Nach wie vor ist Homosexualität in China im besten Fall ein "Unthema", daß zwar nicht mehr verboten ist, aber etwa in der Art betrachtet wird, daß etwas nicht existiert, wenn man nicht darüber spricht. Deshalb erstaunt es auch nicht, daß es für Filmemacher ein reizvolles Thema darstellt, da sich eine Gesellschaft sehr schön an ihren Phobien definieren läßt.
Der chinesische Regisseur Sijie Dai mußte dabei die selben Umwege gehen, die schon Andere vor ihm wählten - das Drehen im Ausland. Während ein Film wie "Spinnenlilien" in Taiwan entstand, wurde "Die Töchter des chinesischen Gärtners" mit französischem und kanadischem Geld in Vietnam gedreht. Doch trotz gewisser Anpassungen an den europäischen Markt, entstand hier ein Film für das chinesische Publikum und es ist notwendig, bei der Beurteilung der Stilmittel diesen Hintergrund zu berücksichtigen.
Die Formsprache ist sehr klar und ruhig. Nur langsam entwickelt sich die Story, die mit der Stimme von Min-Li (Mylène Jampanoï) aus dem Off beginnt. Sie schildert, daß sie als einzige Überlebende eines Erdbebens seit 1973 in einem Waisenhaus lebt. Während ihr Vater Chinese war, stammte ihre Mutter aus Russland, ein Fakt, den man ihr ansieht, der aber für den weiteren Verlauf des Films keine Rolle spielt. Min-Li geht als Praktikantin zu einem berühmten Botanik-Professor, um dort weiteres Wissen für ihren angestrebten Heilberuf zu gewinnen.
Regisseur Sijie Dai siedelt seinen Film im China der 80er Jahre an, daß noch stark geprägt ist von einer maoistischen Ordnung. Der inzwischen praktizierte Kapitalismus unter der Regie der kommunistischen Partei hatte noch nicht Einzug in das Land gehalten. Es ist anzunehmen, daß dieser zeitliche Rücksprung, der nicht genutzt wird, um politische Kritik zu üben, eine Konzession an das heimische Publikum darstellen soll, denn Sijie Dai geht hier sonst einen kaum verschlüsselten Weg.
Schon von Beginn an spürt man die Nähe der Praktikantin zu der Tochter des Professors Cheng An (Xiao Ran Li), die sie sofort vor ihrem strengen Vater in Schutz nimmt. Parallel zu der sensiblen Annäherung konzentriert sich der Film vor allem auf den großartigen Garten, der trotz seiner Vielfalt und seines scheinbar wilden Wuchses einer exakt einzuhaltenden Ordnung der Pflege bedarf. Zuerst wirkt deshalb des Professors kleinliche Strenge, die er oft auch beleidigend ausübt, gerechtfertigt, da er dadurch das Überleben dieser Pracht gewährleistet, aber immer mehr ist darin auch das verbohrte Festhalten an eine alte Ordnung zu erkennen.
Der Bruch in der Geschichte, die das gemächliche Leben in dem wunderschönen Garten beendet, entsteht durch das Auftauchen des Bruders Dan, der in chinesischer Armeeuniform plötzlich im Garten steht und zuerst freudig begrüßt wird. Doch sein Vater hat klare Pläne mit ihm und will ihn mit der hübschen Min-Li verkuppeln. Dan hat nichts dagegen und bemüht sich sofort um sie. Ab diesem Zeitpunkt beginnt der Film mit einer klaren Wertung, in dem er die zärtliche Annäherung zwischen den beiden Frauen, der unsensiblen und groben Anmache des Bruders gegenüber stellt. Deutlich zeigt hier Regisseur Sijie Dai ein Männerbild, daß Frauen nur als Sexualobjekt, Mutter und Hausfrau versteht und selbstverständlich erwartet, daß diese als Jungfrau in die Ehe kommen.
Gleichzeitig wird auch klar, daß es für eine Lebensform zwischen zwei sich liebenden Frauen keine Grundlage in der chinesischen Gesellschaft gibt, weswegen Cheng An ihre Geliebte überredet,ihren Bruder zu heiraten, da sie nur so Chancen sieht, immer in ihrer Nähe sein zu können. Da ihr Bruder nur als einfacher Soldat in Tibet stationiert ist, kann er seine Frau nicht mitnehmen und kommt nur sehr selten nach Hause. Es kommt zu einer traditionellen Hochzeit, doch die Frauen hatten die anschließenden Flitterwochen vergessen...
Vordergründig gibt es an vielen Stellen des Films Anspielungen auf kritische Themen, wie etwa die umstrittene chinesische Besetzung Tibets, aber diese werden nur geschildert, ohne das sie weiter ausgeführt werden. Genauso hat der Film kein Interesse an einer vielschichtigen Charakterisierung der männlichen Darsteller, die hier alle durchgehend schlecht wegkommen. Selbst der Vater und Professor, der zeitweise etwas komplexer geschildert wird, bleibt letztlich ein bornierter, uneinsichtiger Mann, der die eigene Tochter an den Pranger bringt. Umgekehrt sind die beiden Protagonistinnen in ihrer Liebe trotz großer Schwierigkeiten nicht zu erschüttern, machen in ihrem Verhalten niemals Fehler und werden so zu unschuldigen Opfern einer rigiden Gesellschaft hochstilisiert.
Es ist offensichtlich, daß es in "Die Töchter des chinesischen Gärtners" vor allem um die Darstellung der lesbischen Liebe zwischen den beiden Frauen geht, die hier konkret in erotischen Bildern geschildert wird. Kritisch müßte man hinterfragen, wie es die beiden Frauen in dieser sexualfeindlichen Umgebung gelernt haben, so sensibel und souverän aufeinander zuzugehen, aber um Realität geht es hier nicht, sondern um Stimmung und eine Botschaft. Regisseur Sijie Dai läßt uns mit seinen Protagonistinnen mitfiebern und seine Bilder und die Schilderung der Liebe können uns berühren. Die sich daraus ergebende Botschaft ist ganz einfach : es gibt diese Art der Liebe und sie hat ihre Berechtigung.
Fazit : sehr ruhiger und in farbenprächtigen Bildern erzählter Film über die Liebe zwischen zwei jungen chinesischen Frauen, inmitten eines prächtigen Gartens.
Einerseits setzt Regisseur Sijie Dai bewußt auf eine plakative Geschichte, die ein klares gut/böse Schema aufweist und nicht an Differenzierungen interessiert ist, andererseits schafft er gerade dadurch die Akzeptanz und die emotionale Nähe zu seinen beiden Protagonistinnen. Der zusätzliche Kniff, die Story vor 20 Jahren anzusiedeln und auf eine allgemeine Gesellschaftskritik zu verzichten - die spezielle Kritik am rechtlichen Umgang mit den Liebenden liegt ja in der Vergangenheit - soll auch beim chinesichen Publikum eine Identifikation mit einer bisher nur wenig akzeptierten Lebensform erzeugen.
Auch für ein europäisches Publkum dank der optischen Reize und der emotional fesselnden Geschichte ein schönes Filmerlebnis (7/10).