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Die Erzählung über den heroischen Kampf des Spartanerkönigs Leonidas, der sich mit 300 Kämpfern den zu hunderttausenden Soldaten zählenden persischen Truppen gegenüber stellte, galt in Griechenland über die Jahrhunderte immer als Synonym für Opfertod und Vaterlandsliebe. Doch erst mit Schillers Übersetzung aus dem Griechischen, daß in dem Satz gipfelte "Wanderer, kommst du nach Sparta, verkünde dorten du habest / Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl" begann die Stilisierung des Kampfes der Spartaner zum Vorbild für militärische Pfichterfüllung der Nationalstaaten.

"Wie das Gesetz es befahl" wurde zur steten Formel des deutschen Soldaten, mit denen auch die unsinnigsten Militäraktionen gerechtfertigt wurden bis hin zu Stalingrad. Um die dortige Vernichtung der deutschen Armee zu rechtfertigen ,verstieg sich Göbbels in seiner Rede zum 10.Jahrestag der Machtergreifung der Nazis zu einer Variante des berühmten Zitates mit den Worten beginnend "Kommst du nach Deutschland, so berichte...". Doch nicht nur in Deutschland, sondern in vielen anderen Ländern galt Leonidas als Vorbild. So wurde im amerikanischen Bürgerkrieg "to make a Thermopylae" zum stehenden Begriff für besonders waghalsige Aktionen.

Auch wenn Zack Snyder sich gegen die Politisierung seines Films wehrt, so muß ihm doch bewußt sein, welche Bedeutung die von ihm erzählte Geschichte seit 480 vor Christus hat. Selbst die Argumentation, daß er sich an Frank Millers Comic als Vorlage hält, greift zu kurz, da er dessen Intention automatisch mit seinem Film weitertransportiert.

Es stellt sich nur die Frage, um welche Intention es sich dabei handelt ? - Frank Miller äußerte einmal, daß er, seitdem er den amerikanischen Film "The 300 Spartans" aus dem Jahr 1962 sah, sich mit dem Gedanken trug, diese Geschichte in eine Comicform zu fassen. Streng genommen handelt es sich also bei "300" um einen Film nach einer Comicvorlage, die wiederum eine Umsetzung eines Films ist. Doch sagt das noch nicht viel über die Intention des Zeichners aus, die sich am deutlichsten in seinen Bildern widerspiegelt.

Miller zeichnet in "300" Gemälde in epischer Breite, die ihm ermöglichen seine düsteren Visionen mit einem ästhetischen Muster zu kombinieren. Die Anordnung der spartanischen Soldaten, ihre Disziplin und Kampfaufstellung schaffen Rythmen, die so zu grafischen, wiederkehrenden Linien und Symbolen werden, die sich mit dem Chaos vermischen - man kann mit gutem Gewissen feststellen, daß dieser künstlerische Ausgangspunkt genug Anlaß bot, diesen Comic herzustellen. Der Vorwurf, faschistoide Bilder gezeichnet zu haben, ist deshalb nicht gerechtfertigt, denn Miller wertet nicht und greift nicht zu Pathos. Er bietet einfach mit seinen Bildern interpretatorischen Raum an - ein legitimes Mittel in der Kunst.

Doch während Millers Comic nur eine kleine Zahl von Interessenten erreicht, so erkennt man schon am großen Erfolg in den USA, daß sich Zack Snyders Film mit völlig anderen Dimensionen auseinandersetzen muß. Und Snyder wird das bewußt gewesen sein, denn nicht ohne Grund fügt er Millers Vorlage eigene Storyelemente hinzu. Die gesamten Abläufe in Sparta mit Leonidas Ehefrau, die sich vor den Ratsherren einsetzt, um Unterstützung für die 300 Kämpfer zu erhalten, ist als Gegengewicht zu den Darstellungen auf dem Schlachtfeld zu verstehen.

Weiter versucht Snyder durch zivile Elemente, durch die Darstellung von familiärer Liebe zu Frau und Sohn, durch persönliche Trauer des Heerführers im Angesichts des Todes seines Sohnes ,emotionale Elemente in das kollektive Abschlachten einzufügen. Das wirkt dann teilweise etwas inkonsequent, wenn man Leonidas Hand zart über den Schopf des Sohnes streichen sieht, während zuvor die spartanische Härte und Gefühlslosigkeit in Auslese und Schulung der männlichen Nachkommen betont wurde. Aber es verdeutlicht Snyders Intention, ein wenig Abstand zum sonstigen martialischen Geschehen herzustellen.

Doch ein Film kann nicht - wie ein Comic - durch stehende Bilder einen abstrakten Abstand herstellen, er emotionalisiert automatisch. Und die filmischen Schlachtgemälde, die sich in den Farben stark am Comicvorbild orientieren und durch Rythmuswechsel in der Geschwindigkeit zusätzlich daran erinnern sollen, sind ein Vielfaches beeindruckender als die wenigen intimen Szenen. In den besten Momenten wirken die Kämpfe wie choreografierte Tänze und erinnern in ihrem Muster an Millers Vorlage. Dabei wirken selbst die Leichenberge und abgeschlagenen Gliedmassen mehr wie dazugehörige Ausstattungsstücke, als als Zeichen realer Greuel, was sicherlich zu dem ab 16 rating führte. Durch diese fein abgestimmten wellenartigen Abläufe gelingt es Snyder die Story, die man kaum als solche bezeichnen kann, abwechslungsreich und spannend zu gestalten

Doch ohne eine klare emotionale Aussage, die die vollen Sympathien Leonidas eisernen Soldaten schenkt und die die Gegenspieler um Xerxes teilweise äußerst fragwürdig als eine Mischung aus Weichlingen, Wahnsinnigen und Verrätern darstellt, würde "300" nicht funktionieren. Snyder kann hier keine Objektivität leisten und führt der Geschichte um den heroischen Kampf des Leonidas einen weiteren Baustein hinzu, auch wenn er immer betont, daß Leonidas und seine Männer um ihre Freiheit und gegen eine Diktatur kämpfen. Das es anders ging, bewies Heinrich Böll schon in den 50er Jahren, als er mit seinem "Wanderer, kommst du nach Spa..." am Beispiel eines toten Soldaten, den Unsinn dieses gegenseitigen Mordens verdeutlichte.

Fazit : faszinierendes Schlachtenepos, das den Kampf von 300 Männern gegenüber einer wahnwitzigen Übermacht zeigt, die dazu noch mit teilweise überdimensionierten an Ungeheuer erinnernden Kämpfern antritt. Millers Comicvorlage wird in Optik und Rythmus kongenial umgesetzt, der Film ist aber in seiner emotionalen Sicht wesentlich beurteilender. Snyders Haltung stelle ich nicht in Frage und er versucht nicht ohne Grund, den freiheitlichen Hintergrund zu betonen.

So bleibt ein zwispältiges Gefühl zurück, da der Film einerseits spannend unterhält und für Actionfreunde ungeheure Showwerte bietet, andererseits aber in seiner fortführenden Stilisierung des heroischen Kampfes des Leonidas zu wenig kritisch ist und zum gedanklichen Mißbrauch einlädt.

Meine Punktebewertung ist in dieser Hinsicht ebenfalls gespalten. Als Actionfilm hat er sicherlich 8 Punkte verdient, aber insgesamt gebe ich (6/10).

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