Der 2. Weltkrieg lässt sich unbestreitbar als eine der größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts ausmachen. Wie die Dinge in Hollywood so laufen, sind es gerade diese Katastrophen, die eine ungeheuere Anziehungskraft auf Produzenten, Regisseure und sämtliche andere wichtige Entscheidungsträger ausüben. So blicken Filme mit dem Thema des 2. Weltkriegs auf eine lange Geschichte zurück, in der besonders die Ost- („Steiner - Das eiserne Kreuz“, „Stalingrad“) und die Westfront („Der Soldat James Ryan“, „Band of Brothers“) immer wieder beliebte Schauplätze zur Rekonstruktion vergangener Scharmützel waren. Clint Eastwood beschreitet mit seinem aktuellen Werk „Flags of our Fathers“ einen etwas abseitigen Weg. Er entfernt sich von den gängigen Fronten, beleuchtet den Pazifikkrieg, genauer gesagt die Schlacht um das kleine Eiland Iwojima, wo zig tausende von Japanern und Amerikanern den Tod fanden.
Iwojima, Frühjahr 1945: Sechs junge Soldaten hissen eine amerikanische Flagge auf dem Berg Suribachi, ohne zu ahnen, was diese Tat für Konsequenzen hat. Das Foto, das in jenem Moment geschossen wird, geht in kürzester Zeit um die Welt, macht so die Abgebildeten zu Helden und die Fotographie zu einem Symbol des Siegs.
Wieder zurück in der Heimat: Die Regierung drängt die drei Überlebenden des Bildes- John „Doc“ Bradley, Rene Gagnon und Ira Hayes- zu einer Tournee durch die Staaten. Sie sollen mit ihren bekannten Gesichtern für Kriegsanleihen werben, um eine vorzeitige Niederlage der USA durch Geldmangel zu verhindern. Doch schnell stellt sich heraus, dass die als Helden gefeierten Soldaten wenig mit ihrem neu erworbenen Ruhm anfangen können und die Masche, wie mit ihnen Vermarktung betrieben wird, satt haben.
„Flags of our Fathers“ ist der erste Teil von Clint Eastwoods Monumentalprojekt über die Schlacht um Iwojima. Die Geschehnisse werden hier aus der Sicht der Amerikaner aufbereitet und liefern packende Eindrücke aus der damaligen Zeit.
Dass Eastwood mit diesem ehrgeizigen Film– besonders in Amerika- nicht nur auf Gegenliebe stoßen wird, scheint vorprogrammiert, stellt er doch die manipulativen, ausbeuterischen Machenschaften der damaligen US- Regierung samt deren Kriegsmaschinerie an den Pranger.
Die Manipulation der amerikanischen Bürger hat zum Ziel, dem kriegsmüden Volk das Geld aus den Taschen zu locken, um so den Fortgang des Krieges zu finanzieren. Vorangegangene Anleihen fanden nicht den gewünschten Anklang, deshalb erhofft man sich mit den drei jungen Helden des wohl berühmtesten, amerikanischen Kriegsfotos kräftige Zugpferde für einen weiteren Anlauf gefunden zu haben. Die Regierung, respektive das Militär, schafft dabei alles aus dem Weg, was dem Ansehen auch nur im Geringsten schaden und die Taschen der Bevölkerung geschlossen halten könnte: Die Wahrheit über die zwei gehissten Flaggen auf Iwojima landet unter Verschluss, die fälschlich mit der Flagge in Verbindung gebrachten Soldaten werden verschwiegen. Schlussendlich entledigt man sich sogar des unbequemen Soldaten Ira Hayes, der am Wenigsten mit seinem angedichteten „Heldentum“ zurecht kommt. Alles, was zählt, ist das Image in der Öffentlichkeit, produziert von einer bis in die letzten Zahnrädchen perfekt geölten Propagandamaschinerie. Achtung des Individuums und Menschlichkeit stellen nur unvorteilhaften Ballast dar, den es über Bord zu werfen gilt.
Angenehm erfrischend, dass Eastwood auf jegliche Form von „Hurra-Patriotismus“, Glorifizierung oder Verklärung der Geschehnisse verzichtet. Stattdessen zeigt das Werk den ungeschönten, nüchternen Schrecken des Kriegs, den allen Beteiligten noch lange Zeit mit sich herumtragen werden. Zudem begnügt „Flags“ sich nicht damit, ein reiner Kriegsfilm zu sein, der die Gräueltaten auf dem Schlachtfeld aufzeigt. Eastwood geht die Sache wesentlich intelligenter bzw. einfach subtiler an. Durch den Einsatz mehrerer Erzählebenen gelingt es ihm zum einen die brutale Schlacht und zum anderen die geschmacklose Tournee der drei Überlebenden durch die USA zu zeigen, die genauso wie die Kämpfe tiefe Spuren hinterlässt. Die Geschehnisse in Amerika und auf Iwojima erfahren eine geschickte Verquickung, die wirksam zum Einsatz kommt und den Film vielschichtiger wirken lässt als viele seiner Genrekollegen.
Deutlich spürbar, dass sowohl ein gereifter Mann als auch zugleich ein Meister seines Fachs auf dem Regiestuhl Platz genommen hat, der es sich zum Ziel gemacht hat, eine unübersehbare Antikriegs- Botschaft zu verbreiten. Gespannt darf man in dem Zusammenhang auf den Nachfolger „Letter from Iwo Jima“ sein, der die Ereignisse aus der Sicht der Japaner wiedergibt und somit dem „Feind“ ein Gesicht verleiht. Diese einzigartige Herangehensweise an das Thema verdeutlicht Eastwoods große Ambitionen.
Problematisch erscheint die gewählte, kühle Erzählweise nur wenn es darum geht, zwischen Zuschauer und Werk eine Verbindung aufzubauen. Zu distanziert, zu fern werden die Geschehnisse über weite Strecken betrachtet, als dass man sofort einen Einstieg in den Film finden könnte. Auf „hilfreiche“ Melodramatik verzichtet „Flags“ bis auf das Ende vollkommen. So lässt er sich nicht in dieselbe Kategorie wie zum Beispiel „Der Soldat James Ryan“ stecken, der es seinem Publikum in dieser Hinsicht wesentlich einfacher gestaltet. Sicherlich ein sehr lobenswerter, aber auch gewagter Ansatz im Hinblick auf das Publikum.
Weiterhin negativ aufgefallen ist Eastwoods Besetzung des Streifens, welche oftmals nicht glücklich gewählt- sogar teilweise deplaziert- wirkt. Zu diesen Missgriffen zählen leider zwei der Protagonisten. Einerseits der aalglatte Ryan Phillippe (als John ’Doc’ Bradley), zu dem die Rolle einfach nicht so recht passen will. Man nimmt ihm seinen Charakter nur schwer ab, ist stets skeptisch gegenüber den dargebotenen Leistungen. Anderseits, als zweiter im Bunde: der Indianer Ira Hayes (Adam Beach), der zwar nicht so durchgehend deplaziert, aber vereinzelt leider etwas hölzern, daherkommt.
Alles in allem der erste Teil eines äußerst ehrenwerten Projekts. „Flags of our Fathers“ ist aufrüttelnd, regt zum Nachdenken an und macht Lust auf den folgenden „Letters from Iwo Jima“. Man muss einmal mehr den Hut vor Clint Eastwood ziehen, der im Alter anscheinend erst so richtig aufblüht.