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Clint Eastwood hat sich als Regisseur mittlerweile genügend Reputation erarbeitet, um sich seine Projekte selbst aussuchen zu können. Dabei beweist er ein überaus gutes Händchen und im Jahre 2006 machte er sich an ein großes und enorm interessantes Projekt. Er drehte zwei Verfilmungen der Schlacht um die Insel Iwojima im Zweiten Weltkrieg. Einmal aus der Sicht der Amerikaner und einmal aus der Sicht der Japaner. Dies ist gerade im Bereich des Kriegsfilmes eine interessante Herangehensweise, krankt dieses Genre doch meistens an einer Glorifizierung einer Seite mit gleichzeitiger Verteufelung der anderen. Dies ist schon einmal neu. Eastwood (also der alte und weise) wäre auch nicht Eastwood, wenn es in seinem Kriegsfilm nur um die Darstellung von möglichst drastischem Schlachtengetümmel gehen würde. Vielmehr geht es in seinem Projekt um das Herausarbeiten einzelner Schicksale und die Idiotie des Krieges, die in den kleinen Geschichten steckt, um die der „normale“ Kriegsfilm einen großen Bogen macht.

„Flags of our Fathers” beschäftigt sich als mit der amerikanischen Seite dieser Schlacht. Der eigentliche Kampf um diese Insel und die Vorherrschaft im Pazifik dient Eastwood aber nur als Kulisse für die Geschichte, die er erzählen möchte. Ein paar junge Soldaten stellen eine amerikanische Flagge auf. Dies wird zufällig von einem Fotografen festgehalten. In der Heimat erkennt die Presse sofort die symbolische Kraft dieses Bildes und veröffentlicht es auf der Titelseite. Aus der Kriegsdepression unter der die Vereinigten Staaten litten, erwuchs durch dieses Symbol neue Hoffnung. Der amerikanischen Regierung steht zu diesem Zeitpunkt das Wasser bis zum Hals. Es ist schlichtweg kein Geld mehr da um Krieg zu treiben. Da kommt die neugewonnene Euphorie des Landes wegen dieses Fotos gerade recht. Kurzerhand werden die beteiligten Soldaten zurückbeordert, um Reden zu schwingen, für Kriegsanleihen zu werben, kurz: Propaganda zu betreiben. Wer den Plot liest, erkennt, dass man es nicht mit einem typischen Kriegsfilm zu tun hat. Vielmehr liefert Geschichtenerzähler Eastwood ein Charakterstück ab, das zur Zeit des Krieges spielt. Eastwood lässt zudem an keiner Stelle einen Zweifel, dass Krieg eine wahrhaft schlimme Zeit ist.

So verwebt er die schlimmen Erfahrungen, die die drei Soldaten im Krieg gemacht haben, mit den irrwitzigen Situationen, in denen die ehemaligen Soldaten nun stecken. Es fällt eben schwer, auf einer Cocktailparty Smalltalk zu halten, wenn man vor kurzer Zeit noch mitansehen musste, wie Kameraden enthauptet wurden. Gerade diese Gegensätze inszeniert Eastwood eindrucksvoll. Er tappt zu keiner Zeit in die Falle, aus dieser durchaus heroischen Geschichte ein kriegsverherrlichendes patriotisches Lehrstück zu machen. Im Gegenteil. Er erzählt die wahre Geschichte dieser drei Werbetreibenden in Sachen Kriegsanleihen hochgradig gefühlvoll einfühlsam und kritisch. In den meisten Momenten erscheinen Sie überfordert und wesentlich deplatzierter als auf dem Schlachtfeld. Was in üblichen Kriegsfilmen, wenn überhaupt, eine Nebenhandlung wäre, ist Eastwood ein ganzer Film wert. Neben dieser irrwitzigen Erfahrung, die die drei Kriegshelden durchlebten, schildert „Flags of our Fathers“ zudem die Kraft der Symbolik und der Medien in unserer Gesellschaft. Ein einzelnes Bild war dafür verantwortlich, dass die breite und kriegsmüde Bevölkerung wieder an den Sieg geglaubt hat und, viel wichtiger, an ihm interessiert war. Dass die Regierung sich dieser Macht bewusst war und diese Symbolik zu ihre Zwecken instrumentalisierte, war einerseits ein cleverer Schachzug, ist auf der anderen Seite ein immer noch geltender Hinweis auf die manipulative Macht der Medien. Diese Ebenen vermischt Eastwood geschickt mit dem Gefühlsleben der Soldaten, die dem grausamen Krieg ebenso wenig gewachsen waren, wie dem anschließenden Trubel um ihre Personen.

Eastwood konnte sich für diese tiefgründige Geschichte auf erstklassige Darsteller verlassen. Im Vordergrund stehen an dieser Stelle natürlich die drei Soldaten, die auf die Werbetour gehen mußten. Ihre Aufgabe ist sehr beachtlich, schließlich hatten sie nicht nur physisch in den Schlachtsequenzen zu überzeugen. Sie mußten zudem die dramatischen Momente überzeugend darstellen und sich dabei auch an den realen Vorbildern, die diese Ochsentour damals durchmachen mußten, orientieren. Dies ist allen sehr gut gelungen. Ryan Phillippe weicht in seiner Rolle vom Image des Hollwood-Beau ab. Zwar bleibt er an manchen Stellen ein wenig farblos, letztlich überwiegen aber seine positiven Momente. Jesse Bradford ist der zweite im Bunde der jungen Hauptdarsteller. Er gibt Frauenheld und Schlitzohr auch überzeugend, doch er wird ebenso, wie Phillippe von der Lesitung von Adam Beach übertroffen. Seine Leistung ist es, an die man sich am Ende des Filmes am besten erinnert. Seine Figur leidet unter den Folgen des Krieges auch am meisten. Als Amerikaner indianischer Abstammung versucht er die grausamen Bilder, die sich ihm in den Kopf gebrannt haben mithilfe von Alkohol zu verdrängen. Dies hat einige Auftritte in der Öffentlichkeit zur Folge, die eines Kriegshelden nicht würdig sind. Beach stellt diesen inneren Konflikt absolut glaubwürdig und eindrucksvoll dar. Auch wenn es allen dreien in der Zeit nach dem Krieg nicht besonders gut ergangen ist, identifiziert sich das Publikum am meisten mit der tragischen Geschichte seiner Figur. Diese Aufgabe erfüllt Beach mit Bravour und so trägt er den gesamten Film zu einem nicht unbeträchtlichen Stück auf seinen Schultern. In der weiteren Besetzung blitzt immer mal wieder ein bekanntes Gesicht auf, doch meist vertraute Eastwood in seinem Werk jungen und unverbrauchten Schauspielern. So vermittelt der Regisseur die Grausamkeit des Krieges weiter, schließlich sind in der Schlacht um Iwojima vor allem blutjunge Soldaten ums Leben gekommen. Da wäre für einen Sylvester Stallone hinter dem Maschinengewehr gar kein Platz.

„Flags of our Fathers” ist ein sowohl gefühl- als auch kraftvolles Werk aus Eastwoods Schaffen, das fast alles richtig macht, wo man so viel falsch machen könnte. Dem Film einen Übermaß an Patriotismus zu unterstellen wäre falsch. Im Gegenteil, denn erzählt wird eine kleine, beinahe irrwitzige Geschichte aus der wahnwitzigen Zeit des Zweiten Weltkriegs, die man kaum glauben würde, wäre sie nicht wahr. So ist nicht nur Eastwoods Idee toll, die Schlacht um Iwojima von beiden Seiten zu präsentieren und jeder dieser Seiten einen eigenen Film zu widmen, sondern auch „Flags of our Fathers“ ist toll geworden. Gegen wen sich die jungen amerikanischen Soldaten, die nicht das „Glück“ hatten in die Propagandamaschinerie der US-Regierung zu geraten, aufrieben, verrät uns „Letters from Iwo Jima“, der die hohe Vorgabe dieses Filmes sogar noch einmal toppen konnte. Aber das ist eine ganz andere Geschichte...

Fazit:

8 / 10

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