Eine Lehrerin und ein Schüler lieben sich - wahrlich ein Skandal. Schutzbefohlene dürfen durch ihre Erziehungs- oder Lehrberechtigten in sexueller Weise weder belästigt noch ausgenutzt werden. Regisseur Richard Eyre, der schon mit seinen Filmen „Stage Beauty" und „Iris" Aufmerksamkeit erregte, nahm sich diesen ernsten Themas „Tagebuch eines Skandals" an und fügte weitere brisante Aspekte hinzu.
Sheba Hart (Cate Blanchett) ist eine junge Lehrerin, welche mit dem signifikant älteren Richard (Bill Nighy, „Tatsächlich... Liebe") glücklich verheiratet ist und sich perfekt um ihre Kinder kümmert. Doch der erste Eindruck trügt: Sheba fühlt sich sexuell vernachlässigt und kann sich in ihrem Job als Kunstlehrerin, in welchem sie noch neu ist, nicht wirklich durchsetzen. Sie freundet sich mit der mütterlichen Hardliner-Kollegin Barbara (brillant: Judi Dench) an und die Frauen verbringen fortan viel zeit miteinander. Als dann der 15-Jährige Schüler Stephan (Andrew Simpson) eindeutige Annäherungsversuche startet, erliegt Sheba alsbald seinem Charme und beginnt eine Affäre mit ihm - was von Barbara nicht unentdeckt bleibt. Doch Barbara schwört Stillschweigen - für entsprechende Gegenleistungen...
„Tagebuch eines Skandals" ist eine vergleichsweise unspektakuläre Geschichte, die ohne Waffengewalt und Brutalität, nur gelegentlich mit Erotik auskommt. Nein, mit solchen Schauwerten kann dieser Ausnahmefilm nicht punkten. Er bezieht seine Klasse aus dem Wie der Inszenierung. Wenn Judi Dench aus dem Off kommentierend aus ihrem titelgebenden Tagebuch vorliest, welches von Zynismus und Sarkasmus geprägt ist, ebenso wie sie selbst nur Verachtung für ihre Mitmenschen übrig hat, dann erhält man einen Eindruck davon, dass man auch auf diese Weise für einen Reiz sorgen kann. Der Film beginnt relativ übersichtlich mit dem sich manifestierenden Tabu-Verhältnis zwischen Lehrerin und Schüler und gewinnt durch das zunehmende Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden Freundinnen an Dynamik und psychologischer Intensität. Einerseits die verbitterte, vereinsamte Barbara, dessen gleichgeschlechtlichen Leidenschaften im Anbetracht des Spätherbstes ihres Lebens noch einmal auflodern, andererseits die reumütige Jung-Lehrerin Sheba, die sich ihr freundschaftlich und noch mehr anbiedern muss, damit ein Geheimnis unter „Freundinnen" auch ein Geheimnis bleibt. Wie Judi Dench ihre sarkastisch-verächtliche Figur mit extrem zynischer, aber perfekter Mimik zum bösen Spiel verkörpert, ist eine Leistung, die Helen Mirrens Performance als „Die Queen" vergessen macht und es ist eine Schande, dass Frau Dench einmal mehr von der Academy übergangen wurde. Allerdings ist eben hier auch ein kleines Problem dieses dezidierten Schauspielerfilms auszumachen, welches möglicherweise jedoch auch gewollt ist: Während Judi Dench als mütterliche, fordernde Freundin brilliert, wird die etwas blasse Cate Blanchett - die in ihrer Rolle als unsichere emotionale Sklavin zweifellos sehr bemüht ist - von ihr schlicht an die Wand gespielt. Philip Glass (Musik u.a. zu "The Hours") sorgt mit seiner etwas zu sehr emotionalisierenden Filmmusik dafür, dass das innere Drama dabei auch nach außen dringt, weswegen „Tagebuch eines Skandals" nie zu biederem Kopfkino verkommt. Am Ende steht ein psychologisch äußerst intensiver Film um Abhängigkeit und Zuneigung, dem jedoch ein etwas originellerer Schluss gut getan hätte.
Fazit: Hoch brisanter Ensemblefilm, welcher besonders durch sein reifes Drehbuch und unterschwelligem, bitterbösen Witz zu überzeugen vermag. Eine gewisse emotionale Unterkühltheit verzeiht man dabei gern. „Tagebuch eines Skandals" ist zweifelsohne ein sehr guter Film und Judi Denchs bisheriges Meisterstück.