidet entfliehen kann. Als ihr Vater, ein ausgemachter Geizhals, der mehr an sein Geld als an seine Tochter denkt, das Lösegeld nicht zahlen will, kehrt die Comtesse kurzentschlossen in das Räuberlager zurück, um den Geiseln zu helfen.

Kurt Hoffmann kann nicht nur eine Vielzahl komödiantischer Schauspieler von Hans Clarin, über Ralf Wolter bis Günter Lüders aufbieten und das damals führende Komikerpaar Neuss/Müller, sondern liefert hier einen dichten Reigen respektloser Einfälle ab, die für die damalige Zeit ziemlich gewagt waren. Aus heutiger Sicht hat diese Konstellation natürlich ihre Wirkung verloren. Trotzdem ist "Das Wirtshaus im Spessart" nicht nur als Zeitgeist-Erinnerung gut, sondern kann immer noch viel Spaß bereiten (6/10).

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