Review

Das nicht ironisch gebrochene Spiel mit den Konventionen des Genres erfreut sich besonders im Horrorfilm großer Beliebtheit. Nachvollziehbarkeit im Handeln des bösen Antagonisten und Logik sind wohl die Fremdwörter, die in den austauschbaren Drehbüchern selbigen Genres am ehesten nicht verstanden werden. Und dann drehen doch immer wieder mehr oder minder begabte Filmmacher 08/15-Filme nach Schema F, ohne anscheinend jemals von den Schwierigkeiten, dem fantastischen Genre an der Grenze zum Mysteriösen etwas Neues abzugewinnen, gehört zu haben. Gregory Jacobs, der Regisseur von „Der eisige Tod",  ist dieser Falle leider auf den Leim gegangen.

Zwei namenlose, da sehr austauschbar schauspielernde Studierende, einmal männlich, einmal weiblich, machen sich im tiefsten Winter per Auto auf den Weg Richtung Delaware.
Und jetzt das Rätsel für alle Freunde des mediokren bis schlechten Horrorfilms: Was passiert?
Na?
Richtig! Sie kommen an eine Tankstelle, wo ihnen prompt zu einer Abkürzung quer durch den finsteren Wald geraten wird, die sie dann natürlich auch nehmen.
Und was passiert dann?
Richtig! Sie haben einen Unfall und sitzen mitten im Schnee fest.
Man lasse mich mal im Genre-Handuch blättern... mhhh... ah ja: Texas Chainsaw Massacre und The Hills have Eyes - wie gehabt und immer wieder gern genommen. Einzige Variation: Der Schnee und die Beschränkung der Protagonisten auf Anzahl: 2.

Und da sie ja mitten im nächtlichen Wald im fahruntüchtigen Auto nichts Besseres zu tun haben und die Pubertät an ihnen scheinbar spurlos vorüber gezogen ist, wird erst einmal mächtig rumgezickt, bis herauskommt, dass Guy - so der Rollenname des männlichen Protagonisten (dargestellt von Ashton Holmes, bekannt aus der TV-Serie Boston Legal) - scharf ist auf das Girl - unglaublich, aber wahr, dies ist die Rollenbezeichnung des weiblichen Protagonisten (dargestellt von Emily Blunt, die in Der Teufel trägt Prada eine kleine Rolle spielte).

Naja, bis man das pubertäre Gelaber und die ungelenken Anmachversuche, die sich als ein zäher Versuch und Anflug von Charakterzeichnung entpuppen, überstanden hat, muss man schon die erste Aspirin gegen die Kopfschmerzen einschmeißen. Doch dann - huch - bemerkt die Zweckgemeinschaft (Girl suchte bei Guy nur eine Mitfahrgelegenheit), dass sie nicht allein ist im Wald und irgendwelche sinistren Gestalten, die mit ihren schwarzen Gewändern an die Aliens in Dark City und mit ihre passiven Rumgestehe und -geschlurfe an The Gathering erinnern, durch die Gegend geistern. Geistern trifft es ganz gut, war dort im Wald vor Jahren doch schon einmal etwas Grausames und hochgradig Mysteriöses passiert und etliche Leute sind im Laufe der Jahre erfroren. Wie und warum genau will ich aber jetzt nicht verraten, weil ich „Der eisige Tod" sonst das Einzige nehme, was nicht durch Nicht-Anwesenheit (man verzeihe mir diesen umständlich eingebauten Litotes) glänzt: Spannung. Ja, sie kommt dann langsam auf, wenn Komponist Clint Mansell (er lieferte die großartige Musik zu The Fountain) sein unheilsschwangeres, aber subtil spielendes Orchester dirigiert und uns, dem Zuschauer, in Verbindung mit der raffinierten Kameraarbeit von Dan Laustsen, bei der man auf kleine Details im Bild achten und auf unerwartete Schockeffekte vorbereitet sein sollte, Angst einzuflößen. So erzeugen die beiden Fähigsten an diesem Schmu Beteiligten eine gruselige Atmosphäre, bei dem es Einem - man verzeihe mir dieses Wortspiel - eiskalt den Rücken herunter läuft. 

Zurück jedoch zum Exkurs über die Klischees im Horrorfilm: Solch dämliche Handlungsweisen wie „Ich gehe alleine los in der tiefsten Nacht und hole Hilfe und du wartest hier" gibt's natürlich auch. Und wer überlebt (oder überleben könnte aller Wahrscheinlichkeit nach), ist auch von Anfang an absehbar. Natürlich bauen die beiden eingangs verhassten Streithähne, die die ganze Zeit allein im Auto rumsitzen oder allerlei dummes Zeug reden, so etwas wie positive Emotionen im Anbetracht der bedrohlichen, ja nahezu kafkaesken Umstände füreinander auf - zumindest sind sie sich gegenseitig nicht mehr egal. Dem Zuschauer aber schon: Ihn lässt das Schicksal der Beiden aufgrund der Unsympathie ihrer Figuren irgendwie kalt.

„Der eisige Tod" holpert von einem Logikloch und einer Unstimmigkeit zum Nächsten und das Drehbuch lehrt durch seine weitgehende Einfallslosigkeit und Erklärungsnot - besonders gegen Ende - das Fürchten. Fast hätte ich mich dazu hinreißen lassen, diesen weitgehend immerhin spannenden Rundumschlag eines Mystery-Horrorthrillers um Gestalten und Tod im Wald als „durchschnittlich" einzustufen. Doch dafür waren mir die gefühlten 500 Traumsequenzen zu verwirrend und unnötig. 

Fazit: Nur leidlich spannendes Zwei-Personen-Stück mit guten Ansätzen, aber gänzlich verschenkter Grusel-Atmosphäre, die zuweilen sogar Beklemmung aufkommen lässt. Die Austauschbarkeit des Plots in „Der eisige Tod" wird schon bei den „originellen" Rollennamen („Guy" und „Girl") deutlich: Am Ende steht leider nur ein unlogischer und klischeehafter Flop mit extrem blassen Abziehbildern anstatt Charakteren.

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