Review

Emilio Estevez muß wütend gewesen sein, sehr wütend. Es hatte keine Lust mehr auf Anspielungen, Satire, Symbolismen, coole Stilisierungen oder sonst irgendeine Spielart der verklausulierten Aussage. Als er sich hinsetzte und das Drehbuch zu "Bobby" schrieb, versetzte er sich in das Jahr 1968, in die damalige Dynamik der Anti-Vietnam Bewegung, des Aufbruchs ,des Mutes und dem Wunsch nach Erneuerung, der auch die USA erfasst hatte und den er an der Person Robert Kennedy festmachte.

Aber er hatte das Heute vor Augen, den Irak-Krieg, die verbohrte Haltung der USA und deren Vorstellung davon, wie der Weltfrieden herzustellen ist. Sein Film, der den Tag am 4.Juni 1968 im Hotel Ambassador schildert, an dem abends das Attentat auf Robert Kennedy stattfand, zeigt nicht nur an Hand vieler dokumentarischer Bilder die damaligen Geschehnisse, sondern vermittelt auch seine Botschaft in der gleichen Art - direkt, ohne Umschweife und Interpretation, weltverbesserlich, idealistisch und aus heutiger Sicht scheinbar kitschig und sentimental.

Doch stellt sich die Frage, ob dieses Urteil gerechtfertigt ist, welches sicherlich dazu beigetragen hat, daß dieser Film bei den Oscar-Verleihungen keine Chance hatte. In dieser deutlichen Sprache mag man das heute nicht mehr. Das erinnert an Martin Luther Kings Reden aus den 60ern, Rhetorik der Studentenbewegung und der anschließenden Friedensbewegung und hat seine Halbwertzeit an Coolness schon lange überschritten.

Dabei kommen dem Film zwei Fakten zugute. Zum Einen ist Jedem bekannt, daß Robert Kennedy, der jüngere Bruder des deutlich berühmteren John F.Kennedy auch einem Attentat zum Opfer fiel, zum Anderen kennt aber kaum Jemand den Zeitpunkt und die Hintergründe dieses Ereignisses. Meistens wird sein Tod im Zusammenhang mit dem 2 Monate zuvor ermordeten Martin Luther King erwähnt, quasi als Schlußpunkt der Vernichtung des "amerikanischen Traums", der durch die Auslöschung der charismatischsten Vertreter des amerikanischen Liberalismus ausgelöst wurde.

Unabhängig davon wie man den Film im Einzelnen einschätzt, kann man nicht umhin, ihm zuzugestehen, daß er eine Person wieder ins Bewußtsein rückt und ein gesellschaftliches Denken vermittelt, daß wert ist daran erinnert zu werden. Doch bis "Bobby" seinen Höhepunkt erreicht, benötigt er einen langen Anlauf.

Nachdem einige dokumentarische Aufnahmen uns in die Szenerie eingeführt haben, erleben wir vor allem das minütliche Erscheinen großer Hollywood-Stars, die hier zum Einen Mitarbeiter im riesigen Apparat des Ambassador-Hotels spielen, zum Anderen als Gäste dort anwesend sind. Für den Abend ist im Hotel Ambassador der große Auftritt Robert Kennedys geplant, anläßlich einer Party zur aktuell stattfindenden Vorwahl zur Präsidentenwahl in Kalifornien.

Alles ist in Aufruhr und Estevez zeigt an verschiedenen kleinen Konflikten und Beziehungsproblemen das Leben im Hotel. Anthony Hopkins, der einen alternden Empfangschef spielt, der die meiste Zeit beim Schachspiel mit seinem Freund Nelson (Harry Belafonte)verbringt, spricht nicht ohne Grund zu Beginn über den Film "Menschen im Hotel" aus den frühen 30ern, an den "Bobby" in seiner fast altmodisch anmutenden Erzählweise erinnert.

Estevez stellt die Auseinandersetzung zwischen dem liberalen Hotel-Manager (William H.Macy)und seinem Leiter der Küchenabteilung Timmons (Christian Slater), den er wegen rassistischer Verhaltensmuster entläßt, in den Mittelpunkt. Dieser hatte die ausschließlich aus Latinos und Schwarzen bestehenden Küchenmitarbeiter zu zwei Schichten verdonnert und damit verhindert, daß diese zur Wahl gehen können. Deren Gedanken und Verhaltensweisen gibt der Film einiges Gewicht, was auf die Tatsache hindeutet, daß Robert Kennedy gerade bei diesen Menschen - einmalig in der amerikanischen Geschichte - besonders beliebt war.

Die vielen anderen kleinen Geschichten sind mal sehr gelungen, wie die Begegnung der alternden Stars Demi Moore und Sharon Stone, die hier ohne ein Jahr jünger zu wirken, überzeugende Figuren abgeben. Sie sind mal eher amüsant wie die LSD-Erfahrung zweier Wahlhelfer mit einem etwas karikaturhaft spielenden Ashton Kutscher als Dealer und sie wirken teilweise recht betulich belanglos wie die Beziehung zwischen dem wohlhabenden Ehepaar Hellen Hunt und Martin Sheen. Das Alles macht einen recht uneinheitlichen Eindruck, der durch seine ständigen Szenenwechsel in der ersten Hälfte des Films wenig Gelegenheit zur Identifizierung bietet.

Das ändert sich im zweiten Teil des Films, der immer stärker auf die Ankunft Robert Kennedys zusteuert. Immer häufiger wird das Geschehen mit dokumentarischen Aufnahmen verzahnt, die teilweise direkt eingefügt werden und damit die persönliche Anwesenheit Kennedys erfahrbar machen. Genauso wie seine Sogwirkung auf die Menschen im Hotel, die sich auf den Betrachter überträgt. Man fiebert regelrecht mit und wünscht sich ein möglichst langes Herauszögern des unvermeidlichen Attentates.

Und ist entsprechend schockiert als es dann geschieht. Estevez hält sich nicht mit Verschwörungstheorien oder dem ausführenden Täter auf, sondern läßt alles im Chaos versinken. Man sieht nur noch schreiende, weinende, fassungslose und umher irrende Menschen, Verletzte liegen mit blutigen Wunden am Boden und über allem läßt Estevez minutenlang Robert Kennedys Rede zum Tod von Martin Luther King erklingen. Man benötigt schon einen sehr um Abstand bemühten rationalen Verstand, um sich dieser Wirkung zu entziehen...

Fazit: Ein Film über das Leben im "Hotel Ambassador" am Tag des Attentates auf Robert Kennedy, fast altmodisch erzählt in vielen kleinen Szenen unter den Mitarbeitern und Gästen des Hotels. Bei dem erheblichen Starpotential, daß der Film aufweist, fällt besonders auf, daß alle Stars sich um eine möglichst reale Darstellung bemühen, alters- und typgerecht - für Sharon Stone als alternde Friseuse mit tussiger Frisur eine Verarbeitung ihrer letzten Rolle in "Basic Instinct 2".

"Bobby" bietet klassisches Schauspielerkino, daß eine gewisse Zeit braucht bis es fesselt, aber trotzdem gut unterhält. Dabei verfolgt Emilio Estevez, der selbst mitspielt, eine Intention, die überdeutlich zu erkennen ist. Er zeigt den Aufbruch der USA Ende der 60er Jahre, den Wunsch nach Gemeinsamkeit jenseits von rassistischem Denken und nach Frieden, hier dem Ende des Vietnamkrieges.

Es ist offensichtlich ,daß er die Zerstörung dieses Wunschtraumes für den Beginn einer Entwicklung hält, die bis heute andauert und das er einen neuerlichen Aufbruch in der Gesellschaft der USA für notwendig hält. Die Art, wie er das hier propagiert muß man nicht mögen, aber sie ist ehrlich und verliert sich nicht in Manierismen (8,5/10).

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