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Der Name Frank Miller dürfte zumindest seit der Verfilmung seines Kult-Comics „Sin City“ ein fester Begriff in unserer Filmlandschaft sein. Dabei sah es speziell für Fans, die förmlich nach Umsetzungen seiner Graphic Novels lechzten, lange Zeit nicht sonderlich rosig aus. Er weigerte sich vehement gegen Adaptierungen für die große Leinwand, bis es im Jahre 2005 schließlich doch geschah: Sein wohl bekanntestes Werk, „Sin City“, wurde durch Robert Rodriguez realisiert. Diesem war gelungen, worin zuvor noch keinem anderen Erfolg vergönnt war- er konnte Miller von seiner Vision überzeugen und behielt am Ende Recht. Der Streifen schlug in der Fangemeinde ein wie eine Bombe. Bald darauf folgten auch schon die ersten Bekanntgaben, dass man sich an einem weiteren Millerschen Stoff, genannt „300“, versuchen wollte. Erschuf „Sin City“ einen Mikrokosmos aus Gewalt und Anti-Helden im Stil der alten Film Noir aus den 30ern/ 40ern, so schlägt Zack Snyder mit „300“ einen noch viel weiteren Bogen. Die Reise führt ins Griechenland des Jahres 480 v. Chr. und widmet sich einem der faszinierendsten Kämpfe der Geschichte- der Schlacht bei den Thermopylen.

Herausgefordert durch den Wunsch des Gottkönigs Xerxes, Griechenland vollständig unter seine Kontrolle zu bringen und die Bevölkerung zu versklaven, zieht König Leonidas mit einer Elitearmee von Spartanern gegen die übermächtigen Heerscharen des machthungrigen Xerxes in den Krieg. Ihre zahlenmäßige Unterlegenheit zwingt Leonidas zu einer List. So entscheidet er sich, die einfallenden Horden an einem Engpass bei den Thermopylen anzugreifen, um deren gewaltiger Überzahl die Bedeutung zu nehmen. Tag um Tag halten die spartanischen Krieger die Stellung, wähnen sich sogar schon dem Sieg nahe, bis der hinterlistige Ephialtes sie verrät. Er deutet den Feinden einen geheimen Bergpass, der es ihnen ermöglicht, die mutigen Rebellen von zwei Seiten her einzukesseln…

Bereits der Trailer von „300“ versprach viel und schürte unter den sehnsüchtig wartenden Fans eine ungemein hohe Erwartungshaltung. Doch wie wahrscheinlich jeder Kinogänger in seinem Leben schon lernen musste, ist auf solche einschmeichelnden „Kurzfilmchen“ meist wenig Verlass. Schnell sind die besten Szenen zu einem gefälligen Werbefilm zusammengeschustert, der oftmals nicht hält, was er verspricht. Wie also bei dem „300“- Trailer die Erwartungen nicht ins Unermessliche schießen lassen, um nicht hinterher vielleicht unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgezerrt zu werden? Wahrscheinlich gar nicht! Unmöglich! Man schaut ihn einmal, zweimal, dreimal… und mit jedem weiteren Mal wächst die Vorfreude auf das Kommende stetig an. Das fertige Werk erlaubt nun endlich Entwarnung für alle Fans, denn der Streifen lässt sich mit drei simplen Worten umschreiben: bildgewaltig, überlebensgroß, imposant.

Dabei sei jedoch jedem, der an „300“ den Anspruch stellt, geschichtlich korrekt aufbereitetes Historienkino präsentiert zu bekommen, geraten, schleunigst den Kinosaal zu verlassen. Vielmehr bedient man sich des historischen Stoffs als Grundlage zur Inszenierung eines einwandfreien Action-Overkills, der schlicht und einfach unterhalten will. Bei dem z.B. zu detaillierte Betrachtungen der damaligen politischen Situation in Griechenland eher stören als nutzen würden und der weitere (Schlacht-)Details zugunsten der Dramaturgie frei verändert.

Aus heutiger Sicht mag die durch das Werk vermittelte Einstellung der spartanischen Soldaten zur Ehrenhaftigkeit des Kriegs durchaus befremdlich tumb wirken. Für die Soldaten steht weniger der Schrecken der Schlachten im Vordergrund, sondern sie sehen ihn als Gelegenheit um Ruhm, Ehre und Ansehen zu gewinnen- bei „300“ das zentrale Thema. Gewiss aus heutiger Sichtweise- mit den Kriegen des 20. Jahrhunderts im Hinterkopf- eine Einstellung, die für die zivilisierte Welt nicht nachvollziehbar, aber im Zusammenhang mit dem geschichtlichen Ereignis sicherlich legitim ist.

Der Streifen erzählt seine Geschichte in bis ins Endlose stilisierten Bildern, die wahrscheinlich eher großen Gemälden als herkömmlichen Filmbildern gleichen. Das beginnt schon beim exzessiven- man kann es nicht anders nennen- Einsatz von Slow-Motion-Effekten, ohne die „300“ garantiert in seiner Spielzeit nur halb so lang ausgefallen wäre. Es lassen sich kaum Sequenzen der großen Schlacht finden, in denen dieses Stilmittel nicht zum Einsatz kommt. Dadurch wird dem Werk eine epische Note verliehen, ohne dass sich der Effekt- wie eigentlich erwartet- allzu schnell abnutzt. Aber wahrscheinlich lässt einem „300“ bei seinem konsequent hohen Tempo einfach keine Zeit, um auf solche Kleinigkeiten zu achten. Denn der Zuschauer bekommt fast ohne Unterbrechungen einen Blickfang nach dem anderen aufgetischt, wobei hier der Ausdruck „eyecandy“ einfach mal nebenbei vollkommen neu definiert wird. Technisch brillant lässt Regisseur Zack Snyder das antike Griechenland komplett am Computer aus der Asche auferstehen, wobei die Bilder ihre deutlich erkennbare CGI- Herkunft keinesfalls verstecken brauchen. Im Gegenteil: der Comicverfilmung gelingt es äußerst souverän, mit dem sichtbaren PC-Einsatz zu kokettieren.
Zu den aus dem Computer stammenden Landschaften, die sich pompös vor den Zuschauern erstrecken, und den erstklassig gestalteten Stadtansichten hat Snyder die moderne Technologie dazu benutzt, die Action nicht gerade zimperlich zu gestalten. Durch das comichaft überzogene Naturell des Werks wirken die gezeigten Gewaltexzesse- in rauen Mengen spritzendes Blut, abgetrennte Köpfe etc.- zwar nicht mehr so intensiv bzw. schockierend, aber es kommen keinerlei Zweifel an der Kompromisslosigkeit des zur Schau gestellten auf. Durchbrechung erfährt der Film nur durch den eingestreuten schwarzen Humor (Stichwort: Mauer aus den Leichenbergen der Gegner) bzw. den sarkastischen Unterton (Stichwort: Konfrontation mit Xerxes), der besonders von der Figur des Leonidas ausgeht. Er bringt dadurch Frische, Leichtigkeit und Pfiff ins Geschehen

Dass „300“ kein Schauspielerfilm, sondern eher Schaukino par Excellanze ist, dürfte von vornherein eine allgemeine Annahme gewesen sein. Gerard Butler widerlegt diese Aussage jedoch. Er drückt dem Charakter Leonidas einen unvergleichlich markanten Stempel auf, hat deutlich seinen Anteil am positiven Gesamteindruck. So gelingt es ihm sofort, für sich Sympathien zu erwecken und das Publikum auf seiner Seite mitfiebern zu lassen. Leider kann man das vom restlichen Cast nicht behaupten, bleibt dieser hinter Butler äußerst blass zurück.

„300“ ist Kino, das mit seinen Testosteron geschwängerten Bildern definitiv Spaß bereitet und einen Besuch im Lichtspieltheater wert ist. Kleinere Negativaspekte wie die Darstellung des gegnerischen Königs Xerxes (war der Kerl damals wirklich so eine aufgestylte Lachnummer, der von der Schminke im Gesicht jedem Mädchen hätte Konkurrenz machen können?!) oder die teilweise arg nervig pathetischen Dialoge, fallen bei der Endabrechnung nicht allzu schwer ins Gewicht.

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